Der Flüchtling, der Nichtsnutz? Wir profitieren von Zuwanderung!

Es gibt keinen Klimawandel, Frauen machen den Abwasch und Flüchtlinge sollen notfalls mit Waffengewalt gestoppt werden: Die AfD sorgt mit ihren hirnrissigen Ansichten immer wieder für Empörung und Aufruhr. Vor allem die Spitzenkandidaten Frauke Petry und Beatrix von Storch haben sich in der Vergangenheit schon den einen oder anderen größeren Fauxpas geleistet.

 

Jetzt rückt die Partei-Vizevorsitzende trotz öffentlicher scharfer Kritik jedoch kein Stück von ihrem Anti-Islam-Kurs ab: „Die größte Bedrohung für Demokratie und Freiheit geht heute vom politischen Islam aus“, sagte von Storch der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. Der Islam ist laut AfD die Ideologie, die mit unserem Grundgesetz vollkommen unvereinbar ist, der „Fremdkörper“, der in Deutschland „keine Heimat“ finden wird. Liest sich wie eine Kampfansage an Flüchtlinge? Ist es womöglich auch.

 

Manchmal fragen wir uns, wie dieser regelrechte Hass auf Heimatvertriebene eigentlich so ausarten konnte. Ja, der Flüchtlingsstrom hat zahlenmäßig extreme Ausmaße erreicht. Doch wir dürfen nicht vergessen, dass es solche Völkerwanderungen schon seit hunderten von Jahren gibt. Migrationsbewegungen gibt es fast so lang wie die Menschheit selbst; Gesellschaften waren nie statisch, es hat sie immer gegeben, die Mobilität über große und kleine Grenzen hinweg.

 

Mit der Industrialisierung wird die Migration zum Massenphänomen

 

Hungersnöte und Kriege waren dabei hauptverantwortlich für die vielen Flüchtlingswellen, die spätestens im 19. Jahrhundert außerordentliche Dimensionen erreichten. Das liegt nicht zuletzt an der Industrialisierung, die hunderttausenden Menschen ungeahnte Strecken über Ozeane hinweg ermöglichte. Für die Europäer wurde vor allem das „Land der unbegrenzten Möglichkeiten“ zur Versuchung: Sechs Millionen deutsche Familien nutzten ihre Chance und wagten am anderen Ende der Welt den Neuanfang.

 

Insgesamt wandern zwischen 1824 und 1924 rund 600 Millionen Europäer nach Amerika aus – die meisten fliehen vor der eigenen wirtschaftlichen Notlage. Vor dem Hintergrund des zweiten Weltkriegs im 20. Jahrhundert werden die europäischen Fluchtbewegungen noch übertroffen von den vielen Schutzbefohlenen in Palästina, Pakistan und Indien. Aktuell leben mehr als 60 Millionen Menschen zwangsweise von ihrem Wohnort entfernt. Der Anteil an Flüchtlingen, die tatsächlich nach Europa oder Deutschland kommen, ist dabei aber vergleichsweise gering: Im kleinen Land Jordanien leben aktuell mehr als anderthalb Millionen Flüchtlinge – in Relation gesehen wird hier also mehr Menschen Asyl gewährt als in der Industrienation Deutschland.

 

Deutschland profitiert von den Flüchtlingen

 

Trotzdem jagen die Flüchtlingsströme der deutsche Bevölkerung überwiegend Angst ein; davon zeugt zumindest die wachsende Solidarisierung mit der AfD. Viele lehnen die „Eindringlinge auf deutschem Boden“ kategorisch ab. Und das, obwohl Verbände und Analysten seit Jahren eine starke Zuwanderung fordern, denn es gibt momentan 574.000 offene Stellen in Deutschland. Das sind freie Arbeitsplätze, die viele fachlich bewandte Flüchtlinge – vorausgesetzt, ihnen wird das entsprechende Asyl gewährt – annehmen und damit vielen deutschen Unternehmen ein gutes Geschäft bereiten könnten. Doch genau diese Vorstellung scheint vielen ein Dorn im Auge zu sein – es scheint, als hätten wir aus der Vergangenheit eben doch nichts gelernt. Denn nach dem zweiten Weltkrieg hätten wir ohne ausländische Gastarbeiter nicht überlebt: Sie haben die wirtschaftliche Entwicklung erst wieder ins Rollen gebracht. Und auch heute dürfte sich das deutsche Bruttoinlandsprodukt mit permanenten Einwanderern bis 2020 um circa 1,7 Prozent erhöhen. Vielleicht richtet sich die Angst der AfD-Wähler ja gar nicht gegen die Flüchtlinge. Höchstwahrscheinlich bangen sie um Arbeitsplätze, die sie aus eigener Kraft einfach nicht halten können.

 

Folge ZEITjUNG.de auf FacebookTwitter und Instagram!

Bildquelle: Gili Benita unter cc0 1.0