Coachella Festival 2016: Vor allem Kommerz steht hier im Vordergrund

Coachella: Love, Peace and Commerciality

Mit dem Coachella Festival geht die Festivalsaison so richtig los. Es ist mittlerweile eines der größten der Welt und findet mit dem gleichen Line-Up an zwei Wochenenden hintereinander in der kalifornischen Wüste statt, drei Autostunden östlich von Los Angeles. Diese Nähe zu Hollywood zieht seit Längerem auch die ganz großen Stars an: So ist das Coachella in den letzten Jahren immer mehr zu einem Schaulaufen für Promis verkommen, die etwas von dem coolen Hippieflair, mit dem das Festival wirbt, abbekommen wollen, um ihren Marktwert zu steigern und im Gespräch zu bleiben.

Man kann den Stars ja schlecht vorwerfen, dass sie auch auf ein Festival gehen wollen. Trotzdem muss man konstatieren, dass sie die Mechanismen der Aufmerksamkeitsindustrie gerne für sich auszunutzen wissen. Dass etwa Taylor Swift, die ja durch Musik berühmt wurde, gar nicht gespielt hat, mit ihren Selfies aber trotzdem die Berichterstattung bestimmte, sagt schon (zu) viel über unsere Medienwelt. Bei Coachella erreicht der Irrsinn unserer Generation seinen Höhepunkt – den Höhepunkt des Social Media Wahns.

 

Nachhaltiger Festivaleindruck?

 

Die Stars und Sternchen engagieren sich zwar auch vermehrt nicht nur für sich selbst, sondern auch für wohltätige Zwecke und Organisationen. Und auch beim Thema Umweltschutz hört man aus Hollywood immer wieder kluge Gedanken und Initiativen, die vielen Amerikanern nach wie vor suspekt sind oder als linke Verschwörung gelten. Aber ein Festival in der kalifornischen Wüste abzuhalten, wo der Bundesstaat seit über sechs Jahren an einer Dürre leidet und die Wasservorkommen gemäß einiger Prognosen vielleicht noch zehn Jahre reichen, scheint – trotz Nachhaltigkeitsstrategie des Festivals bei den Themen Müll und Strom – niemanden zum Nachdenken oder Aufschrei zu bringen. Die Pressestelle von Coachella ließ eine Interviewanfrage von ZEITjUNG zu dem Thema unbeantwortet.

370 Dollar kostete dieses Jahr die billigste Karte für alle, die nicht eingeladen und gesponsert wurden. Dazu noch die Anreise und das stundenlange Warten in der Blechlawine. Im Stau stehen muss bei der Anreise aber keiner der Stars. Dafür sorgt der stündliche Helikopter-Shuttleservice zum Festivalgelände. Man kann natürlich auch mit dem Privatjet anreisen. Eine deutsche TV-Moderatorin hat für die drei Festivaltage sage und schreibe 63 Kilo Gepäck am Start. Reichten fürs Wochenende nicht mal eine kurze, eine lange Hose, drei T-Shirts und ein Müllsack als Regenmantel?

Nicht, wenn man 60 Mal am Tag Selfies auf Instagram postet und sich jedes zweite Mal dafür umziehen muss, um den Werbepartnern ihren Auftritt zu gewähren.

 

Was hat das alles eigentlich noch mit Musik zu tun?

 

Dass The Kills auf dem Coachella spielen, dürfte den meisten bunten Blättern egal sein. Denn wenn über eine Hälfte der Band berichtet wird, den Gitarristen Jamie Hince, dann ist er einfach nur der Ehemann von Kate Moss, die sich „den Rockstar“ geangelt hat. In welcher Band er spielt, wird meistens nicht mal erwähnt.

Die Stars sollten doch aber bei einem Festival eigentlich die Musiker sein, die sich auf der Bühne für ihre Fans aufopfern und ihre Songs voller Hingabe spielen. Es ist zum Beispiel ein wahres Spektakel, wie bei Nathaniel Rateliffs Auftritt die Rhythmusabteilung im Hintergrund der Bühne abgeht – doch bei der ganzen X-hat-was-mit-Y-Maulzerreißerei über das Festival geht das eigentlich Wichtige fast unter.

Immerhin steht für die meisten Fans die Musik im Vordergrund: Die Emotionen, die nur dieses Medium auslösen kann, spürt man, wenn man sich die Livemitschnitte der Auftritte anschaut. Oder wenn man die Interviews mit den LCD Soundsystem Fans sieht, die bis zu acht (!) Stunden vor der Bühne ausharren, um ihre Helden sehen zu können (immerhin kürzer als die fünf Jahre seit dem letzten Auftritt und der damals verkündeten Auflösung der Band).

 

Don’t live in the moment?

 

Wir verpassen den Moment, weil wir alles nur noch für Social Media aufzeichnen. Man postet nur noch auf Instagram, dass man dort war. Aber kann man sich da wirklich dem Festivalfeeling hingeben? Oder ist man dadurch so abgelenkt, dass man nicht mal über die Wasserverschwendung der Oasenlocation nachdenken kann? Geht raus, feiert, lasst euer Smartphone daheim, schaut euch die Bands an, die für euch ihr Bestes geben, aber mit euren Augen und nicht durch euer Handydisplay; scheißt drauf, wenigstens für einen Moment, wie fettig eure Haare sind und ob ihr Fotos zur Likejagd mitbringt. Ihr wart dort. Und das sollte reichen.

 

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Bildquelle: Joey Thompson unter cc0