Inklusion Gleichberechtigung

Inklusion: Wie weit ist Deutschland?

Ein Kommentar von Daniel Guggeis

Menschen mit Behinderung haben es in Deutschland nicht leicht, der Staat und unsere Gesellschaft legen ihnen immer wieder Steine in den Weg. Dabei müsste gerade an dieser Stelle umso mehr unterstützt werden. Stattdessen bekommen Menschen mit Handicap, die zu Hause bei ihren Familien oder Angehörigen wohnen, seit 2011 eine um 20% gekürzte Grundsicherung. Die Grundsicherung beträgt im Moment 400€, damit fehlen rund 80€ für den Lebensunterhalt von ungefähr 40.000 betroffenen Familien, berichtet das Fernsehmagazin Report Mainz. Das Bundessozialgericht urteilte in mehreren Fällen über die aktuelle Gesetzeslage und sieht es als verfassungswidrig. Trotzdem weigerte sich das Sozialministerium unter Leitung von Andrea Nahles die Vorgaben des Gerichts umzusetzten und rügte das Sozialgericht sogar. Bis gestern erste kritische Stimmen aus der eigenen Partei und Medien laut wurden, nachdem Report Mainz eine Pressemitteilung über die Berichterstattung veröffentlichte. Das Ministerium verspricht nun, die Leistungen auch für Menschen mit Behinderung zu erhöhen.

Erst auf Druck der Medien reagiert also das Sozialministerium. Der Streit um die Grundsicherung zeigt wieder mal, dass Deutschland in Sachen Inklusion noch eine Menge zu tun hat.  Das gilt sowohl für die Politik als auch für die Medien. Vor allem im Bildungssystem muss der Grundstein für Inklusion gelegt werden. Mit der Abschaffung der Sonderschulpflicht wurde beispielsweise in Baden-Württemberg ein Schritt in die richtige Richtung gemach, wie die Stuttgarter Nachrichten berichten. Es ist gut, dass den Eltern die Wahlfreiheit gegeben wird, trotzdem muss dafür gesorgt werden, dass die allgemeinbildenden Schulen gute Bedingungen für Inklusion besitzen.

„Die Vielfalt von Behinderungsformen im deutschen Fernsehen ist auf zwei bis drei Bilder reduziert“

 

Doch auch im Medienbereich besteht ein hohes Potenzial für Verbesserungen. Am Mittwoch fand eine Tagung zu „Inklusion im Fernsehen – Neue Perspektiven auf Behinderung“ in Köln statt. Medienmacher, Journalisten und Medienpolitiker diskutierten zu dem Thema und stellten fest, dass das Thema Inklusion zunehmend Format- und Sender-übergreifend auf die Agenda gesetzt wird. Dennoch aber nach wie vor nur einen kleinen Teil des Programms ausmacht. Zudem stellt der Journalist Torsten Körner laut Kölner Stadtanzeiger fest: „Die Vielfalt von Behinderungsformen im deutschen Fernsehen ist auf zwei bis drei Bilder reduziert.“ Aufgrund des Quotendrucks werden zudem Beiträge zum Thema Inklusion vermehrt ins Nachtprogramm aufgenommen, was ebenso ein unhaltbarer Zustand ist.

Einer unnötige Herangehensweise bediente sich zum Beispiel die RTL-Sendung „Das Jenke-Experiment“. Menschen ohne Behinderung, die sich in einen Rollstuhl setzen, um zu erfahren, wie sich die Behinderung anfühlt: wirklich das Letzte, was wir brauchen. Das Fazit des Experiments so offensichtlich wie überflüssig: Der Moderator ist froh, wieder laufen zu können und teilt mit, wie schlimm es doch eigentlich ist, mit einer Behinderung zu leben. Das Reality-TV zeigt wie so oft ein total verzerrtes Bild und sollte lieber beispielsweise einen Rollstuhlfahrer in einer Doku begleiten, als solch einen unnötigen Schwachsinn zu produzieren.

Folge ZEITjUNG auf FacebookTwitter und Instagram

Bildquelle: Sozialhelden über CC BY 2.0