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GNTM: Es kann auch keine werden

Es kann auch keine werden. Das ist die eine Erkenntnis des gestrigen Abends. Vorerst kommt keine auf das Cover der Cosmopolitan. Keine kriegt Werbeverträge. Keine einen Modelvertrag. Die Finalshow von „Germany’s next Topmodel“ wurde abgebrochen. Eine Bombendrohung führte zur Evakuierung der Halle.

Viel interessanter als der verunglückte Ablauf der Show aber war das, was danach passierte. Die zweite Erkenntnis des Abends.

 

Und plötzlich explodiert Persicope

 

Twitter explodierte natürlich. Das kennt man mittlerweile. Was aber auch explodierte, war Periscope. Und das kennt man bisher so nicht. Erstmals richtig Furore machte der Twitter gehörende Streaming-Dienst während des Boxkampfes zwischen Floyd Mayweather und Manni Pacquiao vor wenigen Wochen. Da wurde ein eigentlich kostenpflichtiges Fernseh-Event live – und illegal – für alle zugänglich gemacht.

Bei GNTM war das anders. Hier wurde etwas gestreamt, das man eigentlich gar nicht sehen konnte: das, was rund um die Halle geschah, nachdem diese evakuiert worden war. Die Fernsehkameras waren aus, das Netz sendete weiter. Ein Umstand, der im Zusammenhang einer Unterhaltungssendung zunächst nicht von größerer Bedeutung ist. Wenn es aber um wirklich weltbewegende Ereignisse geht, sieht das schon ganz anders aus – im Positiven wie im Negativen.

 

Chancen und Risiken halten sich die Waage

 

Nur ein Beispiel: Man stelle sich vor, die Opfer des 11. September wären in den Towern oder entführten Flugzeugen live gegangen. Die Welt und Ereignisse rund um den Globus rücken auf diese Weise näher an uns heran. Das Beispiel zeigt aber, dass das meist ambivalent ist. Die Auswirkungen sind nicht zu kontrollieren, die Nutzung sowieso nicht. Für die Berichterstattung hat das die Folge einer Entprofessionalisierung. Informationen kommen zeitnaher, eindrucksvoller, realer – nämlich live in Bild und Ton – und vor allem ungefiltert auf die digitalen Endgeräte.

Positiv ist daran sicherlich, dass sich jeder sein eigenes Bild von Weltereignissen machen können wird. Man ist live dabei, wenn etwas passiert. Aus der Ich-Perspektive. Bei Konzerten mag das beispielsweise etwas weniger entscheidend sein als bei Naturkatastrophen oder im Kriegsfalle. Jedenfalls können auf diese Weise Vorgänge an die Öffentlichkeit gelangen, die sonst im Verborgenen oder mindestens exklusiv geblieben wären. Es kann berichtet werden, sobald jemand mit einem Smartphone am Ort des Geschehens ist, nicht erst, wenn Journalisten es dorthin geschafft haben. All das bietet große Chancen.

Das Risiko des Missbrauchs schwingt allerdings immer mit. Nicht nur bei Urheberrechtsverletzungen wie im Falle des Kampfes Mayweather vs. Pacquiao. Auch hetzerisches Gedankengut kann zum Beispiel auf diese Weise verbreitet werden und Schaden anrichten. Außerdem wissen Profis deutlich besser, was wie und wann an die Öffentlichkeit gelangen sollte und was nicht. Vom Schutz der Persönlichkeitsrechte, gerade in Bezug auf Minderjährige, die sich selbst streamen, soll hier gar keine Rede sein. Es bleibt der Eindruck: Auch im guten Willen des Laien kann eine Gefahr liegen.

 

Ein zukunftsweisendes Finale abseits der Fernsehkameras

 

Insgesamt ist es eine brisante Entwicklung. Und trotz aller Ambivalenz – die Chancen sollte man nicht unterschätzen. Live-Streaming-Dienste dieser Art werden in Zukunft an Bedeutung gewinnen, weil sie uns mitten ins Geschehen holen. Ganz ohne dass wir uns dafür bewegen müssten. Ganz ohne dass wir es verhindern könnten. Man wird damit umgehen müssen, ob man will oder nicht – die Politik, die Unterhaltungsindustrie, das Militär, …

Wann hat man schon einmal solch zukunftsweisende Dinge aus dem Finale einer Casting-Show ziehen können? Es war das beste Finale ever, Ever, EVER. Ohne Übertreibung. Weil es so schnell vorbei war. Und keine Fernsehkameras mehr dabei waren, als es interessant wurde.