Male Model Dressman

Konkurrenz für die Fashionistas: Männer entdecken Mode für sich

Ende einer modischen Durststrecke

Die Ehefrau greift in den Schrank und legt für den Gatten das Outfit zurecht. Ein Muss, da der Herr über eine grobmaschige Farbwahrnehmung verfügt, bei der Blau, Braun und Schwarz in einem Topf landen. Wenngleich sich Männer modisch emanzipiert haben und Kleiderfragen selbst in die Hand nehmen, ist Fashion zwischen Flensburg und Ulm etwas typisch Weibliches geblieben.

Jenseits der deutschen Grenzen, beispielsweise in Italien, war die Wahrnehmung stets eine ganz andere. Im globalen Zeitalter sind Grenzen dazu da, eliminiert zu werden. Deshalb scheint es logisch, dass sich das Maskuline mit dem Femininen vereint oder das modische Selbstbewusstsein des Südländers den bodenständigen Deutschen inspiriert – glücklicherweise.

Wer durch die City flaniert, freut sich über das aufgelockerte Bild. Lange Zeit beherrschten uniforme Kombinationen in gedeckten Farben die legere Selbstdarstellung des Mannes, bei der Funktionsjacken, Jeans und Karo-Hemden eine wesentliche Rolle spielten. Dieses Trio ist noch immer präsent, aber die statistischen Trends geben einen Anlass zur Hoffnung.

 

Fashion wird zur Männersache

 

Offizielle Studie, beispielsweise von Tomorrow Focus Media, bestätigen das neue Interesse der Männer für Mode, Kosmetik und Düfte. Von dieser Entwicklung wird der Nachwuchs ebenso erfasst wie die ältere Generation. Dabei verändert sich nicht nur die Einstellung gegenüber der persönlichen Optik, die in mehr Ehrgeiz beim textilen Schick mündet.

Überraschend viele Männer genießen den Einkaufsbummel und thematisieren modische Fragen im maskulinen Zwiegespräch. Laut jüngerer Umfragen tendieren Männer zu zehn Paar Schuhen und jeder dritte Erwachsene mit XY-Chromosom greift zur Antifaltencreme.

Experten wie der der Chefeinkäufer des global agierenden Unternehmens Mr Porter prognostizieren: „Menswear is the new womenswear“. Renommierte Modehäuser auf allen Kontinenten erweitern die Verkaufsflächen und diversifizieren das Brand-Portfolio der Herrenabteilung. Trend setzende Fashion-Adressen wie Selfridges gehen noch einen Schritt weiter und eröffnen Unisex-Stores, in denen sowohl Männer als auch Frauen nach Herzenslust zugreifen dürfen. Spätestens jetzt hauen echte Kerle auf den Tisch und fordern den Artenschutz für stramme Burschen.

 

Historischer Zoom auf die Stilblüten der Herrenmode

 

Dabei verkennt die Stammtischrunde, das sogar die Steinzeit-Kerle mehr gesunde Eitelkeit an den Tag legten als die Modemuffel der Gegenwart. Deshalb scheint ein Blick auf die Geschichte der Herrenbekleidung zielführend, um den feschen Trends etwas lockerer zu begegnen.

Erfolgreiche Jäger, die vor Tausenden von Jahren ein Tier erlegten, erkannten die Wirkung schöner Felle, bevorzugten sie für Kleidungsstücke und fügten Details wie Baumrinde oder Pflanzenfasern hinzu.

Dass sich kostbare Tuniken hervorragend zum Ausdruck der persönlichen Exklusivität eignen, wussten auch die Herrschaften im antiken Ägypten. So nahm die Sache mit der Mode ihren Lauf und brachte Trends hervor, die jede noch so exzentrische Kollektion von heute in den Schatten stellen.

Die luxuriöse Männermode im Mittelalter war mitunter effektvoller als die Designideen für Damen. Strumpfhosen und Jacken mit figurnahem Schnitt waren in der Renaissance Must-haves.

Ohne wallender Perücke und Spitzenkragen auf der Schulter konnten sich die majestätischen Herrschaften des 17. Jahrhunderts ihren respektablen Auftritt nicht vorstellen.

Eine dezente Männermode, die den Damen das Rampenlicht überließ, setzte sich erst später durch. Zwischen dem 19. Jahrhundert und dem 20. Jahrhundert kamen Anzüge auf, die mit Blick auf die Tageszeit und den Anlass sehr unterschiedlich charakterisiert waren.

Danach ereignete sich etwas sehr Merkwürdiges: Die Jeans rebellierte gegen das Biedere und ebnete den Weg für den Individualismus in geblümten Schlaghosen, um kurz darauf zur kollektiven Einheitsmode jenseits des Büros zu verkümmern.

Selbstverständlich bestätigen auch bei der Mode die Ausnahmen die Regel, die jedoch schnell als Paradiesvögel belächelt werden. Obskur.

 

Relaunch der einfallsreichen Männermode

Der Streifzug durch die textile Historie ist inspirierend und entlarvt: Das modische Interesse des Mannes ist alles andere als neu. Vielmehr ereignete sich eine Pause, an der die Modeschöpfer nicht ganz unschuldig sind.

Über einen unendlich anmutenden Zeitraum wurden Männer mit einem Meer an Karo-Hemden konfrontiert, wenn sie sich nicht der Punk-Szene, Biker-Gang oder dem Rotlicht-Milieu verpflichten wollten. Vielleicht hatte die Aversion gegen ausgedehnte Shopping-Streifzüge eher etwas mit der gähnenden Langeweile zu tun, die sich in der Herrenetage des Kaufhauses breit machte.

Umso positiver sind die aktuellen Tendenzen: Labels und Jungdesigner aus allen Winkeln der Welt stellen tragbare Kollektionen vor, die Männern Spaß machen. Schlichte Designideen in gedeckten Farben haben noch immer die Nase vorn, treten aber deutlich individueller und mutiger auf.

Sogar der Freizeitanzug kommt aus dem biederen Schubladen-Denken heraus und erobert mit ausgefallenen Dessins oder Materialkombinationen das Herz junger Männer.

Die Auswahl ist riesig und die modische Freiheit nimmt rapide zu. Nicht immer harmoniert das Pensum an möglichen Looks mit dem persönlichen Wissensstand zur textilen Selbstdarstellung.

So mahnt beispielsweise der Fashion-Guru Guido Maria Kretschmer zur Vorsicht: „Innerhalb der Freiheit, die Mode einem gibt, muss man aufpassen, dass man keine Versprechen gibt, die man nicht einhalten kann.“

Wer angesichts der neuen Vielfalt seinen authentischen Style entwickeln möchte, benötigt bisweilen etwas Assistenz.

Inspirationen bieten die Serviceseiten renommierter Herrenausstatter, einige Lifestyle-Blätter für Männer oder einschlägige Blogs wie themoderngentleman.de, die verdeutlichen: Kleider allein machen keine Leute. Erst wenn das fesche Setting mit dem persönlichen Sinn für Stil und der favorisierten Lebensart harmoniert, wird ein Schuh draus.

 

Bild: Sara Cimino unter cc-by-sa 2.0