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Beuteschema: Die Liebe und das doppelte Lottchen

Auch diesmal ändert sich nichts: Sie bekommt ihn und ich die Kopfnuss.

Es ist einer dieser Mythen, den die Wissenschaft wohl niemals vollständig aufklären wird: Immer wieder sind es vermeintlich nicht-neurotische, glanz-haarige, glatt-häutige – scheiß optimierte Doppelgänger unserer selbst, die uns einen potenziellen Partner ausspannen. Irgendetwas passiert da mit der Liebe und dem doppelten Lottchen.

Die Liebe ist eine Petrischale für nicht verwandte Zwillinge

Filmemacher weisen uns ja schon lange auf diese Problematik hin. In der Serie „OC California“ beispielsweise ersetzt Hauptcharakter Summer Roberts ihren neurotischen Ex-Freund Seth Cohen mit seinem sportlichen, gebleachten und sonnenertränkten Doppelgänger Zach. Im Schnulzen-Klassiker „The Way We Were“ entscheidet sich Robert „Hubbell“ Redford für eine zahmere Version der wilden Katie. „Sex and the City“ ist praktisch eine Neuauflage dieser Geschichte. Und Schauspieler Ashton Kutcher tauscht die alternde Demi Moore gegen Mila Kunis; von Boris Beckers oder Dieter Bohlens Naddel-Eskapaden ganz zu schweigen. Aber auch in der ungebräunten Realität des Alltags scheint die Liebe eine Petrischale für nicht verwandte Zwillinge und coolere Versionen unserer selbst zu sein.

Also bemerke ich auch heute, dass irgendetwas seinen Schädel aus dem Gleichgewicht bringt, als er sich zu meinem Ohr beugt, um etwas zu sagen. Noch ein wenig benommen vom Aufprall, erkenne ich, wie er auf sie zugeht und seine Hand auf ihren „beinahe-deiner-nur-geiler“-Rücken legt. Genau da, wo ihr „beinahe-deines-nur geiler“-Kleid ein freches Stück Haut entblößt. Sie schaut zu ihm hoch mit ihrem „beinahe-deiner-nur-geiler“-Blick. Gemeinsam machen sie sich auf den Weg in meine Richtung. „Voll schade“, sagt er zu mir. „Ich schaffe es nicht mal, zehn Worte mit dir zu wechseln. Und tut mir Leid wegen der Kopfnuss. Aber vielleicht sehen wir uns ja nachher noch.“

Natürlich werden wir das. Immer wieder sehe ich ihn mit ihr. Er bleibt in Kontakt. Doch während er mit mir redet, frage ich mich nur: Aus welchem Genlabor der NATO kriechen die nur immer? Wie werden wir sie los? Ist dazu Gewalt notwendig?

Vom Schwimmen in fremden Genpools

Die Enttäuschung gleich zu Beginn: Leider kriechen sie gar nicht. Sie schwimmen – und zwar in unserem Genpool. Mit ihrem knappen Designer-Bikini von Twin-Set verdrängen sie mächtig Wassermasse und Partnermaterial.

„Jeder hat bis zu sieben Doppelgänger auf dieser Welt“, sagt der kanadische Fotograf François Brunelle und porträtiert zahlreiche Zwillingspaare. Keine davon verwandt. Ein Grund dafür ist, dass wir Menschen vermutlich alle von einer einzigen Frau abstammen, die vor rund 150.000 Jahren in Afrika gelebt und beschlossen hat, unser Liebesleben für immer zu ruinieren. Zu 99,9 Prozent gleichen sich also die Gene aller Menschen, schreibt die Zeit. Weshalb aber ausgerechnet die Liebe all unsere acht Doppelgänger zu versammeln vermag, bleibt mysteriös..

Eine logische Erklärung ist sicher das Beuteschema der Menschen. Auch, wenn viele es leugnen mögen, jeder hat einen bestimmten Typ. Attraktivität ist nun einmal eine Frage des persönlichen Geschmacks. Zugegeben, all das könnte auch eine Einbildung sein. Unser perfekter Zwilling bloß eine Halluzination – eine Projektion, die angetrieben von Eifersucht und gekränktem Stolz, unsere Sinne vernebelt. Oder aber ein kaltblütiger Schachzug, um uns eifersüchtig zu machen. Denn schon lange ist die direkte Kommunikation in der Liebe zu einem Auslaufmodell geworden. Die Liebe ist ein Hütchenspieler, der uns gnadenlos über den Tisch zieht.

Wenn sich das Zwillingsrad wieder dreht

Aber wir lassen uns nicht verarschen. Wir lassen uns nicht blenden, wenn sich das Zwillingsrad wieder zu unseren Gunsten dreht. Nicht, wenn unser Doppelgänger wie von selbst verschwindet und unser Herzblatt angekrochen kommt. Wenn er oder sie erkennt, dass glatte Haut und glänzende Haare eben doch keine echten Charakterzüge sind, Fäkalhumor eigentlich charmant ist, Neurosen irgendwie liebenswert sind – und „optimiert“ eigentlich die Schwester von „scheiße“ ist. Genau dann schließen wir unser schlecht isoliertes Altbau-Kommunikationsfenster. Und machen es erst wieder auf, wenn es draußen schön ist.

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Bildquelle: Sharon & Nikki McCutcheon unter CC BY 2.0