Matthias Starte Heiland

Matthias Starte: „Ich musste entscheiden: Verwirklichung oder Beziehung“

Von Juliane Becker und Philipp Pander

Matthias Starte sieht entspannt aus, als er in den Innenhof unserer „Schreinerei“ spaziert. Kein Wunder, der 31-Jährige kennt sich hier ja aus. Er hat hier mit uns bei unzähligen Redaktionssitzungen über Beziehungsthemen der Gen-Y diskutiert, viel daran gesetzt, mit uns seine Liebe zu Questlove von den Roots zu teilen und nicht zuletzt mit dem ZEITjUNG-Squad diverse Flaschen Wein und Heiland geleert. Aber heute ist doch alles ein bisschen anders. Heute geht es nicht um die Themenfindung für seine Liebeskolumne auf ZEITjUNG. Denn der Regisseur und Drehbuchautor Matthias Starte hat einen Film gemacht, der ab Donnerstag deutschlandweit in den Kinos läuft. Seinen ersten großen Kinofilm. „Nirgendwo“. Ein unaufgeregter, authentischer Film über die großen Fragen des Erwachsenwerdens. Daheim bleiben oder wegziehen. Familiengründung oder Unabhängigkeit. Handfester Job oder Selbstverwirklichung. Und die Frage, wie man all das mit der Liebe in Einklang bringt. Hochkarätig besetzt mit den Filetstücken der deutschen Jungschauspieler (Ludwig Trepte, Saskia Rosendahl, Jella Haase, Ben Münchow, Amelie Kiefer, Dennis Mojen und Frederick Götz). Gut möglich, dass man künftig sagen wird, dass „Nirgendwo“ das filmische Porträt unserer Generation ist.

Matthias Starte kommt aus Twistringen. Einem Nest im tiefsten Niedersachsen, etwa 20 Autominuten von Bremen entfernt. Für sein Filmstudium an der MHMK wurde er vor Jahren zum Wahl-Münchner. Er redet zwar häufig davon, zurück in den Norden ziehen zu wollen, wieder in die Nähe zum Meer. Doch eigentlich gefällt es ihm hier in der nördlichsten Stadt Italiens schon brutal gut. Und nun treffen wir uns also hier bei uns, um über sein Kino-Debüt zu sprechen. Auch für uns etwas surreal. Welch große Bedeutung dieser epische Meilenstein für Matthias haben muss, lässt sich erahnen, wenn man sich vorstellt, dass er rund fünf Jahre Arbeit in „Nirgendwo“ gesteckt hat, die nun ein Ende finden. Und diese Zufriedenheit lesen wir aus seinem Gesicht, als wir es uns im Wohnzimmer der Schreinerei bequem machen, das Fläschchen Heiland öffnen und mit dem Interview beginnen.

 

ZEITjUNG: Wie fühlt es sich für dich an, plötzlich derjenige zu sein, der hinter den Kulissen hervortritt?

Matthias Starte: Klar, dass das dazugehört. Ich hatte immer Angst, vor der Kamera zu stehen, deswegen war für mich immer klar, hinter ihr zu bleiben. Schauspielerei ist etwas, was ich total respektiere, allein aus dem Grund, dass ich es nicht kann. Nach allen mehr oder weniger erzwungenen Versuchen, zum Beispiel während des Studiums, als ich einen Schauspielkurs machen musste… Matthias grinst verschmitzt. …bei dem ich zum Glück nach der Hälfte krank war. Ich wusste einfach, dass ich es auch nicht gerne mache. Das erste Interview, das ich gegeben habe, war nach meinem ersten Kurzfilm. Als ich da rausgegangen bin, haben schon Kommilitonen von mir draußen gewartet und wollten mir Fragen vor der Kamera stellen. Ich habe aber krass versagt! Nur gestammelt, konnte nicht aufhören in die Kamera zu gucken, ich habe sie nur als Bedrohung wahrgenommen. Zum Glück haben sie mich am Ende nicht reingeschnitten. Darüber war ich echt froh, auch wenn sich von da an eine Angst für die gesamte Zukunft in mir breit gemacht hat. Jetzt ist das aber nicht mehr so.

Wie sehr ist bei dir schon angekommen, dass der Kinostart bevorsteht, nachdem du die letzten fünf Jahre so viel Arbeit in dein das wichtigste Projekt deines Lebens gesteckt hast?

Es ist definitiv noch nicht angekommen, es fühlt sich immer noch so ein bisschen nach „Ich kann’s nicht glauben“ an. Das Ding ist, ich bin froh, weil alles geklappt hat. Als der Trailer rauskam, war ich das erste Mal richtig schockiert, weil er jetzt aus unserer Blase im Team raus war und im Internet lief. Das hieß: Ab jetzt stehe ich in der Schusslinie und oh shit, ab jetzt bilden Leute sich ein Urteil. Als ich die YouTube-Kommentare durchgelesen habe, fand ich es aber witzig. Auch dadurch kann ich jetzt besser mit Kritik umgehen. Ich habe das geschafft, was ich schaffen wollte, ich habe diesen Punkt in meinem Leben abgehakt. In Zukunft möchte ich mit meinen Filmen Geld verdienen, und ich hoffe, dass ich das bald meinen Job nennen kann.