Christian Pietsch, CEO von Gusti Leder

Gusti Leder-CEO Christian Pietsch: „Fairness in erster Linie“

Dieser Text ist eine Zusammenarbeit mit Gusti Leder.

Stylische und trotzdem preiswerte Ledertaschen, natürlich gegerbt und unter fairen Bedingungen hergestellt – geht nicht? Geht wohl! Die Taschen von Gusti Leder werden in kleinen Familienunternehmen von Hand hergestellt – Nachhaltigkeit und Fairness bei Produktion und Bezahlung der Mitarbeiter haben dabei oberste Priorität. Wir haben mit Gründer und Geschäftsführer Christian Pietsch über Inspirationsquellen, Kundenbeschwerden und Zukunftspläne gesprochen.

 

Auf einer Reise durch Marokko kamst du auf die Idee für Gusti Leder. Was hast du erlebt, das dich so inspiriert hat?
Nun, das ist schwer zu sagen – es gibt ziemlich viele Dinge, die für mich Inspirationsquelle waren! In erster Linie natürlich die Kultur an sich. Auch wurde ich auf meinen Reisen mit viel Leid und Armut konfrontiert. Es gab Eindrücke, die ich noch lange im Kopf hatte, da wollte ich natürlich auch helfen. Aber einfach spenden und „Almosen geben“ ist eben keine echte Hilfe und macht auch keinen Spaß, solange man nicht weiß, dass das Geld sinnvoll und langfristig nützlich eingesetzt wird. Ein wichtiger Auslöser für mein Interesse war aber auch, dass ich meine Diplomarbeit über Mikrofinanzierung geschrieben habe. Da dies ja ein bedeutendes Mittel zur Entwicklungspolitik ist, war der informelle Sektor für mich auch zum Zeitpunkt meiner Reisen einfach super spannend. Dass Gusti Leder aber mal ein Unternehmen werden sollte, wie es heute ist, habe ich mir zu diesem Zeitpunkt aber nicht mal in meinen kühnsten Träumen vorgestellt!

Was ist das Besondere an der traditionellen Lederproduktion vor Ort?
Das ist eine gute Frage, weil die größte Besonderheit für uns europäische Nasen sicherlich ist, dass viele unserer Taschen stinken… Nein, ehrlich, das ist eine Sache, für die ich mich sehr lange geschämt habe – unsere Taschen riechen tatsächlich ordentlich nach Tier. Viele Kundenbeschwerden und Kommentare haben mich lange Zeit wirklich total verunsichert und ich habe lange überlegt wie wir das Problem lösen könnten. Der Geruch geht dadurch, dass wir mit Pflanzenteilen und Ölen natürlich färben und gerben nicht weg – bei einer chemischen Behandlung wäre der Geruch innerhalb weniger Stunden kein Thema mehr. Irgendwann habe ich dann endlich verstanden, dass meine größte Sorge eigentlich unser bestes Aushängeschild sein kann: der Geruch als Beweis einer natürlichen Produktion.

Und wie kam die Idee auf, in Indien einen weiteren Produktionsstandort zu eröffnen?
Letztlich hat alles ganz klein angefangen. Ich muss sagen, dass ich ganz schön unerwartet in die Möglichkeit, auch in Indien zu produzieren, reingeraten bin… Überhaupt war ja ursprünglich gar kein zusätzlicher Produktionsstandort geplant. Dadurch, dass ich auf Reisen Familienunternehmen kennengelernt habe, die mit mir produzieren wollten, hat sich eine super Möglichkeit eröffnet!

Ihr betont, Nachhaltigkeit bei der Produktion sowie Fairness bei der Bezahlung der Mitarbeiter vor Ort wären für euch maßgeblich. Wie sieht das in der Umsetzung aus?
Zum Beispiel haben unsere Produzenten erst kürzlich gesagt, dass sie die Preise anziehen müssen, wenn sie weiter auf gleiche Weise produzieren sollen. Das war natürlich für uns ein riesiger Schreck! Und unseren Produzenten das zu verweigern, war ebenfalls keine Option. So haben wir uns entschlossen, dieses Thema in die Gusti Community zu bringen und haben Feedback von unseren 21.500 Facebook-Fans eingeholt. Ich war baff, als ich die vielen Antworten gelesen habe: Durch die Bank weg gab es wohlwollendes und positives Feedback – wen sollte eine Preiserhöhung mehr stören als die Kunden? Wie schön, wenn die Kommunikation zwischen Produzent und Kunde so gut läuft und wir guten Gewissens arbeiten können! Das war so ein Beispiel dafür. Und wir verfahren so, dass unsere Produzenten ihr Gehalt selbst bestimmen können.

Nicht zuletzt versprecht ihr Transparenz für die Kunden. Vor allem, was die Produktionsbedingungen und die Tierhaltung angeht. Woher weiß ich, wie meine Tasche zur Tasche wurde?
Jedem einzelnen Interessenten zu zeigen wie jede einzelne Tasche produziert wird – das wär‘ so mein Traum! Aus diesem Grund bin ich auch ständig unzufrieden mit unserer Seite, nur die Umsetzung ist echt schwierig. Wir haben sogar schon darüber nachgedacht, einfach Videos in den Produktionsstätten laufen zu lassen, um sie unseren Kunden live zeigen zu können. Recht schnell war uns aber klar, dass das keine Option ist – wer hat schon Lust, permanent bei der Arbeit gefilmt zu werden? Ich nicht. Manchmal tun mir unsere Produzenten echt leid… Aber wir haben das ja nicht gemacht, nur drüber nachgedacht! Bisher lässt sich auf unserer Seite aber einsehen, unter welchen Bedingungen die Taschen wo hergestellt wurden, auf welche Weise gegerbt wurde und wie viel Geld der Produzent in etwa prozentual an dieser Tasche verdient. Wir arbeiten daran, noch mehr Infos zu veröffentlichen.

Die meisten großen Reisetaschen kosten bei euch weniger als 100 Euro. Das ist unfassbar preiswert für ein gutes Lederprodukt. Wie ist das möglich? Vor allem angesichts von Nachhaltigkeit und Fairness bei der Produktion.
Ja, letztlich ist es das, was ich gerade schon angesprochen habe – die Preiszusammensetzung kann man sich einfach auf unserer Seite anschauen. Also, nee, ich will’s mir ja jetzt auch nicht zu einfach machen und nur sagen „Geht mal auf unsere Seite…“ Da wir direkt zwischen Produzenten und Kunden vermitteln und keine Zwischenhändler riesige Margen einfordern, können wir die Preise so halten. Wir machen vieles selbst. Das spart, macht aber viel Arbeit – so fahren wir ja auch selbst zu unseren Produzenten, um direkt Arbeitsbedingungen zu prüfen und alle Wünsche und Anliegen in Indien und Marokko aufnehmen zu können. Lustig ist, dass wir täglich darüber diskutieren müssen, dass wir auch wirklich keine Kinderarbeit betreiben und es wirklich echtes Leder ist. Letztlich ist es aber eigentlich nur total gut, dass Leute sich offensichtlich kritisch mit der Welt auseinandersetzen.

Warum eigentlich Taschen? Ist auch Kleidung bei euch in der Planung?
Erstmal nicht, nein. Unsere Bestrebung soll ja nicht sein, der größte Taschenhändler zu werden, sondern der beste. Ist ja wohl klar, oder? Spaß beiseite – jedes Produkt muss sehr lange optimiert werden, bis es wirklich so gut ist, dass man Lust bekommt, es zu nutzen. Kleidung zu produzieren bedeutet für uns ein Feld zu erkunden, in dem wir bisher absolut unwissend sind.

Eine Philosophie hin zur Fairness und Nachhaltigkeit trifft den Nerv der Gen Y. Was meinst du, warum hat unsere Generation dafür ein solch großes Bewusstsein entwickelt?
Genau kann ich das nicht sagen, ich vermute es geht einfach vielen jungen Menschen wie uns auch, dass sie Lust haben, nachts ruhig zu schlafen – Globalisierung bringt eben nicht nur offene Grenzen und Kulturaustausch, sondern auch die medialen Grenzen sind geöffnet. Sobald es die Möglichkeit gibt, in jedem Prozess auch hinter die Kulissen zu schauen, ist es doch klar, dass ich mich für die Produkte entscheide, die meinen Prinzipien entsprechen – Fairness in erster Linie. Ich denke, dass das ein Grund für das Bewusstsein sein könnte. Ist doch super, dass es so ist!

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Bildquellen: Gusti Leder