Lola Marsh (Gil Landau und Yael Shoshana Cohen) mit ZEITjUNG-Redakteurin

Lola Marsh: „Weiterleben, weiter Musik machen, niemals Angst haben.“

Eure Songs sind sehr nostalgisch-melancholisch. Macht die Liebe mehr Leute glücklich oder unglücklich?

Die beiden denken nur ganz kurz nach und sagen dann fast zeitgleich: 

Yael: Glücklich.

Gil: Unglücklich.

(Wir lachen.)

Gil: Eines von drei Paaren wird geschieden, richtig?

Yael: Ja, aber Liebe ist die perfekte Droge! Du wirst so high davon.

Gil: Aber wenn wir jetzt die ganze Bevölkerung der Erde nehmen würden und jeden fragen, bist du glücklich oder unglücklich in der Liebe – was würde die Mehrheit sagen? Selbst wenn du Pärchen fragst, können sie diese Frage total verschieden beantworten…

Yael: Ich glaube trotzdem, dass man das Risiko immer eingehen sollte. Viele Leute haben Angst. Ich für meinen Teil hoffe, dass ich es immer wagen werde. Weil es das wert ist.

 

Material für einen Song vielleicht. Apropos Material: Yael, du warst über zehn Jahre lang Kellnerin und hast dabei immer Leute beobachtet. Wie bleibt man selbst auf Tour inspiriert?

Gil: Wir erleben eine Menge Sachen auf Tour!

Yael: Wir werden inspiriert, wenn wir auf Festivals andere Künstler auf der Bühne sehen, wie letztens zum Beispiel Lilly Wood & the Prick und Jungle, aber auch, wenn wir mit anderen Leuten reden.

Gil: …oder streiten (lacht). Touren ist sehr inspirierend, du lernst eine Menge über Menschen, im guten und im schlechten Sinne.

Yael: Und manchmal sind da diese stillen Momente im Van, wenn die Landschaft an dir vorbeizieht… oder du bist alleine im Hotel, allein mit deinen Gedanken in einer fremden Stadt. Das alles kann sehr inspirierend sein.

 

Ich kann mir aber vorstellen, dass dahinter auch ein großer Druck steckt. In eurem Song „Sirens“ gibt es diese eine Zeile: „Need a lullaby to restore my glory“. Der Song handelt davon, dass man, wenn man einmal bekannt ist, immer weiter produzieren muss, die Leute immer mehr wollen, oder?

Gil: Wow (lacht)! Normalerweise versteht niemand diesen Song.

Yael: Es ist nie genug. Nie genug für dich selbst und für die anderen, und da ist immer dieses Rauschen in deinem Kopf – dass du mehr machen musst.

 

Wird das manchmal zu viel Druck?

Yael: Manchmal macht uns das nervös, ja.

Gil: Es ist definitiv manchmal zu viel, aber wir versuchen, damit umzugehen – es ist ja unser Job, es ist unser Traum und wir lieben, was wir tun.

Yael: Außerdem haben wir uns. Eine Freundin von mir ist Solosängerin, die muss da alleine durch. Wir können uns immer gegenseitig helfen, in der Hinsicht können wir uns sehr glücklich schätzen.

 

Fast tausend britische Künstler haben einen Boykott gegen Israel unterschrieben (Artists for Palestine UK). Inwiefern betrifft euch die politische Situation?

Gil: Ich glaube, alles was in der Welt passiert, betrifft uns – die US-Wahlen, die Anschläge in Paris, alles. Dinge passieren, es ist schrecklich, aber wir versuchen, das nicht an uns rankommen zu lassen. Wir haben neulich erst in der Band darüber geredet, wer Nachrichten liest.

Yael: Ich lese keine Nachrichten. Ich höre von den wichtigsten Ereignissen, aber ansonsten will ich einfach nur mein Leben leben und meine Musik machen.

Gil: Ich bin immer hin- und hergerissen. Manchmal lese ich alles, was ich in die Finger kriegen kann, und manchmal will ich einfach gar nichts mehr hören. Denn keiner weiß letztlich wirklich, worüber er redet, das ist ja das Ding!
Yael: Aber zum Boykott: Wir spielen vor Menschen, nicht vor Ländern. Die Menschen kommen immer zuerst. Und Musik ist die perfekte universelle Sprache.

 

Heute vor einem Jahr wurden an die hundert Menschen in der Konzerthalle Bataclan in Paris umgebracht.

Gil: Das war heute? Oh shit…

 

Ja, gestern hat das Bataclan mit einem Konzert von Sting wieder eröffnet.

Yael: Ja, das haben wir im Fernsehen gesehen!

Gil: Es war schockierend. Zu der Zeit haben wir gerade unseren Plattenvertrag mit einem französischen Label unterschrieben, und wir haben eine Menge Leute von dort kennen gelernt. Wir waren natürlich total besorgt. Es ist abgefuckt…

Yael: Es ist in meinem Kopf, aber ich versuche, es wegzusperren. Das ist die perfekte Waffe gegen solche Dinge: Weiterleben, weiter Musik machen, niemals Angst haben. Sie nicht gewinnen lassen.

 

Genau deshalb finde ich es großartig, dass sie das Bataclan nicht zu einem Museum oder einer Gedenkstätte umfunktioniert haben, sondern immer noch Konzerte gespielt werden – wie vorher.

Gil: Wir waren eine Woche nach den Anschlägen hier. Unser Konzert wurde abgesagt und ich hatte erwartet, ein anderes Paris zu sehen – aber die Leute waren immer noch draußen, haben was getrunken.

Yael: Natürlich haben sie die ganze Zeit darüber geredet, aber sie haben einfach weitergemacht. Sie werden uns nicht kriegen.

Gil: Musik ist etwas, an das sie niemals rankommen werden. Sie können Musik nicht töten.

 

Ein schönes Schlusswort, das Mut macht an diesem grauen Nachmittag in einem trauernden, sich erinnernden Paris . Und selbst beim Interview bringt Musik Menschen zusammen: Zum Fotos machen wird kurzerhand das Hotelpersonal angestellt, und die hängen sich richtig rein, ihre geschichtsträchtige Location in Szene zu setzen: Ein Lampenschirm am Empfangstresen wird schnell zum Lichtzelt umfunktioniert, wir posieren angestrengt ernsthaft vor dem Kamin. Dort, wo heute die Lobby ist, so erklärt mir der Manager, war früher die Hölle. Das passt doch zum warmen Sound der Israelis – und der Wärme, mit der mich die beiden zum Abschied umarmen und sagen, ich sollte doch unbedingt nach der Show am nächsten Tag bei ihnen vorbeikommen.!להתראות