Facebook Vernetzung

Wie uns Facebook vernetzt… und doch voneinander entfernt

Dass die Welt ein globales Dorf ist, scheint jetzt mehr zu sein als graue Medientheorie. Facebook hat nun eine Studie veröffentlicht, die besagt, dass uns durchschnittlich 3,57 „Freunde“ von jedem anderen Menschen trennen, der bei Facebook angemeldet ist. Über vier Ecken sind wir also alle mit Barack Obama verbunden, mit Menschen aus Asien, Australien und dem Rest der Welt. Schwer vorstellbar.

„Stelle dir eine Person mit 100 Freunden vor. Wenn jeder seiner Freunde auch 100 Freunde hat, wird die Anzahl der Freundes-Freunde 10.000 betragen. Wenn jeder dieser Freundes-Freunde auch 100 Freunde hat, wird die Anzahl der Freundes-Freunde-Freunde 1.000.000 betragen. Einige dieser Freunde mögen sich überschneiden, also müssen wir die einzigartigen Verbindungen herausfiltern. Wir sind nur zwei Schritte entfernt und die Zahl ist schon riesig. In der Realität steigt diese Zahl noch schneller, da die meisten Leute auf Facebook mehr als 100 Freunde haben. Außerdem müssen wir diese Berechnung 1,6 Milliarden mal durchführen; also einmal für jede Person auf Facebook“, heißt es in der Veröffentlichung. Habt ihr nicht verstanden? Kein Problem, wir auch nicht so wirklich. Wie die eigene Berechnung ausfällt, kann man natürlich auf Facebook überprüfen.

Die Kernaussage bleibt, dass wir alle über 3,57 Freunde miteinander verbunden sind.

 

Facebook vernetzt uns immer stärker

 

Im analogen Leben wird unsere Vernetztheit schon seit den Sechzigerjahren erforscht, wobei herausgefunden wurde, dass wir „über eine Kette von etwa sechs Personen“ mit jedem anderen Menschen auf dieser Welt verbunden sind, wie der Spiegel berichtete.

Während die Anzahl der Zwischenschritte bei Facebook 2011 noch 3,74 betrug, ist sie jetzt mit 3,57 deutlich geschrumpft, obwohl sich die Anzahl der User verdoppelt hat.

Facebook vernetzt uns also alle immer stärker. Aber heißt das, dass wir automatisch aus einem riesigen Pool von Freunden fischen können, mit denen wir unsere Wochenendplanung besprechen? Dass wir gute Kumpels auf der ganzen Welt haben, weil wir alle so vernetzt sind? Werden wir durch diese Vernetzung enger mit unseren Freunden zusammengeschweißt?

 

Wie gut kennen wir unsere „Freunde“ eigentlich wirklich?

 

„Facebook hilft, mit Leuten in Kontakt zu bleiben, die wir auch im echten Leben kennen. Mehr nicht. Wer glaubt, dass jeder Facebook-Kontakt ein Freund ist, der weiß nicht, was Freundschaft bedeutet“, sagt Mark Zuckerberg.

Es ist schon erstaunlich. Erinnert ihr euch noch an eure ersten Tage bei Facebook, wie ihr Klassenkameraden und Nachbarn zu euren Facebook-Freunden hinzugefügt habt und eigentlich jeden in eurer Freundesliste kanntet? Mittlerweile hat jeder Nutzer durchschnittlich 342 Facebook-Freunde. Ein Drittel dieser „Freunde“ haben wir wahrscheinlich noch nie live gesehen, ein weiteres Drittel kennen wir vom verklemmten Smalltalk auf einer Geburtstagsfeier und mit dem Rest waren wir mal auf der Schule oder im Tennisverein.

Auch wenn man, gerade von jüngeren Leuten, immer wieder hört, dass Facebook nur noch was für unsere Großmütter ist, ist es immer noch das weltweit größte soziale Netzwerk mit zuletzt 1,55 Milliarden monatlichen Nutzern. Wir nutzen Facebook als Skype-Ersatz, um Dinge zu organisieren, Interessensgemeinschaften zu finden, alte Möbel zu verkaufen und die minütlichen Updates unserer News-Portale mühelos serviert zu bekommen. Gäbe es Facebook nicht, würde wahrscheinlich niemand von uns mehr Glückwunsche zum Geburtstag erhalten.

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Von unbeantworteten Nachrichten und nervigen Postings

 

Trotzdem bringt uns Facebook nicht wirklich näher zusammen. Eher macht es uns so müde und genervt, dass wir immer öfter das Gefühl haben, auch vom Sozialleben mal eine Pause zu brauchen. Die ständige Erreichbarkeit und der andauernde Hintergedanke, dieser und jener Person noch auf ihren fünfzigzeiligen Text antworten zu müssen, stellt manchmal einen extremen Stressfaktor dar. In Gruppenchats werden Diskussionen über das nächste Gemeinschaftsgeschenk über Tage hinweg geführt, die man am Telefon in zwei Minuten geklärt hätte.

Andersrum nervt es uns genauso, wenn wir sehen, dass unsere Nachricht an die Freundin gelesen wurde, sie aber seit drei Tagen nicht antwortet. Bin ich ihr so egal? Man wird ja wohl mal fünf Minuten Zeit zum Antworten haben! Auch wenn man es ihr wahrscheinlich nicht vorhalten würde, ein bisschen trifft einen so eine unbeantwortete Nachricht dann doch immer. Das kann so weit gehen, dass sich irgendwann keiner mehr beim anderen meldet, weil einer von beiden eine Nachricht nicht beantwortet hat. So schnell bricht dann der Kontakt zur Kindergarten-Freundin ab, egal wie lange man noch auf Facebook „befreundet“ bleibt.

Überhaupt scheint auf Facebook vieles anders, als es in der Realität dann ist. Wir sehen, wie der alte Schulfreund nur noch mit Sojamilch trinkenden Hipstern rumhängt und gehen automatisch davon aus, dass er jetzt zum Lackaffen mutiert ist. Wir sehen die Urlaubsbilder unserer Kommilitonin und sind uns sicher, dass sie den geilsten Monat ihres Lebens verbracht hat, obwohl sie drei Wochen davon mit Malaria im Bett lag und sich furchtbar allein gefühlt hat. Wir sehen Selfies in Fitnesstudios, Flugzeugen und beim Frühstücken und werden reflexartig neidisch. Dass viele von uns das perfekte Leben nur auf Facebook oder Instagram führen, wissen wir zwar, bewusst ist es uns aber nicht.

Deshalb sind wir auch so schnell so gereizt von den immergleichen Postings unserer Freunde. Wir regen uns auf über den Freund, der andauernd seine Runtastic-Auswertungen mitteilen muss. Über die Freundin, die unsere Timeline mit ihren immergleichen Feierbildern zuspamen muss und unser Bild von dem Typen aus der Uni ändert sich schlagartig, wenn wir sehen, was er für schreckliche Musik hört. Hat man online jemanden abgestempelt, ändert sich dieser Eindruck im wahren Leben auch nicht mehr.

Facebook trägt also maßgeblich dazu bei, dass sich unser Eindruck von jemandem verändert, ob zum positiven durch gestellte Bilder oder zum negativen durch einen Overkill an nervenden Postings oder fragwürdigen Kommentaren. So sehr uns Facebook also beweisen will, wie vernetzt wir mit den Bewohnern des globalen Dorfs sind, so oft treibt es uns doch auseinander.

Im „richtigen Leben“ hat die Durchschnittsperson wahrscheinlich drei bis vier wirklich gute Freunde, auf die immer Verlass ist. Da lassen wir doch lieber Facebook Facebook sein und kümmern uns um die Menschen, mit denen uns mehr verbindet als 3,57 Facebook-Freunde.

 

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Bildquellen: Titelbild:stokpic.com unter CC0 Lizenz; 1.) Instagram