Stephan simplifiziert: CETA und TTIP

Das Leben ist kompliziert genug. Unser Autor Stephan macht es euch einfacher und erklärt von nun an regelmäßig, was in Sachen Politik und Weltgeschehen so abgeht und was wirklich hinter komplexen Fachbegriffen, undurchsichtigen Strukturen und verflochtenen Politika steckt.

Dieses Mal:  CETA und TTIP

 

Wie verdienen wir Menschen eigentlich das Geld, mit dem wir unsere Mieten und unser Essen bezahlen, um mal die wichtigsten Dinge zu nennen? Im Prinzip immer so: wir kaufen einen Rohstoff ein, verarbeiten ihn mit den Fähigkeiten, die wir in unserem Beruf gelernt haben weiter, fügen noch andere Rohstoffe hinzu und fertigen damit ein neues Produkt, das wir für mehr Geld verkaufen, als unsere Rohstoffe gekostet haben. Das gilt fürs Mehl, aus dem die Bäckerei Brot backt, über den Stahl und all die anderen Teile, aus denen ein Auto wird, bis zum Grundstück und den Steinen, Fenstern und Ziegeln, aus denen eine Wohnung wird. So weit, so bekannt und allgemein Handel genannt. Für diesen Handel gibt es gewisse Regeln, an die sich alle halten müssen, also Gesetze. Dann ist für alle klar, innerhalb welcher Grenzen man sich beim Handeln bewegen kann. Wenn man zum Beispiel ein Windows Phone bestellt und stattdessen ein iPhone geliefert bekommt, kann man sich beim Händler beschweren und – falls der nicht auf die Beschwerde eingeht – notfalls vor Gericht gehen, um doch das richtige Produkt, also das, was man bestellt hat, zu bekommen. So ist sichergestellt, dass die Gesetze, die gelten, auch befolgt werden.

 

Grundkurs: Bauchladen

 

Aber klar, in unterschiedlichen Regionen gibt es unterschiedliche Regeln und Gesetze. Schließlich entwickeln sich die Gesetze und das Gefühl dafür, was Recht und was Unrecht ist, in jeder Gesellschaft mit der Zeit immer weiter. Wenn man jetzt zwischen zwei unterschiedlichen Gesellschaften handeln will, braucht es Regeln, die über den beiden Einzelregeln stehen, die aber trotzdem von beiden Seiten akzeptiert werden. Regeln, die die verschiedenen Rechtsauffassungen miteinander in Einklang bringen. Genau so eine übergeordnete Regel soll mit dem Freihandelsabkommen CETA zwischen der EU und Kanada ausgehandelt werden. Und ein weiteres übergeordnetes Gesetz namens TTIP zwischen der EU und den USA.

 

TTIP und CETA: Gesetze zur Vereinfachung

 

Das ist an sich eine gute Sache, denn dadurch wird der Handel zwischen Ländern mit unterschiedlichen Gesetzen viel einfacher, weil man dann nicht mehr zwei (oder noch mehr, wenn man seine Produkte in mehr als ein Land exportiert) Gesetzeslagen kennen muss, sondern nur noch eine, an der sich beide orientieren können. Das spart – stark vereinfacht gesagt – schon mal 50% des Aufwands für die teure Rechtsabteilung. Ein Beispiel sind Gesetze zur Normierung, also zum Beispiel über Gewichtseinheiten. Wenn der eine Händler sein Mehl in 5kg-Säcken verpackt und verkauft und der auf der anderen Seite der Grenze seine in 10-Pfund-Säcken, dann entsteht hier ein Gewichtsunterschied von 0,46kg, obwohl ja beide Müller runde Zahlen für ihre Region verwendet haben. Da muss man, um im anderen Land verkaufen zu können, schon mal eine extra Waage kaufen, um für die ortsüblichen Gewichte richtig produzieren zu können. Komplizierter wird es, wenn ein Land Zollgebühren für das Importieren von Mehlsäcken erhebt. Dadurch steigt der Preis in dem Land, das die Gebühren erhebt für das fremde Mehl. Der ausländische Händler, bzw. Investor, wird höchstwahrscheinlich weniger verkaufen können, als geplant. Noch komplexer wird es, wenn die Länder auch noch unterschiedliche Währungen haben. Dann ändert sich täglich mehrmals der Wechselkurs, zu dem gehandelt wird. Manchmal wird das Mehl also noch teurer, es kann aber auch trotz Zoll billiger werden. Dieses Geschiss hatten wir in Deutschland auch über Jahrhunderte und erst im 19. Jahrhundert wurde es langsam abgeschafft, sodass man als Müller zwischen den einzelnen Fürsten- und Herzogtümern und Königreichen nichts von den oben beschriebenen Beschränkungen mehr auf sich nehmen musste.

Der Handel wurde auf diese Art liberalisiert, also frei gemacht von den beschriebenen Beschränkungen. Im Prinzip geht es genau darum auch bei CETA und TTIP, wenn natürlich der gesamte Handel zwischen den Regionen neu geregelt werden soll. So argumentieren auch die Befürworter, dass die Liberalisierung des Handels den Menschen geholfen hat, dass man keinen Zoll zahlen und Einheiten umrechnen musste, wenn man sein Mehl von München nach Stuttgart verkauft hat. Warum aber regt sich dagegen so viel Widerstand? Warum sind am Wochenende – je nach Quelle – 200.000 bis 300.000 Menschen auf die Straßen gegangen, um gegen den Abschluss der Verträge CETA und TTIP zu demonstrieren?