Zugezogen Maskulin Interview Pfeffi mit Alles Brennt

Zugezogen Maskulin: „Es ist nicht unsere Aufgabe, unsere Musik zu erklären“

Deutschrap brennt! Zugezogen Maskulin liefert mit „Alles Brennt“ das Hip-Hop Feuerwerk des Jahres ab. Grim 104 und Testo liefern als Zugezogen Maskulin kritische und zugleich autobiografische Texte unterlegt mit modernen amerikanischen Trap-Beats. Wir haben mit ihnen vor ihrem Konzert in München Pfeffi getrunken über ihre neueste Platte und über die Flüchtlingsproblematik in Deutschland gesprochen.

Zeitjung: Wie zuletzt der Anschlag in Tröglitz zeigte, ist Fremdenfeindlichkeit gegenüber Flüchtlingen wieder ein Problem in Deutschland und die Anzahl von Anschlägen auf Flüchtlingsheime steigt schon länger enorm an. In eurem Song Oranienplatz rappt ihr auch zur Flüchtlingsproblematik und erzählt eure persönlichen Erlebnisse zum Thema.  

Grim104: Genau es gab auf dem Oranienplatz in Berlin-Kreuzberg dieses Flüchtlingscamp, was eine Art Protest-Aktion war. Es wurde demonstriert, damit die Flüchtlinge in Deutschland endlich unter besseren Bedingungen leben können. Jedenfalls war ich saufen in einer Bar in der Nähe des Oranienplatz. In so einer Hipsterbar saß ich da, umgeben von stylishen Agenturenmenschen. Ich lauf nach Hause will zur U-Bahn und tingel direkt am Oranienplatz vorbei. Dort sehe ich Napuli, das ist die Frau, um der es in dem Track Oranienplatz geht. Sie ist aus dem Sudan geflüchtet und hat nach Räumung des Flüchtlingscamps 2014 mehrere Tage aus Protest in einem Baum verharrt.  Das Kranke ist der Widerspruch, gerade trinkst du noch mit Leuten, die sehr gutes Geld verdienen, und diese Menschen teilen sich quasi eine Luftlinie mit Napuli, die in einem Baum sitzt und aus dem Sudan geflüchtet ist.

Aber ihr seid nicht nur diese kritischen Beobachter, wie das Feuilleton über euch schreibt, sondern viel mehr habt ihr auch autobiografische Elemente in euren Texten, was ich sehr schön finde. Wie ist das für euch, so viel Autobiografisches in Rap-Texten zu hören?

Grim104: Na, ich achte ja darauf was ich auf der Platte haben will. Ich könnte auch noch viel mehr erzählen, aber da zieh ich mir schon meine persönliche Trennlinie. Als Konsument finde ich es hoch spannend, ich mag biografische Sachen in Rap-Texten, außerdem bin ich Fan von Künstler-Biografien. Vor allem deswegen bau‘ ich in meiner eigenen Musik sehr gerne biografische Punkte ein.

Testo: Plattenbau O.S.T. ist zum Beispiel autobiografisch. In der ZEIT stand ja – oh sie können ja so gut beobachten – „bei Plattenbau O.S.T stimmen sogar die Klamottenmarken“. Ich dachte mir nein, das ist doch meine Geschichte, die ich in diesem Track verarbeitet habe. Ansonsten bin ich da bei Grim, ich mag auch diese autobiografischen Sachen in Texten. Kunst soll bei mir etwas auslösen, wenn ich sie konsumiere. Ich will in die Gefühlswelt des Künstlers eintauchen können.

Verarbeitet ihr dann auch Erlebnisse aus der Jugend und Kindheit mit eurer Musik

Testo: Naja, ich glaub eher andersrum, das ist die Verarbeitung im Prozess des Erwachsen Werdens und des Reifens. Das spiegelt sich dann in der Kunst wider, eben in Tracks wie Plattenbau O.S.T., aber ich fühle mich danach nicht besser oder schlechter.

 

 

 

Eure Tracks können aber durchaus doppeldeutig sein, so wie der Song Schiffbruch. Hier könnte man doch jetzt auch an im Mittelmeer ertrinkende Flüchtlinge denken, aber auch der Track ist wieder autobiografisch, es geht unter anderem um das Scheitern in Berlin. 

Grim104: Ja richtig, da muss man wirklich aufpassen, dass hier nicht eine Metaebene zu viel aufgeklappt wird, die gar nicht existiert. Bei Schiffbruch könnte die nächste Metaebene sein, dass wir über den Untergang der Titanic referieren. Also es geht wirklich nur um das Nach-Hause-Kommen, und nicht alle Wünsche und Ziele verwirklichen zu können.

 Es wird aber nicht nur zu viel in eure Songs reininterpretiert, sondern auch oft total schwachsinniges Zeug. So wurde euch schon einmal vorgeworfen, ihr seid eine Nazi-Band. Außerdem feierte euch Ken Jebsen auf Facebook, obwohl er und seine Verschwörungskumpanen in euren Texten viel Kritik abbekommen. Was denkt ihr über solche falschen Interpretationen eurer Musik? 

Grim104: Bei sowas lach‘ ich einfach darüber. Es ist so ein herrlich absurder Vorwurf. Wir hatten das eben bei einem kleinen Festival, wo wir „Endlich wieder Krieg“ gespielt haben und die Leute danach meinten, was sind wir eigentlich für eine rassistische und faschistische Nazi-Kombo. Das amüsiert mich richtig, trifft genau meinen Humor. (Lacht)

Vor allem bringt es das doch oft nicht, denen die Texte zu erklären, oder? Das sind wahrscheinlich dieselben Pfeifen, die den Postillon für echt halten und aufschreiartig kommentieren.  

Grim104: Genau. Es lohnt sich wohl echt nicht. Klar, ich bin immer hin und her gerissen, wenn manchmal so Trolls sich auf unserer Facebook-Seite rumtreiben. Da hab ich das Bedürfnis, darauf einzugehen, aber ich lass es meistens doch, mich darüber aufzuregen.

Testo: Das ist sowieso eine Sisyphusaufgabe, du versuchst einem das zu erklären und dann kommen schon die nächsten Zehn. Außerdem ist es nicht unsere Aufgabe, unsere Musik zu erklären.

Grim104: Kunst sollte generell, wenn man es nicht will, so wenig wie möglich erklärt werden. Es fühlt sich einfach komisch an. Deshalb lassen wir die Leute weiter dumm herumdeuteln und lachen auf unseren Geldsäcken.

Gegenüber 1Live hast du dich in deinem Essay „Warum ich Milky Chance hasse“ relativ kritisch gegenüber der Musikbranche geäußert. Kannst du jetzt schon mit der Musikbranche abrechnen? 

Grim104: Nein, das wäre dann doch zu weit ausgeholt. Dafür sind wir noch viel zu kurz im Musikgeschäft, um mit dem System abzurechnen. Zu Milky Chance ist alles gesagt, da kann ich nur jedem empfehlen, sich den Essay anzuschauen. Aber in der Musikbranche gibt es viel Mist, doch den gab es genauso schon vor 20 Jahren. Weißt du, wir sind bei einem coolen Label, aber bei anderen Labels, da kann es schon mal vorkommen, dass du einen Horror-Vertrag bekommst. Aber wir sind mit unseren ersten Schritten recht zufrieden. Uns hat die Musikbranche noch nichts angetan.

Da wären wir schon bei eurem Label Buback. Wieso ist es ausgerechnet das Hamburger Indie-Label geworden? 

Testo: Na, die sind auf uns zu gekommen und haben sich mit anderen Labels schon recht früh um uns bemüht. Wir haben uns letztendlich für Buback entschieden, weil es eben nicht das typische Rap-Label ist. Die Leute sind sympathisch und cool, bisher gefällt es uns wirklich sehr.

Sehr gefallen hat euch wohl auch Labelchef Daniel Richter, der ist gleich auf zwei Tracks eurer Platte mit Interview-Schnipsel zu finden hat das irgendeinen Grund? 

Testo: Haha, ja stimmt, das war total witzig. Wir hatten irgendwann einen Art-Talk in der amerikanischen Vice gesehen, und da war eben auch Daniel Richter zu sehen und wir dachten uns, nur diese Interviewausschnitte müssen aufs Album rauf!

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Bildquelle: Privat