Ronja von Rönne

Neuer Feminismus: Zwischen Ekel und Rebellion

Von Jan Karon

In einem Essay des WELT-Feuilletons schrieb Autorin Ronja von Rönne, dass Feminismus sie anekele. Er rieche nach Vorteilsbeschaffung und sei so antiquiert wie das Wort „Bandsalat“. Daraufhin wurde ihr Artikel vom „Ring Nationaler Frauen“ geteilt, sie selbst zum Opfer eines riesigen Shitstorms, der in Morddrohungen gipfelte.

Es fällt nicht schwer, Ronja von Rönne schlecht zu finden: Als bildhübsches Modell und scharfsinnige Autorin scheint ihr die Welt zu Füßen zu liegen. So eine nimmt sich das Recht heraus, den emsig geführten Kampf für Frauenrechte mit einem rotzfrechen Aufsatz niederzuschreiben?

 

 

Mit Anfang 20 im Feuilleton der Welt, das imponiert, und beim Bachmann-Wettbewerb ironische Popliteratur vorlesen, da nickt der beherzte Medienkonsument. Jung, hübsch, gebildet, erfolgreich – wenn man ihren Essay nicht kennen würde, hätte von Rönne glatt das Zeug, das Aushängeschild des hiesigen Feminismus zu werden.

 

Neuer Feminismus mit alten Ideen

 

Zu diesem Aushängeschild ist indes Laurie Penny avanciert. Ekel vor dem Feminismus? Mitnichten. Im Februar publizierte Penny ihren fünften Roman, der den Namen „Unsagbare Dinge – Sex, Lügen und Revolution“ trägt. Diesen Sommer folgte eine Lesetour queer durch Deutschland. Im deutschen Feuilleton war Laurie Penny ein Dauergast, so etwas wie die nach Jahren zurückgekehrte Tochter, diese rebellische, junge Britin, die den Kampf für Frauenrechte viel schmackhafter erklärt als unsere Alice hierzulande.

Bei ihren Lesungen tauchten Aberhunderte interessierter, junger Deutscher auf, standen hoffnungsvoll in Schlangen vor den Eventlocations. In ihrer Jugend war Laurie Penny magersüchtig, dazu steht sie. Heute sagt sie Dinge wie: „Ich fühle mich ausgebrannt. Seit sieben Jahren arbeite ich rund um die Uhr.“

Ausgebrannt ist Laurie Penny, weil Laurie Penny rund um die Uhr schreibt – als Journalistin, Bloggerin und Autorin. Ihre Ausführungen sind deshalb so beliebt, weil sie feministische Ansichten mit Kapitalismuskritik vermengt. Ein oft zitierter Satz von Laurie Penny ist: „Öffentliche Karrierefeministinnen sind sehr beschäftigt, mehr Frauen in Vorstände zu bringen. Dabei besteht das Problem darin, dass es zu viele Vorstandszimmer gibt, die nicht brennen.“ Diese systemkritische Haltung nennt sie selbst „neuen Feminismus mit alten Ideen“.

 

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Zwei Seiten der gleichen Medaille

 

Sowohl Laurie Penny als auch Ronja von Rönne stehen sozialen Netzwerken skeptisch gegenüber. In ihrer Streichtschrift erklärte Ronja von Rönne: „Frauenrechte sind zur Performance geworden, Entrüstung zu Hashtags.“ Laurie Penny bemängelt indes: „Dann werden wir zu Feministinnen und das Spiel geht wieder von vorne los: Wer ist die radikalste Feministin? Wer hat die meisten Follower, wer die größte Auflage?“. Vielleicht hält der neue Feminismus keinen #aufschrei bereit, sondern definiert sich durch publizistische Meinungsbeiträge unabhängiger junger Frauen.

Als Außenstehender ist es interessant zu beobachten, wie zwei so verschiedene Stimmen in der aktuellen Feminismusdebatte eigentlich gar nicht so verschieden sind: junge, emanzipierte Autorinnen, die sich durch schriftstellerische und meinungsbildende Ausdrucksformen Gehör verschaffen. Sie sind auf sozialen Medien vertreten, aber keine Berufstwitterer. Sie sind meinungsstark, aber streitbar. Ihr Dasein, ihre Popularität, alleine die Tatsache, dass über sie debattiert wird, ist doch eigentlich schon als Erfolg des Feminismus zu werten.

 

Die Standortbestimmung des heutigen Feminismus

 

Vielleicht sind Ronja von Rönne und Laurie Penny zwei Seiten der gleichen Feminismus-Medaille: Während die eine sich eine davon abwendet, spitzt die andere den Kampf dafür zu. Für eine Standortbestimmung des heutigen Feminismus sind beide gleichermaßen relevant.

Hätte Laurie Penny von den Anfeindungen gegenüber Ronja von Rönne erfahren, hätte sie ihr übrigens geraten: „Wenn du klein beigibst, haben die Trolle gewonnen. Die Trolle wollen die Debatte abbrechen. Sie wollen, dass Frauen die Klappe halten.“ Knapp drei Monate nach dem Debattenbeitrag in der WELT fuhr Ronja von Rönne als Autorin zum Ingeborg-Bachmann-Preis nach Klagenfurt. Sie las dort Kurzprosa, die „Welt am Sonntag“ betitelt war. Für 2016 ist ihr Buch beim Aufbau-Verlag angekündigt. Der Kampf geht weiter – ohne Hashtags, dafür mit Buchpublikationen.

 

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Bildquelle: Ronja von Rönne/Twitter