Gender Pay Gap Frau

Ungleiches Gehalt: Verhandeln Frauen schlechter als Männer?

Von Stephan Brandl

Der Begriff „Gender Pay Gap“ sagt wahrscheinlich nicht jedem etwas. Was damit gemeint ist, hoffentlich schon, denn Erkenntnis ist der erste Weg zur Verbesserung einer, in diesem Fall, unfairen Situation. Es hat sich mittlerweile hoffentlich herumgesprochen, dass Frauen einen gravierenden Nachteil in ihrem Berufsleben gegenüber Männern hinnehmen müssen: Sie verdienen weniger als Männer und das, obwohl sie im gleichen Beruf arbeiten und die gleiche Ausbildung genossen haben. Aber warum ist das so? Viele Männer haben in der Diskussion um dieses Thema das Gefühl, irgendwie mit zu dieser Situation beizutragen. Das sollten sie aber nicht so auf sich sitzen lassen. Denn eigentlich sind die meisten ja gegen jegliche Ungleichbehandlung. Und Frauen systematisch bei der Bezahlung für ihren Job zu benachteiligen will niemand von ihnen. Woher kommt dann aber dieser Unterschied auf dem Kontoauszug?

Wenn man sich die Zahlen anschaut, ist durchaus ein Gehaltsunterschied zu erkennen. Das Statistische Bundesamt in Wiesbaden hat für 2014 eine Differenz der Gehälter von 22% zwischen Männern und Frauen in Deutschland berechnet. An dieser Stelle ist übrigens eine kleine Stolperstelle eingebaut. Frauen verdienen 22% weniger als Männer, nicht Männer 22% mehr. Dieses richtige Prozentrechnen ist wichtig, um zum Beispiel den „Equal Pay Day“ richtig zu berechnen. Das ist der Tag, bis zu dem Frauen länger ins nächste Jahr hinein arbeiten müssen, um auf das gleiche Gehalt zu kommen, wie die Männer innerhalb eines Jahres. Dieser fiel dieses Jahr auf den 19. März.

 

Frauen handeln ihr Gehalt schlechter aus als Männer

 

Der Unterschied liegt zum einen daran, dass Frauen nach wie vor häufiger in schlechter bezahlten Berufen und Branchen tätig sind als Männer. Sie arbeiten öfter in Teilzeit, statt in Vollzeit – im Gegensatz zu den Männern. Da hier Äpfel mit Birnen verglichen werden, nennt man diesen Unterschied auch „unbereinigte“ Gender Pay Gap. Die „bereinigte“ vergleicht hingegen Managerinnen mit Managern, in der gleichen Branche, mit äquivalenter Ausbildung und gleicher Berufserfahrung. Der Unterschied beträgt hier immer noch 7% (Statistisches Bundesamt, für 2010 ausgewiesen). Wie lässt sich das erklären? Für einen Teil dieses Unterschieds findet die Wissenschaft eine Erklärung, die manche feministische Gleichheitskämpferin möglicherweise nicht auf Anhieb nachvollziehbar findet: Frauen sollen ihr Gehalt schlicht schlechter aushandeln als Männer.

„Bei der Ursachenforschung nach den Gründen, aufgrund derer Master-Absolventinnen der Carnegie Mellon University ein um durchschnittlich 4.000 US-Dollar niedrigeres Gehalt erreichten als ihre männlichen Kommilitonen, stellte man fest, dass nur 7 Prozent der Frauen über das Einstiegsgehalt verhandelt hatten. Bei den Männern verhandelten dagegen 57 Prozent“, schreiben Kirsten Wüst und Brigitte Burkart von der Hochschule Pforzheim in einem wissenschaftlichen Artikel für die Zeitschrift „Gender“ (GENDER, Heft 3, 2012). Sie untersuchten außerdem, welches Gehalt Frauen und Männer für eine bestimmte Tätigkeit als angemessen und welches Gehalt sie dafür als realistisch einschätzten. „Das von Frauen als gerecht empfundene Einkommen liegt sogar noch unterhalb des tatsächlichen Einkommens von Männern. Dies könnte eine Erklärung dafür sein, dass Frauen von vornherein weniger Gehalt fordern als Männer.“

 

Der Unterschied macht sich besonders auf die lange Sicht bemerkbar

 

„Wenn man aber am Anfang schon einen Unterschied hat, und der Mann zum Beispiel zu Beginn gleich besser verhandelt hat, dann verdient er jedes Jahr schon etwas mehr und das macht sich – vor allem auf lange Sicht – dann auch bemerkbar“, erklärt Reiner Kastizen, Personalberater bei der Siemens Betriebskrankenkasse in München gegenüber ZEITjUNG. Darin sieht er eine Gefahr für die Gehaltsentwicklung in der Karriere. Die Krankenkasse, die zu 70% Frauen beschäftigt, macht sich viele Gedanken zu diesem Thema und geht zum Beispiel mit dem Angebot von Seminaren auf Frauen zu, um Verhandlungsgeschick und Selbst-Präsentationsfähigkeiten zu stärken. Denn Kastizen beobachtet im Bewerbungsgespräch immer wieder, dass Frauen herumdrucksen, wenn es darum geht, eine konkrete Zahl zu verlangen. Auch in der Höhe attestiert er ihnen meist mehr Zurückhaltung als Männern.

Dazu haben Frauen aber eigentlich gar keinen Grund. Denn sie sind heute so hervorragend ausgebildet wie nie, mehr Frauen beginnen ein Studium als Männer. Auch für den Finanzdienstleister interhyp zählt vor allem die Leistung der Bewerber_innen sowie der Mitarbeiter_innen. Christian Kraus, Leiter der Unternehmenskommunikation von interhyp, hebt hervor, dass die Lebensläufe der Bewerberinnen sehr gut gefüllt sind mit Praktika, Auslandserfahrung und guten Noten. Frauen sollten dementsprechend auch selbstbewusst das Gehalt verlangen, das sie wert sind. Reiner Kastizen rät Frauen deshalb, nicht immer alles perfekt machen zu wollen, sondern sich mit mehr Selbstbewusstsein vorzustellen: „Sie sollen ruhig ein ihrer Ausbildung und Erfahrung entsprechendes Gehalt verlangen!“

 

Vergleichswerte sind hilfreich

 

Weitere wertvolle Tipps vom Personaler sind, dass man sich im Vorfeld unbedingt über den Wert der Stelle informieren sollte. Er empfiehlt Vergleichswerte wie Branche, Tarifvertrag oder die eigene Ausbildung zu berücksichtigen und aufgrund dieser Faktoren in die Verhandlung zu gehen. „Man kann auch ruhig bei der Personalstelle anrufen und das Unternehmen fragen, welches Budget für die Stelle vorgesehen ist.“ Jetzt kann doch eigentlich nichts mehr schief gehen, oder? In diesem Sinne: Frauen, tut was für euer Geld!

PS: Wer sich jetzt noch gefragt hat, was dieser Unterstrich zwischen den Geschlechtern soll: Das ist übrigens die Gender Gap.

 

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Bildquelle: Helmuts Guigo unter CC BY 2.0