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Ein Nachmittag mit Saskia Rosendahl: „Man ist oft am emotionalen Limit.“

Die Saskia Rosendahl ist zu Besuch in München. Es ist Sonntag. Wohl einer der letzten wirklich T-Shirt-warmen Sonntage in diesem Jahr. Wir holen die Schauspielerin in einem Laden bei uns ums Eck ab, schlendern in den sonnengefluteten Innenhof unserer „Schreinerei„. Saskia wirkt entspannt, ist gut gelaunt. Wüsste man es nicht, würde man auf keinen Fall ahnen, dass es sich hier gerade eine der momentan gefeiertsten deutschen Jung-Schauspielerinnen bei Kaffee und einem Stück Himbeerkuchen bei uns bequem macht. Auf unserer alten Ledercouch unter dem Vordach im Innenhof. So unprätentiös und unaufgeregt wie die 23-Jährige unterwegs ist.

Aktuell ist Saskia Rosendahl in der weiblichen Hauptrolle im Gen-Y-Film „Nirgendwo“ zu sehen. Dem Kino-Debüt unseres Kolumnisten Matthias Starte, das aktuell deutschlandweit in den Kinos läuft. Für Saskia ein Herzensprojekt. Aufgewachsen in Halle in Sachsen-Anhalt, wo sie vor allem viel Impro-Theater spielte, ging es für sie vor ein paar Jahren plötzlich ganz schön schnell. Nachdem ihr „Für Elise“ das Kino-Debüt bescherte, katapultierte sie nur kurz darauf die Hauptrolle im international produzierten Anti-Kriegsdrama „Lore“ ins Rampenlicht und in den Fokus der Cineasten. Der Film wurde als australischer Beitrag bei den Oscars 2013 eingereicht. Die damals noch nicht einmal 20-Jährige wurde mit nationalen wie internationalen Preisen überhäuft, die „Variety“ feierte sie als „aufregendes deutsches Talent“. Es folgten schnell weitere Kino-Rollen wie in „Wir sind jung. Wir sind stark.“ und „Wild“. Und erst kürzlich erhielt sie den nächsten Ritterschlag: German Films, eine Institution in der Beratung für den Export deutscher Filme, adelte Saskia mit einem Platz unter den aktuell sechs einflussreichsten, jungen, deutschen Schauspielerinnen.

Vereinzelt ziehen nun dunkle Wolken über den Innenhof. Matthias ist auch mitgekommen. Um Fotos zu machen. Seit „Nirgendwo“ verbindet die beiden eine gute Freundschaft. Schon bevor das Aufnahmegerät läuft, drohen wir drei, uns ziemlich zu verquatschen: über unsere Sommerurlaube, München als Wohnort und so weiter… Ein Kaffeekränzchen halt. Mit ihrem München-Besuch schließt sich für Saskia nun ein Kreis. Ziemlich genau ein Jahr ist es her, dass sie für den Dreh hier eine ganze Zeit lang lebte. Ich schalte das Aufnahmegerät an…

Wie ist es für dich nun nach dem Dreh im vergangenen Jahr nach München zurück zu kommen?

Ich bin ja nicht so oft in München. Als ich am Hauptbahnhof angekommen bin, hatte ich einen Flashback. Ich erinnerte mich daran, wie es war, als wir uns vergangenes Jahr dort nach dem Dreh verabschiedet haben. Es ist abgefahren, wie sehr ich diese Stadt mit „Nirgendwo“ verbinde. Mit dieser ganzen Zeit. Mit der Musik, die ich damals gehört habe. Der Wohnung, in der ich gewohnt habe. Die Ecken, in denen man unterwegs war. Das fühlt sich stärker an, als ich gedacht hätte. Und ich hatte das in der Form bei noch nicht vielen Filmen. Daran merke ich zum Beispiel wie intensiv das Dreh-Erlebnis war.

Wie fühlt sich das für dich an?

Es ist verrückt, zu merken, dass das Ganze schon ein Jahr her ist und ich mittlerweile selbst an einem ganz anderen Punkt in meinem Leben bin. Und ich erinnere mich, wie ich mich damals gefühlt habe. Damals war ich meiner Rolle als „Susu“ viel näher, als ich es heute bin. Das Witzige ist, dass ich ja schon weit vor Drehbeginn von meiner Besetzung wusste und mich dementsprechend darauf vorbereiten konnte. Aber genau zum Zeitpunkt des Drehs war ich in einer Lebensphase, die meiner Rolle in dem gesamten Zeitraum am nächsten war. Genau zu Drehbeginn gab es plötzlich immer mehr Parallelen.

Der Haupt-Cast von „Nirgendwo“ ist ungefähr in einem Alter. Ein Haufen mega-talentierter Nachwuchsschauspieler. Wie war das für euch selbst?

Das war das Geilste. Die Dynamik ist eine ganz andere, als wenn man mit erwachseneren Darstellern spielt. Das Teamgefühl war sofort da und wir haben auch privat unsere Freizeit rund um den Dreh miteinander verbracht. Auch nach Drehschluss haben wir uns über die Geschichte des Films unterhalten, weil wir so nah an ihr dran waren, selbst so viel davon erleben.

Saskia Rosendahl, Ludwig Trepte (m.) und Matthias Starte am Set von „Nirgendwo“. Foto: Max Seibert

Wie viele Seiten von dir siehst du denn selbst im Film wieder?

Die Charaktere in „Nirgendwo“ sind sehr unterschiedlich. Vor allem auf ihrer Suche nach Sicherheit. Und ich glaube, dass ich schon aus allen zusammen schon mich basteln könnte.

Und welche Seite von „Susu“ entspricht dir privat am meisten?

Saskia zögert, überlegt: Ich weiß nicht; möchte ich das erzählen? Ihr Blick wandert in Richtung Himmel, der langsam seine Schleusen öffnet. Es beginnt zu regnen. Saskia grinst: Warum nicht… Der Spätsommer-Regen prasselt auf das Vordach.

Am meisten kann ich mich mit ihrem Gefühl identifizieren, sich an einem bestimmten Punkt für die Liebe zurückzunehmen. Oder auch: Einen Teil von sich irgendwann einfach gehen lassen zu müssen, weil es besser ist.

Saskias Blick schweift suchend wieder in Richtung Himmel. Die Sonne kämpft sich wieder durch die Regenwolken. Boah, hier muss irgendwo bestimmt ein krasser Regenbogen sein.

Für dich war es bislang ein bewegtes Jahr. Du bist von deiner Heimatstadt nach Berlin gezogen…

…ich hatte schon direkt nach dem Dreh keine Wohnung mehr, weil ich sie währenddessen aufgegeben habe. Ein halbes Jahr hatte ich erstmal keine Wohnung.

Wie kam’s?

Das war eine Reaktion auf den Winter davor. Mein Zuhause wurde für mich immer mehr zu einem Loch, das mich verschluckte. Dagegen wollte ich etwas unternehmen und dachte, das wäre schlau, um in Bewegung zu bleiben.

Und wie sah das dann in der Praxis aus?

Ich habe die Wohnung einfach gekündigt, konnte das Gröbste wie Klamotten bei meiner Omi lagern und hatte da meine Base. Dort wollte ich aber auch nicht auf der Stelle treten, sondern wollte einfach los. Und dann habe ich erst einmal einen Monat in Barcelona gelebt. Danach war ich in Marokko. Es hat voll funktioniert. Aber dann kam ich wieder an den Punkt, mich ausbreiten, es mir gemütlich machen zu wollen und habe mir eine Wohnung in Berlin gesucht.

Wie oft bist du seither daheim in Halle?

So oft ich kann. Halle ist seither wieder viel mehr mein Zuhause geworden. Es tut richtig gut.

Saskia Rosendahl im Gespräch mit ZJ-Chefredakteur Philipp Pander im Innenhof der „Schreinerei“. Foto: Matthias Starte

Viele hier in unserer Generation können sich aussuchen, wo sie wohnen möchten. Man kann sich sehr einfach verändern. Wie sehr prägt das in deinen Augen unsere Generation?

Es konfrontiert dich immer mit der Frage, was du willst…

…die Qual der Wahl?

Ja, genau. Das erzeugt schnell eine Überforderung, eine Lähmung. Bei mir stelle ich das nicht so fest. Aber ich habe viele Freunde, bei denen ich das sehe. Bei all der Freiheit ist auch mehr Schein dabei, als auf den ersten Blick klar wird. Denn auf uns lastet schon eine extreme Erwartungshaltung von außen.

Wobei ich schon das Gefühl habe, dass unsere Eltern uns sehr viel Selbstbestimmung, was unsere Zukunft betrifft, überlassen haben. Nun ist die Schauspielerei ja kein einfaches Berufsfeld. Es kann mitunter sehr extrem zugehen. Nur wenige Schauspieler werden erfolgreich. Wie haben deine Eltern auf deinen Berufswunsch reagiert?

Ich glaube, die haben dazu bislang noch gar nicht so richtig Stellung beziehen können, weil es erst seit kurzer Zeit mein formuliertes Berufsziel ist. Es ist mir tatsächlich einfach passiert. Ich durfte einen wunderbaren Film machen. Klar, war bei ihnen diese Sorge da und die Frage, ob ich nicht etwas Handfestes machen könne. Aber sie haben dann gesehen, dass ich mich damit finanzieren kann, ich glücklich damit bin und es funktioniert.

Du sprichst von deinem ersten Film „Lore“. Der hat dich sofort ins Rampenlicht katapultiert. Du hast Preise gewonnen, wurdest gefeiert, warst auf einen Schlag im Blitzlichtgewitter. Viele junge Menschen heben in solch einer Situation ab. Wie hast du es geschafft, bei dir zu bleiben?

Ich habe das Glück, schon immer von Menschen umgeben zu sein, die sehr echt sind. Die interessiert sowas gar nicht. Mit meiner besten Freundin spreche ich zum Beispiel selten über Film-Themen. Wenn ich bei diesen Menschen bin, werde ich sofort daran erinnert, was wirklich wichtig ist im Leben. Das sind eben nicht solch oberflächliche Dinge…

Was ist dir denn wichtig?

Tanz ist mir zum Beispiel extrem wichtig. Ich weiß, dass ich irgendwann Mama werden will. Dass ich auch deshalb so gerne Frau bin. Menschen sind mir wichtig, soziale Beziehungen.

Saskia Rosendahl im Interview. Fotos: Matthias Starte

Du hattest mal den Wunsch, Hebamme zu werden. Wie präsent ist dieser Wunsch noch?

So präsent, dass ich eine Hebammen-Ausbildung anfangen würde, wenn ich nicht mehr drehen könnte.

Du hast sogar schon mal ein Hebammen-Praktikum gemacht. War das vor oder schon während deiner Zeit als Schauspielerin?

Da war ich schon Schauspielerin. Ich habe das Praktikum in Halle gemacht. Dort habe ich zwar keine Geburt miterlebt, aber ich war bei den Vor- und Nachuntersuchungen dabei. Das war schon krass, weil da so unterschiedliche Frauen saßen, die ganz verschieden mit der Situation umgegangen sind. Und in Uganda habe ich 2014 daraufhin eine Woche auf einer Geburtsstation gearbeitet. Dort war ich dann auch bei Geburten dabei. Wenn ich über das Leben erzählen möchte, muss ich auch leben. Und das ist Input für mich, der geerdeter nicht sein könnte.

Meinst du, man wird in der Filmbranche schneller erwachsen?

Das kommt, denke ich, ganz auf jeden individuell an.

Wie ist es bei dir?

Ich denke schon, dass ich viele Schritte schneller gemacht habe. Die Schauspielerei konfrontiert dich stark mit dir selbst. Man lernt sich sehr gut kennen. Man lernt die unterschiedlichsten Menschen kennen und ist oft am emotionalen Limit.

Hier erfährst du, in welchem Kino bei dir um die Ecke „Nirgendwo“ läuft.