Im Club verlieben - Geht das?

Kann man im Club die Liebe finden?

Der Freitagabend läutet für Singles die Hochsaison der Paarungszeit ein. Wir verwenden Stunden darauf, das perfekte Abschlepp-Outfit auszuwählen und den Drei-Tage-Bart zu trimmen. Ziehen uns Schuhe an, in denen wir sowieso nicht laufen können, versuchen, den trendigen Undercut in die richtige Richtung zu föhnen, den noch trendigeren Hipster-Dutt ordnungsgemäß zu knoten und unseren Bauch in der neuen High-Waist-Hose unterzubringen. Wir bringen uns mit Wein, Wodka und anderen Rauschmitteln auf ein angemessenes Level, um uns in die nächste brechend volle Bar zu stürzen oder vor dem Lieblingsclub Schlange zu stehen.

 

Ständig auf der Suche

 

Natürlich schlagen wir uns auch aus anderen Gründen die Nächte um die Ohren. Um den neuen Job zu feiern, Spaß mit Freunden zu haben oder weil wir uns einfach mal wieder komplett aus dem Leben schießen wollen. Aber welche Gründe wir auch vorschieben, irgendwie schwingt sie doch immer mit uns mit: die Hoffnung, genau heute Abend den einen Menschen zu finden. Die Person, die uns vollkommen vom Barhocker haut, mit der wir mehr gemeinsam haben als den Stempel auf dem Handgelenk und die Schwäche für Moscow Mule. Mit der wir schräge Vorlieben, geheime Fantasien, Freunde und Weltanschauungen teilen können. Irgendwo muss er ja schließlich sein, der Topf zu unserem Deckel. Und wenn wir ihn im schummrigen Licht der Bar übersehen haben, finden wir ihn vielleicht zappelnd auf der Tanzfläche. Statistisch gesehen stehen die Chancen dafür auch gar nicht mal so schlecht. Laut einer Umfrage gaben 16% der Befragten an, ihren Partner abends beim Ausgehen in Kneipen oder Diskos kennengelernt zu haben. Wie lang, intensiv oder ernsthaft diese Beziehungen waren oder sind, steht natürlich auf einem anderen Blatt.

 

Wer bist du, was machst du, wo kommst du her?

 

Um allerdings herauszufinden, ob es sich bei dem hübschen, dunkelhaarigen Menschen auch tatsächlich um die neue Nummer Eins unseres Herzens handelt, müssen wir uns einen Kommunkationsweg schlagen. Wir versuchen, zu twerken wie Miley, low zu gehen und den Floor zu hitten. Bestenfalls ist das Gegenüber angetrunken oder anspruchslos genug, um von unseren Dancefloor-Skills beeindruckt zu werden, hat auch optisch nichts gegen uns einzuwenden und beginnt eine Konversation. Die gleicht fast immer einem Vorstellungsgespräch, schließlich müssen die Eckdaten schnellstmöglich abgeklappert werden. Die Nacht ist zwar noch jung, Zeit zu verschenken hat man aber im Normalfall trotzdem keine. Wie heißt du, wie alt bist du, was machst du, wo kommst du her. Belangloser Smalltalk, der im besten Fall den Zweck hat, ansatzweise die Kompatibilität abzuchecken und im Normalfall als Türöffner für eine unverbindliche Nacht dienen soll.

 

Man ist jeder, nur nicht man selbst

 

In der Regel mittelleicht bis schwer angetrunken, sind unserer Selbstoptimierung natürlich keine Grenzen gesetzt. Der Abiturient wird schnell mal zum Bachelorstudenten, der ambitionierte Einzelhandelskaufmann wird zum CEO eines aufstrebenden Startup-Unternehmens und die Instagram- und Selfie-Fanatikerin mutiert zum Model und Bloggerstar. Nachts können wir sein, wer wir möchten. Wir trinken und träumen uns unsere Glitzerwelt zusammen und stellen sicher, dass die anderen uns genauso wahrnehmen wie wir selbst uns in unseren luziden Träumen sehen. Wir sind locker, wir sehen top aus, wir haben Spaß, sind auf charmante Weise angetrunken. Unsere Alltagsprobleme sind bis zum Montag auf Eis gelegt, Zukunftsangst, Geldprobleme, eigenartige Macken und Persönlichkeitsmängel haben wir schon beim Vortrinken hinter uns gelassen.

 

Die Lichter gehen auch wieder an

 

Sobald wir aber den Fuß aus den heiligen Hallen der Longdrinks, tiefen Bässe und schönen Menschen setzen, legt die Morgendämmerung schonungslos verschwitze Gesichter, fettige Haare, verschmiertes Make-Up und vor allem Fahnen frei, die man noch vor wenigen Minuten nicht erahnen konnte. Noch schlimmer: Ist die Musik aus, versteht man auf einmal, was der andere so von sich gibt. Hört den arroganten Unterton in der Stimme des neuen vermeintlichen Lieblingsmenschen, bemerkt die Tatsache, dass er lallt und nur von sich selbst redet und dass ihr außerdem so ziemlich nichts gemeinsam habt. Alkoholleichen, lallende Superheroes und Verzweifelte, die nicht allein nach Hause gehen wollen – im Club findet man vieles. Die große Liebe eher nicht.

 

Sag niemals nie

 

Dieses Szenario ist selbstverständlich von einseitigen und eher negativen Erfahrungen mit der Partnersuche im Club geprägt. Sicherlich gibt es Menschen, die ihre große Liebe beim Feiern kennengelernt haben. Bei denen ein verschütterter Drink oder ein schlechter Anmachspruch zu jahrelangen Beziehungen und hollywoodwürdigen Liebesszenen führte. Ich persönlich kenne genau ein Paar, auf das das zutrifft. Ausnahmen bestätigen ja bekanntlich die Regel. Meistens bleibt jedoch das Einzige, was man sich mit einer Clubbekanntschaft teilt, das Taxi und ein One-Night-Stand. Den Walk of Shame nach Hause hat man dann schon wieder ganz für sich allein. Wer darauf aus ist: Auf in den Club, Spaß haben, Drinks ausgeben und ausgeben lassen.

Für alle anderen: Lieber jemanden suchen, der uns betrunken fühlen lässt, wenn wir schon lange wieder nüchtern sind .

 

 

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Bildquelle: Ralph Thompson unter CC BY-ND 2.0