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Generation „Scheißegal“? Wieso wir eben doch politisch sind

Von Sophia Sailer

Ich kann es nicht mehr hören: Mit Anfang 20 bin ich Teil der egoistischsten, desinteressiertesten und versautesten Generation, die die Welt angeblich jemals gesehen hat. Wir sind die Null-Bock-Jugend und die Zukunft – wie soll das nur gut gehen? Zumindest ist es das, was einem Medien, Eltern, und Omas aufdrücken wollen.

 

Unsere Politisierung wird verkannt

 

Dabei erlebe ich mein Umfeld ganz anders. Nämlich als ganz und gar nicht unpolitisch. Nur bedeutet Aktivismus mittlerweile nicht mehr nur Sitzstreik à la Rudi Dutschke. Wie soll es auch anders sein, zu Zeiten des Internets und der damit einhergehenden Globalisierung? Wir leben vegan, sind FeministInnen und wir teilen, diskutieren und kommentieren Beiträge auf Facebook wie die Wilden. Wir sammeln Bierdosen für Viva Con Agua und gendern unsere Sprache. Menschen lieben, wen sie wollen – das finden wir gut und zeigen es mit bunten Profilbildern. Alles Dinge und Taten, die politisch sind. Selbst wenn das nicht die ursprüngliche Motivation dahinter war, ihre Auswirkung ist es dennoch. Das wird von Menschen jenseits der 40 aber selten anerkannt. In Gesprächen wird Veganismus zum Trend degradiert. Die angehängte, weibliche Form der Sprache klingt nicht nur scheiße, sie ist auch überflüssig. Schließlich sind Mann und Frau seit Jahrzehnten gleichgestellt. Feminismus? Bleib mir fern mit dieser Alice Schwarzer!

 

Der Ort der Auseinandersetzung ist heute ein anderer

 

Dass Feminismus aber mehr bedeutet als wilder Haarwuchs und anderes fordert, als ein absolutes Pornoverbot, ist vielen nicht bewusst. Catcalling, Body- und Slutshaming stehen für die meisten Frauen aber leider auf der Tagesordnung, das ist Tatsache. Deshalb braucht man auch heute – in einem vermeintlich emanzipierten Staat – Feminismus, der glücklicherweise durch Internet und soziale Netzwerke immer mehr Anhänger findet. Vielleicht geht man für Gleichberechtigung nicht mehr auf die Straße, aber das erübrigt sich angesichts der weltweiten Verknüpfung ja auch. Spätestens, seit es soziale Netzwerke gibt. Das mag für die breite Masse vielleicht nicht so offensichtlich und offensiv sein, es heißt aber nicht, dass wir stillstehen. Nur ist der Ort der Auseinandersetzung heute ein anderer.

Genauso wenig wird akzeptiert, dass wir uns Veganismus nicht nur leisten, weil es uns gut geht und wir es uns erlauben können. Ich bin mir sicher, dass jede/r Veganer/in sich schönere Dinge vorstellen könnte, als ellenlange Zutatenlisten zu studieren. Aber sie verzichten gerne. Weil dann kein Tier leiden muss und man die abstruse Lebensmittelindustrie ein Stückchen weniger unterstützt. Weil sie wissen, wie viel Wasser und Nahrung für ein Stück Fleisch drauf geht – Deshalb stecken sie eben zurück und ziehen Gemüse dem Gehackten vor.

 

Haben Demos ausgedient?

 

Wenn Menschen über ihre Ernährung sprechen, dann wird das als nervig empfunden. Störend, weil sie sich auf den Schlips getreten fühlen. Zu Recht – denn vielleicht ist die vegane und vegetarische Ernährung das, was früher Demos waren: Ein Hinweis auf Missstände. Anscheinend ist das nicht ohne Effekt geblieben. Rund 10% der in Deutschland lebenden Menschen essen vegetarisch, 1,1% sogar vegan – Tendenz steigend.

Erschreckend ist, dass man gerade mit Themen wie Feminismus und Ernährung häufig auf vollkommene Ablehnung stößt. Und das bei erwachsenen Menschen, die man für vermeintlich fortschrittlich hielt. Tatsächlich führen einem Unterhaltungen wie diese aber nur vor Augen, dass sich zwischen den Generationen doch etwas getan hat und wir weitaus mehr sind, als ein sich auf dem Wohlstand ausruhendes, faules Pack. Wir führen Ansätze weiter – und die sind eben nicht immer bequem.