Hochzeit Paar

Warum nicht zu heiraten die bessere Möglichkeit ist

Von Natalie Wübbolt

Wenn ich sage, dass ich nicht heiraten möchte, erhalte ich darauf mit ziemlich großer Sicherheit eine der folgenden Reaktionen: Ein verständnisvolles Nicken, gefolgt von der betont zusammenhangslosen Frage, ob meine Eltern noch verheiratet seien. Ein interessiertes Nicken, gefolgt von einem Verhör zu meinem Liebesleben, meinen religiösen Ansichten und weiteren Umständen, die diese Entscheidung irgendwie rechtfertigen könnten. Ein lachendes Kopfschütteln, gefolgt von dem Kommentar: „Abwarten!“.

Mehr oder weniger direkt zeigen all diese Reaktionen, wie absurd meine Entscheidung auf andere wirkt, wie gering die tatsächliche Akzeptanz und wie groß der Erklärungsbedarf ist. Manchmal macht mich das wirklich wütend. Ich übertreibe nicht, wenn ich sage: Fast alle meine Freunde möchten irgendwann heiraten. Dabei sind, genau wie ich, die wenigsten von ihnen religiös, die meisten momentan Single und viele nicht gerade in einer Bilderbuchfamilie aufgewachsen. Warum bin also ich diejenige, die sich rechtfertigen muss? Warum finden so viele Menschen es noch immer so wichtig zu heiraten?

 

Ist es traurig, nicht zu heiraten?

 

Gut, Erhebungen des Statistischen Bundesamts zufolge hat sich die Zahl der Eheschließungen in Deutschland von 1950 bis 2010 mehr als halbiert – eine beachtenswerte Entwicklung. Von einem großen Umdenken spüre ich im kleinen Kreis allerdings eher wenig. Als ich obige Statistik einmal in einem Gespräch erwähnte, war die Reaktion: „Schon traurig…“ Tatsächlich? Ist es traurig, dass wir heute an einem Punkt sind, an dem sich sowohl Frauen als auch Männer zwei Mal überlegen können, ob sie ein Versprechen geben wollen, das man ursprünglich einmal aus rein ökonomischen Gründen gab und das dann durch den Zauberstab der christlichen Kirche in ein „Sakrament“ verwandelt wurde?

Im Gegenteil: Mich macht es glücklich zu wissen, dass ich nicht heiraten muss. Ich muss nicht versprechen, mein Leben mit einer Person zu verbringen, die ich eventuell irgendwann nicht mehr liebe. Das heißt nicht, dass ich nicht gerne jemanden hätte, den ich für immer liebe, der mich für immer liebt. Ich behaupte auch nicht, dass es unmöglich ist, eine Person zu finden, mit der man sein Leben lang zusammenbleiben möchte. Aber es erscheint mir ein wenig größenwahnsinnig, zu entscheiden, dass etwas für immer ist, bevor es für immer war.

 

Ganz oder gar nicht!

 

Wie schon der griechische Philosoph Heraklit von Ephesos bemerkte, ist die einzige Konstante in diesem Universum die Veränderung. Im Idealfall ist unser Leben deshalb wohl eine stetige persönliche Weiterentwicklung, doch welche Wege wir dabei genau gehen, oder welche Hürden wir dabei genau nehmen müssen, lässt sich nicht voraussehen. Wir können beispielsweise krank werden, oder traumatische Erfahrungen erleiden, bekehrt werden, oder desillusioniert. Einen anderen Menschen nun durch ein Versprechen zu zwingen, uns mit jeder Veränderung, bis zum Tod, unverändert „zu lieben, zu achten und zu ehren“, halte ich für kurzsichtig und egoistisch.

Mit einer Ausnahme: Man selbst hält dieses Versprechen ebenfalls – für immer und egal wie wenig man es vielleicht irgendwann noch halten möchte. Wenn sich zwei Menschen dafür entscheiden, ihr Leben so resolut einem Ideal unterzuordnen, kann ich das nur bewundern. Im Gegenzug muss ich jedes Brechen solch eines Versprechens aber auch umso schärfer kritisieren und stimme in dem Fall mit der bis ins 20. Jahrhundert vorherrschenden Ansicht der meisten westlichen Kirchen überein: Man kann nicht an Ehe und Scheidung gleichzeitig glauben.

 

Andere Rechte für Unverheiratete

 

Genug Menschen scheinen dies aber erstaunlicherweise zu tun: Die Scheidungsquote lag 2011 im Bundesdurchschnitt bei etwa 39 Prozent. Ich frage mich: Was ist der Sinn einer Ehe, einer verpflichtenden Lebensgemeinschaft, wenn es die Scheidung gibt? Weil ich aber nicht rückschrittlich denke und weil ich weiß, wie fehlerhaft und wandelbar der Mensch sein kann, bin ich natürlich nicht gegen das Scheidungsrecht. Ich stelle stattdessen ganz einfach die Ehe in Frage. Ja, ich bin noch jung und nein, man soll niemals nie sagen, aber das hier ist kein unüberlegtes, jugendliches „Anti Anti“. Im Gegenteil, ich habe das starke Gefühl, dass schon seit Jahren viel zu viele Menschen beim Thema Ehe ein viel zu unreflektiertes „Ja, ich will!“ wiederkauen.

Warum zum Beispiel bevorzugt der Staat noch immer verheiratete Paare? Dass 2010 die Sorgerechtsregelungen für unverheiratete Partner erneuert und damit endlich den grundsätzlichen Elternrechten von Vätern entsprechend geändert wurden, ist ein vergleichsweise kleiner Schritt. Die Erbschaftssteuerregelungen, bei denen im Erbfall für Unverheiratete nun 30 Prozent Steuern anfallen können (während verwitwete Personen nichts zahlen) und das auf „eingetragene“ Lebensgemeinschaften begrenzte Zeugnisverweigerungsrecht sind nur zwei kleine Beispiele dafür, wie schnell unverheiratete Paare gegenüber Eheleuten in Deutschland den Kürzeren ziehen. Ich finde das schwer verständlich: Wieso muss man erst einen Vertrag für die Ewigkeit unterschreiben, um im Jetzt die Rechte eines vollwertigen Paares zu genießen, wenn doch a) auch dieser Vertrag auf Lebzeit widerrufen werden kann und damit b) die Entscheidung gegen ihn oft die eigentlich bedachtere ist?

 

Ewigkeit versus Ehrlichkeit

 

Klar, heiraten ist romantisch. Wie gesagt: Ich kann selbst nicht abstreiten, dass Ewigkeit eine schöne Vorstellung ist. Aber Ehrlichkeit ist für mich die schönere. Und dem, den ich liebe, zu sagen, dass ich gerne für immer mit ihm zusammen sein will, ist ehrlich. Ihm zu unterschreiben, dass ich das für immer sein werde, ist eine potenzielle Lüge. Ich fühle mich wohler in meiner Haut, ohne die Angst, irgendwann vielleicht diejenige zu sein, die ein lebenslanges Versprechen brechen muss. Im „ZEITmagazin“ hieß es einmal sehr treffend: „Vielleicht nimmt niemand die Ehe so ernst, wie der, der sich nicht traut“.

Ich habe beobachtet: Nicht alles, was ein Leben lang währt, ist gut und nicht alles, was gut ist, währt ein Leben lang. Doch ich werde das Gefühl nicht los, dass es gerade die Sehnsucht nach einem simplen Zusammenhang wie diesem ist, die so viele Menschen in unserer komplexen Welt weiterhin an dem Konzept Ehe festhalten lässt.

 

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Bildquelle: Kelly Sue DeConnick unter CC BY-SA 2.0