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Foxtrott auf der Metaebene: Warum Böhmermann verwirrt und begeistert

Ein Kommentar

Die Fakten sind schnell erzählt: „extra 3“ hat Mitte März mit dem Song „Erdowie, Erdowo, Erdogan“ den türkischen Präsidenten verlacht und dafür von der türkischen Regierung herself richtig aufs Maul bekommen. Wenig später stellte sich Jan Böhmermann im Neo Magazin Royale vor die Kamera und trug ein Schmähgedicht über Erdogan vor, Zeilen wie „Sein Gelöt stinkt schlimm nach Döner/ Selbst ein Schweinefurz riecht schöner“ bringen nicht nur Goethe in seinem Grab zum Rollen, sondern veranlassten den Sender auch dazu, das Video zu löschen mit dem Hinweis, dieser Umgang entspräche nicht „den Ansprüchen, die das ZDF an die Qualität von Satiresendungen stellt“. Jetzt hat er die Mainzer Staatsanwaltschaft am Hals und bekommt heute Abend für sein Varoufakis-Fake den Grimme-Preis; wird ihn aber nicht persönlich entgegen nehmen wie er auf Facebook postete. Ihm sei nicht nach Feiern zumute. Plötzlich ist unser blasser Junge auch noch ein stiller blasser Junge und wir stehen mal wieder ratlos vor einem Mittelfingerhaufen und wissen nicht mehr, was echt ist und was fingiert und was nur konstruiert oder irgendwo dazwischen.

 

Spätestens seit dem Varoufakis-Fake ist klar: Böhmermann hat überall seinen Finger im Spiel

 

Und genau das ist wahrscheinlich die große Waffe von Jan Böhmermann: Er wirft so viele Sachen in den Ring, schmeißt mit Anspielungen und Zitaten wie ein mittelklassiger Rapper mit Scheinen um sich und verwurstet sie dann so lange zu einem Knoten, dass keiner mehr weiß, wo vorne und wo hinten ist. Er gewinnt nicht immer, aber er eröffnet den Kampf. Jeder erinnert sich an das #Fingergate, aber wenn ich heute jemanden fragen würde, ob Varoufakis damals den Mittelfinger gezeigt hat, oder nicht – ich glaube, viele sind immer noch nicht sicher, wie es denn jetzt war. Aber jeder weiß, dass da was war. Und dass Jan Böhmerrmann seinen Finger mit im Spiel hatte. Und genau dafür bekommt er auch den Grimme-Preis: Er habe die Medienrepublik in Aufruhr versetzt und dafür gesorgt, dass es einen Moment des Innehaltens gegeben habe, begründet die Jury ihre Entscheidung. „Die Meta-Ebene ist Jan Böhmermanns Dancefloor“, schreibt Sebastian Dalkowski dazu treffend auf rp-online, „und niemand tanzt dort schneller als er“. Aber dass er sich so schnell bewegt, bringt uns eben dazu, einfach mal stehenzubleiben, ob aus Protest oder Verwirrung, und sich zu fragen: Was geht hier eigentlich ab?

 

Lügenpresse und Laugengebäck: Der Mann stößt Diskussionen an

 

Bevor er sein Gedicht vortrug, hat Böhmermann ja ausdrücklich betont, er werde jetzt zeigen, was man in Deutschland alles darf – und was nicht. Satire ja, Schmähkritik nein. Es schien irgendwie zu einfach, um das Ganze als naive Aktion abzustempeln, als rissigen Moderator, der mal ein bisschen die Grenzen hochklettert. Dafür ist er doch zu intelligent. Die prompte Reaktion des ZDF: bestimmt abgesprochen. Ein Coup wie ein raffinierter Aprilscherz. Zusammen die Pressefreiheit gleichzeitig bejubeln und abstecken. Und eine nationale Diskussion entspinnt sich, es wird wieder nachgedacht, nicht immer über Böhmermann, aber um die Themen, die er abklopft: Redefreiheit. Manipulation. Lügenpresse. Um Laugengebäck. Böhmermann ist deshalb genial, weil er derart viele Metaebenen aufmacht, dass dem Media-Konsumenten gar nicht mehr klar ist, wie viele es gibt oder in welcher wir uns gerade eigentlich befinden, aber jeder irgendwann anfängt, die Komplexität und Vielschichtigkeit solcher Problemfelder zu erkennen. Böhmermann tanzt unterdessen Foxtrott auf der Metaebene. Und irgendwann zappeln wir mit.

 

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Bildquelle: YouTube / Jan Böhmermann