Felix Baumgartner

Flüchtlingsdebatte: Wie die Stimmung durch Leute wie Felix Baumgartner kippt

„Ein Land, in dem Angeln ohne Angelschein rechtlich bestraft wird und Menschen ohne Pass, die Grenze überqueren, können nur Idioten regieren“, postete Felix Baumgartner am Montag von Kalifornien aus in einer Grafik auf seiner Facebookseite. Das Bild stammt passenderweise von der Seite „Was nicht passt, wird passend geklatscht“, die pubertäre Sprüche auf melodramatischen Hintergründen produziert, die wohl beweisen sollen, dass auch ganz harte Kerle ganz emotional sein können und auf Kommasetzung scheißen.

 

Mit Selbstüberschätzung in den Shitstorm

 

Baumgartner sprang damit kopfüber in einen Shitstorm, angeführt von Jan Böhmermann, der Felix‘ Post als „den weltbesten Facebookeintrag, der jemals ohne Sauerstoffzufuhr geschrieben wurde“ auszeichnete. Darauf reagierte wiederum der furchtlose Baumgartner gestern mit einer Hasstirade vom Allerfeinsten. In einem weiteren Post antwortet er auf die Kritik, die er als „die Rache der Schwachen“ bezeichnet. Nachdem er sich gleich zu Anfang damit rühmt, wie er seinem Heimatland Österreich jahrelang Steuern bezahlt hat und den Unwissenden unter uns den Unterschied zwischen Steuerflucht und Steueroptimierung darlegt, erklärt er erst mal seine Bedeutung für Österreich und die Welt.

Schließlich hat er „mit einem Fallschirm am Rücken die Welt erobert“, hat als erster Mensch die Schallmauer durchbrochen und „der Welt gezeigt, dass Österreich mehr zu bieten hat, als Mozart und braune Vergangenheit“. Er war es, der „der Menschheit einen unvergesslichen Moment bereitet und die Jugend motiviert“ hat. Folglich stellt er noch eben fest, welche Kriterien man erfüllen muss, um an einer öffentlichen Diskussion im Netz teilnehmen zu dürfen und wie man richtig interpretiert, bevor er dann zum Inhalt seines eigentlichen Postings kommt.

 

Die „Ich bin ja kein Nazi, aber“-Manier

 

In schönster „Ich bin ja kein Nazi, aber“-Manier stellt er erstmal fest, dass es unsere „moralische PFLICHT“ ist, den „WIRKLICH Schutzbedürftigen“ zu helfen, nur um gleich im Anschluss von der Gefahr der Flüchtlinge zu sprechen, die „unser Land unterwandern“ und das „SPRECHVERBOT“ der Polizei und des Militärs anzuprangern. Noch schnell dem ungarischen Ministerpräsidenten VIKTOR ORBAN einen imaginären Friedensnobelpreis verleihen, den angeblich drohenden Wegfall der FRAUENRECHTE für seine Diskussion nutzen und klarstellen, dass Amerika Europa absichtlich destabilisiert hat, und – schwupps – ist er fertig, der braune Baumgartner-Post, geschrieben übrigens in Amerika. Alle diese Zitate, lieber Felix, sind aus diesem Post entnommen:

Liebe Facebook Freunde, Fans, Hasser, Journalisten, Politiker und Sonstige!Es ist immer wieder erstaunlich welche…

Posted by Felix Baumgartner on Dienstag, 26. Januar 2016

Das Traurige an der ganzen Geschichte ist aber eigentlich gar nicht Felix Baumgartner, der durch seine sinnlosen Argumente und grammatikalischen Glanzleistungen eher für Erheiterung sorgt. Das Traurige ist, dass Baumgartner sich als Prominenter überhaupt traut, solche Äußerungen öffentlich von sich zu geben. Solche Postings sind Kennzeichen dafür, wie die Stimmung in der Flüchtlingsdiskussion in den letzten Monaten gekippt ist.

 

Werden Rassismus und Radikalismus bald salonfähig?

 

Noch vor einem halben Jahr hätte sich wohl niemand – zumindest kein Prominenter – getraut, sich so offen gegen Flüchtlinge auszusprechen und die ganze Scheiße, die ihm so im Kopf rumschwirrt, medienwirksam auf Facebook rauszulassen. Dass da nicht nur negative Kommentare, sondern auch solche wie „Felix for President !!! Wahre und korrekte ehrliche Worte ! Wenigstens einer der mal sein Mund aufmacht und Eier in der Hose hat !!“ herauskommen, zeigt, dass der „100% authentische“ Österreicher mit seiner Meinung nicht allein dasteht.

Neben allen kritischen Kommentaren unter seinem Posting, findet man auch immer wieder Leute, die Felix Baumgartners Worte für mutig und ehrlich befinden und froh sind, dass endlich mal jemand ihre Meinung ausspricht, weil „die verklemmten Politiker“ schon lange nicht mehr für das Volk sprechen würden. Die Anzahl an solchen Kommentaren, von Menschen, die dank Baumgartners Aussagen angeblich wieder stolz sind, Österreicher zu sein, ist erschreckend.

Gerade nach den Vorfällen in Köln merkt man, wie die Zurückhaltung zum Thema Flüchtlinge immer weiter sinkt. Viele, die vielleicht schon vor der Silvesternacht mit dem rechten Lager sympathisierten, sahen sich durch die Übergriffe am Hauptbahnhof in ihrer Ansicht bestätigt, das Gegröle nach der „Lügenpresse“ wurde noch stärker, die Radikalen wurden noch radikaler und Pegida noch lauter. Dadurch, dass sich immer mehr Prominente ganz klar zum Thema äußern, seien es nun Til Schweiger oder eben Felix Baumgartner, ist die Identifikation mit einer der beiden Seiten einfacher geworden. Werden Rassismus und Radikalismus auf diese Weise bald salonfähig?

 

Der Diskussion fehlt ein bisschen Grau

 

Entweder man ist pro Asyl und hetzt gegen jeden, der sich Sorgen um die Zukunft macht oder man ist einer, der das Wort „Gutmensch“ ohne Ironie gebraucht. Etwas dazwischen gibt es nicht mehr. Wie alles im Leben kann aber doch auch die Flüchtlingsdebatte, eine vielschichtige und komplizierte Diskussion nicht nur schwarz und weiß sein. Um die Stimmung zu stabilisieren, bräuchte es vielleicht auch wieder ein bisschen mehr grau.

Grau ist natürlich nicht so publikumswirksam wie schwarz oder weiß oder braun. Das weiß mit Sicherheit auch Felix Baumgartner, dessen Post ihm über 100.000 Likes und 11.000 Kommentare einbrachte und fast 34.000 Mal geteilt wurde. Wie genau der Angelschein jetzt in die Flüchtlingsthematik passt, hat leider trotzdem noch niemand verstanden, aber: Auch schlechte Presse ist gute Presse und Baumgartner weiß genau, wie er die Asylgegner erreichen kann. Mit Großbuchstaben und Ausrufezeichen und Formulierungen, die jeden Bild-Reporter neidisch machen würden. Dass er dafür aber eine immer größer werdende Plattform bekommt, sollte uns alle nachdenklich stimmen.

 

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Bildquelle: TausP unter CC BY-ND 2.0