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#Germanwings: „Wenn meine Trauer in einen Tweet passt, dann tut sie das“

Die möglichen Reaktionen auf den Absturz des Germanwings-Airbus A320 in Südfrankreich können verschiedene sein: Wut, Trauer, Entsetzen, Fassungslosigkeit. In manchen, wohl eher weniger Fällen, vielleicht auch Gleichgültigkeit, oder Distanz. Jeder scheint jedoch ein Gefühl dazu wahrzunehmen, eine Dringlichkeit sich zu positionieren und auszutauschen – sei es durch Anrufe bei Nahestehenden, durch Kommentare bei Umstehenden, oder eben durch Statusmeldungen oder Tweets.

Das Thema Germanwings ist omnipräsent, weil es uns bewegt, weil es ein so greifbares Unglück ist, in das jeder von uns hätte verwickelt sein können. Es ist die Unmittelbarkeit der Berichterstattung und die Nähe des Geschehens, die es vermeintlich nachvollziehbar machen, wie man empfinden könnte, in so einem Moment. Gefühlt im Minutentakt wird jedes kleine Puzzlestück der Ermittlungsarbeiten verbreitet und bruchstückhaft erfahren wir über die Grausamkeit der Ereignisse.

Die Trending Topics bei Twitter lauten: U49525, Co-Pilot, Selbstmord, Sinkflug, Germanwings, Flugzeug. Hier erhöht sich die Geschwindigkeit der Nachrichten zu dem Unglück sogar auf den Sekundentakt. Beileid, Mitleid, Anteilnahme. Aber: auch Schuldzuweisungen, vermeintliches Fachsimpeln und Verschwörungstheorien. Jeder hat etwas loszuwerden.

 

„Und wenn meine Trauer in einen Tweet passt, dann tut sie das“

 

Tragische Ereignisse wie dieses, die so viel Staub in der Medienlandschaft und in den sozialen Netzwerken aufwirbeln, führen uns immer wieder vor, dass der Umgang mit Trauer keine rationale Auseinandersetzung ist. Es ist vielmehr ein impulsartiges Reagieren. Die Autorin Lisa Rank hat zu dem Thema „Soziale Medien und der Umgang mit dem Tod“ 2013 einen Vortrag auf der re:publica gehalten.

Auch wenn es damals hauptsächlich um die Auseinandersetzung mit Nelson Mandelas Tod ging, ist das Thema heute aktueller denn je: „Die Frage ist ja, wie man Trauer definiert. Und am Ende ist das Internet ja nur ein Verstärker von Emotionen, die man so auch im normalen Leben hat. Und wenn meine Trauer in einen Tweet passt, dann tut sie das“, so Rank. Am Ende müsse jeder selbst entscheiden, ob das echte Anteilnahme ist, oder am Ende die eigene Positionierung in dem großen Fischbecken namens Internet. „Internet ist einfach ein Verstärker und Internet, und gerade Twitter, funktionieren eben extrem impulsgesteuert.“

 

Das Internet als weiterer Trauerkanal

 

Als Diana 1997 gestorben ist, pilgerten Tausende Menschen nach London, um dort eine Kerze anzuzünden, oder einen Blumenstrauß niederzulegen. Auch in rein analogen Zeiten wurde Trauer kundgetan. Die sozialen Medien bieten, wie für alles in unserem Leben, einfach eine weitere Plattform für das, was uns offline beschäftigt und sind gleichzeitig ein schneller Multiplikator. Sobald diese sehr spezielle Form der Trauer aber platt wird, von Emotionen nur noch ein Hashtag übrig bleibt, oder ein Like, überwiegt die Frage der Notwendigkeit einer solchen Mitteilung.

„Ein Like wird vom bloßen Gutfinden zum Zeichen für Aufmerksamkeit, Respekt, Achtung, Teilnahme, Dank. Individuelle Profilbilder weichen kollektiven Gedenkbildern. Facebook-Walls werden zu Kondolenzbüchern. Improvisierte Versuche der Menschen, dieser schönen Scheinwelt ein Stück Realität aufzuzwingen“, wie wir zu diesem Thema in dem Artikel „Mein herzliches Beilike“ festgestellt hatten. „Natürlich kommt einem auch das ein bisschen komisch vor, ehrliche Trauer hat es wirklich schwer in dieser blauen Welt, die dafür keine Worte findet.“ So bleibt es am Ende, egal ob analog, oder digital, immer die Suche nach Gemeinschaft, die uns dazu bringt, unsere Anteilnahme öffentlich mitzuteilen.

 

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Bildquelle: Robert Agthe über CC BY 2.0