Gina-Lisa Vergewaltigung Sexvideo Debatte

Der Fall Gina-Lisa: Wenn ein „Hör auf!“ nichts mehr wert ist

Sie ist Playboy-Bunny, Schönheitskönigin und Erotikmessemodel: Das Ziel einer Karriere als Sexsymbol hat die ehemalige Germany’s next Topmodel Kandidaten Gina-Lisa Lohfink längst erreicht. Sie ist ein geborener Mittelpunktsmensch, die bekannteste Skandalnudel Deutschlands – und stolz darauf. Doch momentan ist der Anlass für das verstärkte Interesse an Gina-Lisas Person eher unerfreulich, ja sogar erschütternd.

Seit vier Jahren kursiert nämlich ein Video im Netz, das Lohfink beim Sex mit zwei Männern zeigt. Ja, das ist natürlich nicht das erste Sextape, auf dem die Blondine zu sehen ist. Doch die Umstände sind völlig andere: Zum einen haben die beiden Männer dieses Tape einigen Boulevard-Medien zum Verkauf angeboten und dafür mehrere tausend Euro kassiert. Zum anderen sind Lohfinks Erinnerungen an die Geschehnisse dieses Abends äußerst vage – sie glaubt, dass sie einen Filmriss hatte und stellt bei der Polizei deshalb die Vermutung an, dass sie unter dem Einfluss von K.O.-Tropfen gestanden haben muss.

 

Und plötzlich ist sie die Täterin

 

Diese Annahme wird ihr nun als Falschverdächtigung ausgelegt – sie soll 24.000 Euro an beide Männer zahlen. Und das ist erscheint absurd, wenn man bedenkt, dass dieses Video (das im Netz immer noch leicht zu finden ist) eine völlig andere Sprache spricht: Da ist eine Frau, die mehrmals „Hör auf!“ sagt und nicht ganz bei Bewusstsein ist. Doch das reicht dem Gutachter des Berliner Gerichts nicht aus: Ihm ist nicht klar ersichtlich, ob Gina-Lisa unter Drogen stand und zu was genau sie „Hör auf!“ gesagt hat. Die zuständige Staatsanwältin glaubt sogar, dass sie damit vermutlich nicht den Sex an sich meinte, sondern konkrete Handlungen, zum Beispiel den Versuch von einem der Männer, seinen Penis in Lohfinks Mund zu schieben.

Und schon ist er vollzogen, der absurde Rollentausch: Plötzlich ist Gina-Lisa der Täter und die Männer die Opfer. Sie wird wegen Falschaussage verurteilt, die beiden nur wegen Verbreitung des Videomaterials. Schlimmer geht’s nicht? Von wegen. Die Medienwelt muss nun auch noch Salz in die Wunde streuen: „Sie hat sich die Brüste vergrößern und die Lippen aufspritzen lassen. Kann man einer wie ihr die Rolle als argloses Opfer tatsächlich abkaufen?“, schreibt „Die Welt“ beispielsweise. Ist es nicht grotesk, dass an der Glaubwürdigkeit eines Vergewaltigungsopfers gezweifelt wird, nur weil es die Schönheitsideale eines Sexsymbols erfüllt und vorher freiwillig in zahlreichen Sexvideos mitspielte? Verliert jemand, weil er bereits hundert Mal „Ja“ gesagt hat, etwa das Recht, auch mal „Nein“ zu sagen?

 

Das Netz solidarisiert sich mit Gina-Lisa

 

Immerhin scheint es da draußen noch ein paar Menschen zu geben, die zwischen Recht und Unrecht unterscheiden können: Unter dem Hashtag #TeamGinaLisa solidarisieren sich im Netz aktuell tausende Menschen mit der Hessin, die in dem laufenden Verfahren nun in Berufung ging. Die Debatte um Gina-Lisa erhitzt die Gemüter höchstwahrscheinlich auch wegen der geplanten Änderung des deutschen Sexualstrafrechts. Die aktuelle Rechtslage ist nämlich mehr als zweifelhaft: Frauen müssen sich tatsächlich körperlich gewehrt haben, bevor ein Mann der Vergewaltigung bezichtigt werden kann. Der neue Gesetzesentwurf von Justizminister Heiko Maas sieht nun vor, dass in Zukunft auch die verbal geäußerte Ablehnung ausreicht.

Und doch scheint der Akt der Vergewaltigung noch immer nicht als vollwertige Straftat betrachtet zu werden. Hier, genau wie am anderen Ende der Welt auch: Diesen Eindruck vermittelten uns jedenfalls die grauenhaften Geschehnisse im Januar letzten Jahres. An der amerikanischen Stanford-University wird eine bewusstlose Frau sexuell missbraucht. Der Täter, ein Student der Universität, wird zunächst in allen Anklagepunkten schuldig gesprochen und hat somit mit einer realistischen Haftstrafe von sechs Jahren zu rechnen. Doch der Richter entschied sich kürzlich für einen Freiheitsentzug von lachhaften sechs Monaten. Die Begründung: Eine langjährige Haftstrafe hätte für den Täter namens Brock Turner „schwerwiegende“ Folgen. Außerdem wäre er noch jung und hätte keine Vorstrafen. „Ich glaube von ihm wird keine Gefahr für andere ausgehen.“, erklärte der Vorsitzende Aaron Persky.  

Die Professorin Michele Landis Dauber ist entsetzt von dem milden Urteil und will den Richter nun abberufen lassen. Sie glaubt, dass der Richter vor allem deshalb zu dieser nachsichtigen Entscheidung kam, weil er sich mit Turner identifizieren kann. Auch der Richter war Stanford-Student und sportlich engagiert: Während Turner als Stanfords Olympia-Hoffnung im Schwimmen galt, war Persky seinerzeit Kapitän des Lacrosse-Teams. Gesellschaftliche Täter- und Opferrollen sind vor Gericht offensichtlich immer noch erschreckend ausschlaggebend – und das ist vor allem bei Vergewaltigungstaten einfach verheerend. Solange sich das nicht ändert, werden auch die Urteile subjektiv und oft nicht rechtens ausfallen – damit bleibt auch das beste Sexualstrafrecht machtlos.

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Bildquelle: lucky.lion81 unter CC by 2.0