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Oh du liebe Langeweile! Von der Kunst des Nichtstuns

Wo fängt das Nichtstun an, wo hört es auf?

Wir halten zunächst fest: Man kann unbeschäftigt und gelangweilt sein. Man kann aber auch sehr beschäftigt und gelangweilt sein. Genauso gut, kann man viel zu tun haben und dabei überhaupt nicht gelangweilt sein oder nicht viel machen und dabei ebenso wenig gelangweilt sein. Dann hat man Muße, das ist was Gutes. Überhaupt gar nichts tun, das kann man eigentlich nur schwer. Denn atmen muss man immer und ein bisschen denken eigentlich auch. Es bleibt die Frage, wo das Nichtstun anfängt bzw. wo es aufhört? Das ist natürlich Definitions-Sache. Wir landen also beim Kern: Nichtstun ist relativ.

Was ist Nichtstun?

Es ist tatsächlich relativ relativ: Wer normalerweise drei Freunde getroffen, die Wohnung geputzt und das Paket zur Post gebracht hat, bevor der Kuckuck zur Mittagsstunde blökt, für den gilt es wohl schon als Nichtstun mit einer Limo am Pool zu hängen und Instagram durchzuscrollen oder in einem Roman zu versinken. Für andere wiederum wäre das ein tagesfüllendes und durchaus befriedigendes Kulturprogramm und definitiv nicht als Nichtstun einzuordnen. Man kann sich also streiten. Ein gängiges Kriterium in dieser Frage scheint allerdings die Produktivität zu sein. Wer was schafft, wer was erledigt, der hat was getan und nicht nichts getan. Darüber scheint Einigkeit zu bestehen. Sonst würden ja nicht immer alle sagen: „Puh, du also heute habe ich irgendwie gar nichts gemacht, Mann.“ Dabei hatten sie eigentlich den Tag ihres Lebens. Wir halten fest: Nichtstun im Sinne der Produktivität könnte heißen, nichts zu erledigen. Nichtstun im Sinne der Aktivität, könnte heißen, nichts zu machen, das viel Energie braucht und/ oder sich lohnt zu erzählen. Einfach weil es, oberflächlich betrachtet, belanglos los. Kleinkariert könnte man nachhaken: Wenn Müßiggang Großes hervor bringt, ist das dann noch unproduktiv? Mh.

Wann ist Nichtstun eine Kunst?

Wir kommen zur finalen Frage, ab wann das Nichtstun eine Leistung oder sogar eine Kunst ist? Wer paralysiert und erschlagen von der eigenen ToDo-Liste wippend in der Zimmer-Ecke sitzt, ist zwar ein Hingucker für Fans der Aktions-Kunst, schwerlich aber ein Lebenskünstler. Wer nichts Sinn-stiftendes gemacht hat, aber mit Gelegenheitsjobs die nächste Miete gesichert hat, der hat zwar sein Leben recht gut im Griff aber auch schon viel zu viel gemacht, als es die Kunst des Nichtstuns erlaubt, oder?
Es ist doch so: Vor allem in der heutigen Zeit ist es ein starkes Stück, sich aktiv für das Nichtstun zu entscheiden. Beschäftigt tun ist ein „Volkssport“ geworden. Sich von eigenen Gedanken-Spiralen abzulenken, anstatt diese zu lösen, ist einfach wie nie. Kunst dagegen ist es doch, sich auch einmal zurückzulehnen und in sich zu horchen. Sich selbst denken hören. Überhaupt: selbst denken. Das braucht eine gewisse Ruhe und setzt vor allem zwei Dinge voraus:

1. Man muss akzeptieren können, dass es immer Dinge geben wird, die man verpasst.

Man kann nicht überall sein, schon gar nicht, wenn man mit vollem Herzen dabei sein will. Die sozialen Medien erinnern uns im Sekundentakt daran, was wann wo mit wem stattfindet und das macht es einem umso schwieriger, nicht das Gefühl zu haben etwas zu verpassen. „The Fear of Missing out“, kurz: FOMO. Das Ding hat einen Namen und daran erkennst du: Es ist ein Ding.

2. Man muss sich aktiv dafür entscheiden können, dass Erledigungen warten können.

Es gibt ja eigentlich immer etwas zu tun. Wenn aber nicht gerade super akute Erledigungen oder Aufgaben drängen (Insulinspritzen besorgen, Hausarbeit abgeben oder sowas), dann feier die Feste wie sie fallen und tue nichts. Alle Holly- und Bollywood Schmonzetten zeigen, dass es umso leichter fällt nichts zu tun, desto angenehmer die Gesellschaft ist, in der man sich befindet. Das erkennst du am Gesagten dieser Leute, was meiner Meinung nach übrigens den Gipfel der Zufriedenheit ausdrückt: „Ich wäre jetzt an keinem anderen Ort lieber als hier mit dir.“ – Schnulzig aber wahr. Wir kommen zu dem Schluss: Nichts zu tun, fühlt sich irgendwie besser an und ist leichter, wenn man in der Gesellschaft von jemandem ist, der einem im Nichtstun bestätigt. Das folgt der uralten harsch formulierten Regel: Zwei Idioten legitimieren sich gegenseitig. Jeder, der schon einmal in einem albernen Kostüm durch die Straßen gelaufen ist, weiß was gemeint ist. Allein ist es witzlos, zusammen ein Fest.

Bildquelle: Ben White unter CC0 Lizenz

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