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Türkei-Referendum: Auf eine Tasse Tee mit einem Erdogan-Anhänger

Die Saglams sind stolz, es geschafft zu haben

 

Alpay, schwarzes Haar mit grauen Stellen, volle Lippen, eine große Nase, trägt Hemd und Jeans. Er sieht ein wenig aus wie Cem Özdemir, nur seine Statur ist eine andere. Er spricht langsam, aber in klarem Deutsch, dessen Akzent zwar hörbar ist, aber nur ganz leicht. Sein R rollt ein wenig, so wie bei seinem Sohn, den ich 2013 kennengelernt habe und der seitdem kein Freund, aber ein geschätzter Bekannter ist. Als ich Özi, der eigentlich Özcan heißt, bei WhatsApp schrieb, ob er sich vorstellen können, dass seine Eltern mit mir über Erdogan reden würden, antwortete er, er könne nichts versprechen, würde aber fragen. Dass sein Vater Erdogan wählt, weiß ich von Özi selbst, mit dem ich 2014 über die Parlamentswahlen gesprochen hatte.

Nun, mit einer Tasse Tee vor mir, in einem gemütlichen Wohnzimmer mit riesigem Flatscreen und zwei großen Pflanzen, weiß ich, dass Alpay nur zugesagt hatte, weil sein Sohn ihm aus Versehen falsche Informationen über den Hauptgrund des Gesprächs gegeben hatte. Dennoch beginnt er, auf meine Fragen zu antworten, legt nach ein paar Minuten auch seine abwehrende Haltung ab. Er erzählt mir zunächst die Geschichte seiner selbst und seiner Ehefrau. Zunächst kamen sie nach Essen, zwei Jahre später schließlich nach München, wo Freunde der Eltern lebten. Alpay ist einer, der sich nach oben gearbeitet hat, einer, der hart dafür geschuftet hat, dass es der Familie gut geht, dass er beiden Kindern ein Studium finanzieren kann. Er arbeitet als Aufzugsmonteur, hat heute drei Mitarbeiter. Er verdient gutes Geld, weil „viele Aufzüge heute Wartungen brauchen“.

Er spricht gut Deutsch, seine Frau, die Kopftuch trägt, nicht ganz so gut wie ihr Mann, aber auch sie verwendet in ihren Sätzen Vokabeln wie „Nichtsdestotrotz“, „Warnhinweis“ oder „Studiengebühren“. Den Saglams geht es gut, Alpay hat so viele Aufträge wie nie, beide Kinder studieren. Die Familie ist gut integriert, Özi spielt im Verein Fußball, die Tochter zeigt sich auf Facebook mit Freundinnen beim Feiern oder beim Skifahren in der Schweiz. Alle vier lieben Deutschland, loben den Sozialstaat, die Ordnung, die Politik. Und dennoch haben sowohl Alpay als auch Esen beim Referendum für Recep Tayyip Erdogan gestimmt, für die Änderung der Verfassung, für mehr Macht eines Mannes, der die Todesstrafe wieder einführen will, die Pressefreiheit mit Füßen tritt und wie ein Diktator ein Land nach seinen Vorstellungen gestaltet. Warum nur?

 

Enttäuscht von den Deutschen und der Politik

 

Es dauert eine ganze Weile, bis wir beim eigentlichen Sinn des Treffens angekommen sind. Es ist Esen, die den Anstoß dafür gibt, obwohl sie bisher nicht viel gesagt hatte. „Was mich schon stört, ist, dass ich von Leuten angesehen werden, wenn ich mein Kopftuch trage“, sagt sie. Alpay daneben nickt. Ob sie sich denn akzeptiert fühlten, will ich wissen. „Wir wurden in Deutschland sehr gut aufgenommen, man war immer nett zu uns“, sagt Alpay, „aber es gibt schon Momente, in denen wir uns fremd fühlen. Gerade in den letzten Monaten, in denen so viel passiert ist und in ganz Europa Veränderungen passieren.“

Alpay erzählt, wie mit ihnen bei Ämtern gesprochen werde als wären sie Kinder. Wie seine Frau in der Innenstadt von zwei Männern beleidigt wurde, wie allein der türkische Name ausreiche, dass einige sich anders verhalten würde als gegenüber Deutschen. Er erzählt, dass viele ihr Verhalten geändert hätten, seit so viele Flüchtlinge im Land seien. „Die verhalten sich teilweise sehr schlecht“, sagt er. „Sie kommen hierher und tun nichts dafür. Ich habe immer gearbeitet, wollte Deutsch lernen. Die denken, sie können tun und lassen, was sie wollen. Das geht nicht. Seitdem werden auch Türken oder Italiener wieder öfter angesehen.“

Man hört die Enttäuschung in seiner Stimme. Die Enttäuschung eines Mannes, der es zu etwas gebracht hat, der stolz ist, dass beide Kinder studieren. Der stolz ist, es geschafft zu haben. Von ganz unten zu geachteten Bürgern, die Steuern bezahlen und akzeptierte Mitglieder der Gesellschaft sind. Er ist enttäuscht von einigen Deutschen, noch mehr aber von der Politik, in der fast nie ein Wort davon sei, wie gut die Integration derjenigen verlaufen sei, die bereits seit Jahren hier leben. „Es werden viele Immigranten als eine Masse von schwierigen Menschen gesehen“, sagt er.