borussia dortmund attacke tag in redaktion

Anschlag auf BVB-Bus: So erlebte unser Autor den Abend in einer Sportredaktion

Ein Großraumbüro im Münchner Norden. Eine hochfrequentierte Kaffeemaschine, ein Tischkicker, ein Aufenthaltsraum, vorne eine Küche, hinten PC an PC mit überwiegend männlichen Mitt- und Endzwanzigern, die Bärte tragen und Mützen, obwohl sich der Sommer auf leisen Sohlen anschleicht und längst eine Vorhut entsendet hat, die tagsüber mit kräftigen Strahlen auf den Steinboden scheint.

Es ist Dienstagabend, ein normaler Hochbetriebstag in einer Online-Sportredaktion. Champions League. Dortmund spielt, Barcelona auch. Europäische Leckerbissen, für die Fans da draußen, und auch für uns hier drinnen. Es ist wie immer: Hektisches Tippen, draußen, vor den großen Fenstern, ist es dunkel geworden. Die Vorbereitungen laufen, einige tragen bereits Kopfhörer und sehen die Übertragung, andere sind bei einer letzten Raucherpause, bevor es gleich heißt: Crunchtime, Anpfiff, Stress.

Plötzlich, an diesem ganz normalen Tag, erwacht Twitter zum Leben, diese Turbo-Informationsmaschinerie, die nie geölt werden muss, um auf Hochbetrieb zu laufen. Neben dem Mannschaftsbus von Borussia Dortmund habe es eine Explosion gegeben. Es wird in die Tasten gehauen, jeder, der einen neuen Informationsschnipsel entdeckt, ruft ihn laut in den Raum unserer Redaktion hinein.

 

Wie auf Autopilot

 

Bald ist klar, Bild hat die Informationen wie so oft zu erst, wenig später bestätigt die Polizei und der BVB: Es gab eine Explosion auf dem Weg des Busses ins Stadion, eine Person ist verletzt, laut Bild soll diese der Spieler Marc Bartra sein. Es bleibt keine Zeit, groß nachzudenken, stattdessen laufen wir alle auf Autopilot. Es wird eine Breaking News erstellt, zack, auf Facebook damit. Eine Push-Nachricht für App-User geht raus und zwei Schreiber aktualisieren die News laufend. Mit Tweets, mit neuen Infos.

Der Griff zum Handy. Der Mann vor Ort wird angerufen. Es gehe ihm gut, sagt er. Es läuft alles erstaunlich wenig chaotisch ab. Denn wir alle wissen, was zu tun ist, hatten schon mehrfach stressige Situationen. Die Anschläge von Paris während eines Länderspiels der deutschen Nationalmannschaft, die Spielabsage von Hannover wegen einer Bombendrohung. Und dennoch: Das hier ist anders. Diese Erkenntnis sickert langsam durch die Tastaturen, über die unsere Finger fliegen, durch die Fenster, die den kühlen Abendwind abschirmen, durch die Wände.

Nur Minuten nach der ersten Nachricht eröffne ich eine Skype-Gruppe. Mit wichtigen Chefs auf der ganzen Welt. In Frankreich, Spanien, England, Italien, der Niederlande. „Sad day for football“, schreibt Carlo, den ich noch nie gesehen habe, mit dem ich aber fast täglich bei Skype zu tun habe. Er ist Teil unseres Redaktionsnetzwerks, das weltweit verzweigt ist. Wir tauschen Informationen aus, unser Reporter im Stadion geht bei Facebook live. Erst auf Deutsch, dann auf Englisch, für die Kollegen.

Obwohl man im Hinterkopf hat, dass das hier eine Ausnahmesituation ist, geht es weiter. Stimmen werden gesammelt, bald ist klar, dass das Spiel nicht stattfindet, dass der Verletzte tatsächlich Marc Bartra ist. Wir besprechen uns kurz: Was tun auf Facebook, was schreiben lassen für den späten Abend, wie darauf reagieren, dass es einen Angriff auf eine Fußballmannschaft gab. Denn das wird spätestens auf der für 23 Uhr abends anberaumten Pressekonferenz mit Polizei und Staatsanwältin klar: Man geht von einem gezielten Angriff aus, drei Sprengkörper sind explodiert, es ist großes Glück, dass niemand verletzt wurde.