Berufsstart

Welcher Job passt zu mir? Mit dem Bauch durch die Wand!

Nach dem Studium kommt diese schrecklich schöne Zeit, wenn man endlich die Bachelorarbeit nach der dritten Fristverlängerung abgegeben hat, in der man sich fragt: Was jetzt? Die nächsten drei Monate, bis das Zeugnis steht, herumreisen oder herausfinden, was man die letzten sechs Semester nicht auf die Reihe bekommen hat: Was will ich werden, jetzt, da ich groß bin? Die meisten stürzen sich in den Bewerbungswahnsinn, der mindestens 85 Bewerbungen beinhaltet, die alle irgendwie gleich formuliert sind, aber bei jeder denkt man sich langsam resignierend: Ich lasse sie sich so lesen, als wolle ich nichts mehr als genau diesen Job in der Personalabteilung. Hauptsache, ich habe die Stelle. Hauptsache, ich komme mal zu dieser ominösen Berufserfahrung, von der alle reden. Die ich im Studium nicht sammeln konnte, weil ich mir nicht leisten konnte, 40 Stunden die Woche als Werkstudent für 400 Euro im Monat zu arbeiten und stattdessen gekellnert habe.

 

Was will ich von meinem Job?

 

Die Panik, nach dem Studium keinen Job zu finden, natürlich unter Geistes- und Sozialwissenschaftlern weiter verbreitet als unter Maschinenbauern und Informatikern, führt dazu, dass sich viele unter Wert verkaufen, ist aber eigentlich unbegründet, denn die Arbeitslosenquote unter Akademikern liegt zwischen zwei und drei Prozent. Auch in Krisenzeiten sind sie gefragt und selbst wenn sie arbeitslos werden, finden sie meist schnell wieder Jobs.

Deshalb zeigt die Erfahrung, ist die Priorität nach der ersten Festanstellung oft nicht mehr, irgendeinen Job zu finden, sondern eine Tätigkeit, die erfüllt, Ansehen, Geld und Erfüllung bietet. Soviel zu den sozial erwünschten Ansprüchen. Daneben gibt es auch Wünsche, die man weniger offen verbalisiert, nämlich, dass die Arbeit einem genau das richtige Maß an Forderung abverlangt, sodass weder Burnout noch Boreout drohen, oder dass man immer noch genug Zeit für Hobbys, Familie und Freunde hat.

 

Höre ich auf meinen Kopf oder auf meinen Bauch?

 

An Angeboten mangelt es eigentlich nicht mal bei Geisteswissenschaftlern, durchforstet man die Stellenanzeigen wie beispielsweise bei Renego. Aber gerade dann fragt ihr euch: Wie soll ich da jetzt meinen Traumjob finden? Will ich bei dem größten Automobilkonzern Süddeutschlands ein Praktikum in der Personalentwicklung machen? Oder möchte ich mit Menschen arbeiten? Soll ich mich doch erstmal 12 Monate ausbeuten lassen, wenn das bedeutet, dass ich so meinen Traumberuf finde?

„Eventuell sind Kompromisse für diejenigen, die keinen großen Traum vor Augen haben, die einzige Möglichkeit, dem näher zu kommen, was sie wollen und erwarten.“, so Annedore Bröker von der Arbeitsagentur Hamburg gegenüber dem Spiegel. Der Weg zum Traumjob, über Praktika oder Volontariate, sei häufig zermürbend. Bröker berät Hochschulabsolventen und beobachtet die Frustration der Sucharbeitslosen; Oft nagen die vielen Absagen am Selbstbewusstsein. Vor allem, wenn man nicht den Lebenslauf einer eierlegenden Wollmilchsau vorlegen kann, denn die Unternehmen wünschen sich häufig Bewerber mit jahrelanger Berufserfahrung wie der eines 40-Jährigen, jedoch mit den Ansprüchen eines 20-Jährigen. Dabei muss der Bewerber Geduld haben. Aus den 85 Bewerbungen können schnell mal 100 werden. Dauern kann es auch bis zu einem Jahr, bis man eine Zusage erhält. In dieser Zeit sollte man aber trotzdem irgendeiner Beschäftigung nachgehen. Berufserfahrung ist ja das Zauberwort.

Sollte sich also die Bewerbungsphase etwas ausgedehnter gestalten, kann man sie dazu nutzen, eine Berufswahl zu treffen. Der erste Schritt sei, sich über die eigenen Ziele eindeutig klar zu werden und sich dann alle Optionen zu vergegenwärtigen, die tatsächlich möglich seien, empfiehlt die Psychologin Katrin Fischer, wenn es um die Entscheidungsfindung geht. „Bei so viel Auswahl haben wir oft den Impuls, Alternativen, die uns auf den ersten Blick unattraktiv erscheinen, von vornherein auszuschließen. Hier lohnt es, das Sichtfeld auszuweiten, also alle Wahlmöglichkeiten aufzulisten und möglichst objektiv zu bewerten.“

Fischer plädiert klar dafür, dem Bauchgefühl nicht zu viel Gewicht zuzusprechen, lediglich, wenn alles für eine Entscheidung spricht und man sich dennoch nicht wohl dabei fühlt, hat das Bauchgefühl eine Daseinsberechtigung. Ansonsten solle man wichtige Entscheidungen klar mit dem Kopf treffen, denn der Bauch täuscht, führt dazu, dass wir dem ersten Eindruck zuviel Beachtung schenken und uns selbst austricksen, indem wir auf den Bestätigungsfehler reinfallen. Der verleitet uns dazu, nur noch Informationen zu suchen, die unsere Hypothese bestätigen. Keine sehr wissenschaftliche Vorgehensweise.

 

Jobsuchportale als Hilfsmittel

 

Ob ihr nun auf Kopf oder Bauch hört, gleich zu Beginn den Traumberuf findet oder 10 Jahre braucht, bis ein Job eure Erwartungen erfüllt, es ist mittlerweile unabdingbar, das Internet zu Rate zu ziehen. Hilft es uns doch schon bei jeder WG-Küchen-Debatte, in der Liebe, zugegeben mehr schlecht als recht und bei dem kleinsten Wehwehchen als virtueller Doktor, ist es auch äußerst praktisch bei der Suche nach einem Job, sobald man weiß, wo man suchen muss. Das Angebot an Jobsuchportalen ist stark gewachsen, mittlerweile sind viele Portale sogar auf eine Studienrichtung spezialisiert. Durch die Suchfunktion wird das Filtern nach dem Traumberuf erleichtert. Die Angebote sind hier gesammelt auf einer Plattform, das Konzept einiger Portale beinhaltet auch, dass die Arbeitgeber die potenziellen Bewerber kontaktieren, die lediglich ihren Lebenslauf hochladen müssen.

Wenn ihr dann den ersten Arbeitsvertrag in den Händen haltet, wird dieser höchstwahrscheinlich nicht der sein, mit dem ihr euer 20-jähriges Betriebsjubiläum feiern werdet. Vielleicht auch nicht der zweite, vielleicht nicht mal der fünfte. Vor allem, wenn ihr keinen Studiengang gewählt habt, der euch die Blicke nach links und rechts erspart und sagt: du wirst Arzt, du wirst Anwalt, du wirst Puppenspieler. Aber es sind Berufserfahrungen, die, auch wenn der Job der Horror war, Inkompetenz und Pausensucht die Sternzeichen eurer Kollegen waren, euch zeigen: Das will ich nicht. Wenn ihr nicht mit dem „seit ich zwölf bin, will ich Astrophysiker werden“-Lebensplan gesegnet seid, hilft euch das Ausschlussverfahren zumindest, herauszufinden, was ihr definitiv nicht machen wollt.

Sprich, nach dem Studium gilt wieder: Probieren geht über studieren.

Bild:  Jacob Bøtter unter cc-by-sa 2.0