Thirtysomething: #7

Von Melanie Christina Mohr

Die Generation Y: Wir kaufen nur Bio, sind überakademisiert, rotten uns in Hipster-Vierteln zusammen und sitzen angeblich lieber im Café statt im Büro. Stimmt das? Was uns ausmacht, vereint und unterscheidet, darum geht’s hier.

Im trendigen East London hat letzte Woche ein neues Café eröffnet. Aber statt die Kundschaft, wie üblich in der Szene, mit schneidigen Baristas und dem immer gleich daher kommenden Kaffeeschaumgekritzel zu langweilen, haben Gary und Alan (Mitte Dreißig, Bart) nach einer durchzechten Nacht den ultimativen Masterplan entwickelt: Statt Kaffee gibt es nur noch Milch, und die Bohne wird durch lecker Frühstücksflocken ersetzt. Das Ergebnis nennt sich Cereal Killer. Der Laden im Herzen von Britain’s Hipster Mekka konzentriert aber nicht nur das Kernproblem einer ganzen Generation – wer kann sich bitte zwischen hundertdreißig Cerealien und dreißig Milchvariationen entscheiden? – er setzt besonders auf den Coolness-Faktor, der mit jeder Krsipipop-Schüssel, in der kleine Marshmallow-Stücke herumschwimmen, verkauft werden soll.

 

Salonfähige Fetishhops

 

Das sind sie also die Läden, in denen wir uns wohlfühlen. Sie kommen etwas anders daher, reizen durch inszenierte Imperfektion, übertrumpfen einander mit schrägen Ideen und alternativen Konsumkonzepten. Das Publikum, Mitte Zwanzig bis Ende Dreißig, fährt darauf ab und lässt sich den salonfähigen Fetisch auch gerne etwas kosten. Das Angebot ist nahezu grenzenlos, bedient wird alles zwischen Katzenobsession und Farmträumereien. Früher wurde an gleicher Stelle viel geraucht und statt sich mit penetrant temperierter Milch zu beschäftigen, hat die Kellnerin (rudimentär, schon fast abhanden gekommene Form des heutigen Barista) zweimal Schwarz mit vier Stück Zucker serviert.

 

Brauchen wir das wirklich?

 

Die Frage, die wir uns stellen sollten, ist: Brauchen wir das wirklich? Sollten wir nicht angesichts (Achtung, Unwort!) all der Krisen um uns herum wieder mehr rauchen, bitteren Kaffee trinken und uns an unseren politischen Gedanken statt an fremden Katzen reiben wollen? Wäre es nicht die Sache wert, statt über Selfies mit der fünften Fakebrille, über andere Sichtweisen zu grübeln? Sich selbst zu feiern ist wichtig, aber vielleicht sollte davon am Ende mehr übrig bleiben als ein Pappbecher, auf den der eigene Name vom hopsten Barista aus dem hipsten Cafe geschmiert wurde.

 

https://www.youtube.com/watch?v=lCUtMNcr6ps

Melanie Christina Mohr ist Autorin. Sie schreibt Kinder- und Kurzgeschichten, Texte über Religion, Gesellschaft und Kultur und arbeitet am ersten eigenen Roman. Sie hat in Bonn und London Persisch und Literatur studiert, zeichnet gerne Gedanken und fotografiert Details.

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Bildquelle: Marlam Marle unter CC BY-SA 2.0.