nerds-chef-titel

Freaks und Nerds in den Chefsessel!

Alle Studien kommen zum selben Ergebnis: In den Vorständen und Aufsichtsräten deutscher Unternehmen fehlt es an Digitalkompetenz. Der bekannte Ökonom Thomas Straubhaar ließ sich sogar zu der frustrierten Aussage hinreißen, dass sich in den Kinderzimmern mehr digitale Kompetenz finden ließe als in den Chefetagen der Wirtschaft. Kein Wunder, immerhin scheiden sich die Geister in Sachen Internet oft entlang der Generationengrenze – wer mit der Einführung des Farbfernsehens groß geworden ist, wird sich im Internet nie so heimisch fühlen wie die neue Generation der Digital Natives, die Bits und Bites quasi mit der Muttermilch aufgesaugt haben. Jeder, der sich zu Hause bei den Eltern regelmäßig um die Lösung sämtlicher IT-Probleme kümmern darf, kann ein Lied davon singen: Wenn es um neue Technik geht, sind die Jungen den Alten meistens voraus.
 

Der digitale Wandel stellt alte Hierarchien auf den Kopf

 

Wenn der Vater die Tochter um Nachhilfeunterricht fragt, werden alte Hierarchien auf den Kopf gestellt. Doch eingefahrene Strukturen ändern sich nicht einfach von selbst. Um in die Führungsebene zu kommen, müssen sich fähige Kandidaten erst Stufe um Stufe heraufarbeiten – das dauert Jahre oder sogar Jahrzehnte. Deshalb sitzen in den oberen Etagen meistens Menschen, deren Fähigkeiten und Wissen auf alten Technologien beruhen. Der Gedanke liegt also nahe, die Damen und Herren Aufsichtsräte sollten sich ihre Kinder und Enkel zurate holen, wenn es ans digitale Eingemachte geht. Doch genau das passiert offenbar viel zu selten, vor allem im guten alten Mittelstand.
 

Der berühmte Streit um die Fernbedienung

 

Es ist wie der berühmte Streit um die Fernbedienung – nicht umsonst scherzhaft auch „die Macht“ genannt – vor dem heimischen Fernseher: Wer die Macht hat, will sie partout nicht abgeben. Deshalb neigen veraltete Vorstände dazu, den digitalen Wandel herunterzuspielen und wichtige Zukunftsentscheidungen zu vertagen. Die digitale Zukunft abzuwehren dient vor allem dazu, alte Machtpositionen zu sichern. Das ist nur allzu menschlich – für die Unternehmen, die den digitalen Anschluss verpassen, können die Folgen allerdings verheerend sein.
 

Die Stunde der Freaks und Nerds

 

Für Thomas Straubhaar ist die Lösung ganz einfach: „Wir brauchen Nerds und Freaks auf Chefposten“, fordert er in einem Artikel, der im Internet für viel Aufregung sorgte. Seine Daumenregel ist einfach: je älter ein Vorstand, desto größer die digitale Wissenslücke. Das Rezept dagegen ist ebenso simpel, aber wirkungsvoll: Junge Menschen müssen schneller zu Chefs gemacht werden, um sich Digital Natives ins Boot zu holen. Wenn es um Berufseinsteiger geht, werden IT-Spezialisten händeringend gesucht, wie man in Jobbörsen wie StepStone sehen kann. Doch bis diese in den Chefetagen ankommen, vergeht viel zu viel Zeit.
 

Die Zukunft schläft nicht

 

Deutschland belegt im aktuellen „Wirtschaftsindex Digital“ gerade mal das Mittelfeld: Von 100 Punkten kann der Digitalstandort Deutschland nur 53 verbuchen. Viel besser auf den digitalen Wandel eingestellt sind dagegen die USA (76 Punkte), Südkorea (70 Punkte) und Großbritannien (65). Da besteht also ziemlicher Nachholbedarf. Also, Freaks und Nerds auf die Chefsessel! Die digitale Zukunft muss von denen gestaltet werden, die mit ihr aufgewachsen sind.

 

Folge ZEITjUNG auf FacebookTwitter und Instagram!

Bildquelle: Unsplash cc0 Lizenz