Wahl in den Niederlanden: Die Jungen und der Rechtspopulismus

Auch wenn Wilders zuletzt in den Prognosen stark an Boden verlor, ist alleine die Tatsache, dass er bei den Werten zwischen 15 und 20 Prozent liegt, und seine Partij voor de Vrijheid stärkste Kraft werden könnte, ein Schlag ins Gesicht der mitteleuropäischen Demokratie und der in ihr verankert geglaubten Wertegemeinschaft. Und überhaupt: Nach Brexit und Trump ist das Vertrauen in Umfragewerte, das Es-wird-schon-gut-Gehen, ohnehin verloren gegangen.

Was noch besorgniserregender an der Tatsache ist, dass in den Niederlanden, der Bastion von Demokratie und Freiheit in Europa, Rechtpopulisten die Mehrheit im Parlament erringen könnten, sind Wilders‘ Wähler. Während Trump es nur ins Amt schaffte, weil ihn Millionen von konservativen, sich nicht erstgenommen fühlenden Wählern aus dem Mittleren Western ins Amt hievten, ist es bei Wilders die jüngste Wählergruppe, die den stärksten Rückhalt bietet. Einer Studie des Instituts I&O Research zufolge wollen 27 Prozent der Unter-25-Jährigen für Wilders stimmen. In keiner anderen Altersgruppe sind es mehr. Wie konnte es dazu kommen? Wie kann ein Mann, der den Koran verbieten und Moscheen schließen will, von Menschen in unserem Alter, die ebenso die Welt bereisen, sich für die Eheschließung Homosexueller und Gleichberechtigung einsetzen wie wir, gewählt werden?

 

Auch die Jungen haben Angst

 

Zum einen wird das unverständlich Erscheinende genährt durch eine Angst, die ganz Europa erfasst hat. Es ist die Angst derer, die Europa nicht mit Aufbruchstimmung und Pioniergeist im Rücken aufgebaut haben, sondern nichts anderes kennen als offene Grenzen und den Euro. Es ist die Angst derer, die nach Jahren des Stolzes auf die Errungenschaften der Demokratie nun mit ihren Folgen konfrontiert werden, für die Offenheit nicht mehr nur ein positiv besetzter Begriff ist. Der Terror ist Realität in Europa. Jeder Übergriff von Flüchtlingen wird mit einer nicht für möglichen Sensibilität zum Gegenstand einer Grundsatzdebatte. Die jungen Menschen fühlen sich fremd im eigenen Land.

Einer dieser Menschen ist Donny Bonsink, 24 Jahre alt, homosexuell – und Wilders-Anhänger. Als im Dezember eine hitzige Debatte um die Daseinsberechtigung des Zwarten Pieten entbrannte (einer Krampus-ähnlichen Figur, die traditionell dem Nikolaus hilft, aufgrund ihres Aussehens – dunkle Hautfarbe, dicke Lippen, krauses Haar – von Gegnern als Symbol der Unterdrückung bezeichnet wird) gründete Bonsink eine Facebook-Gruppe, die den Erhalt des Zwarten Pieten zum Ziel hat. Tausende Menschen traten ihr bei, sie alle wollen einen Teil ihrer Kindheit und letztlich ihrer Identität bewahren. Bonsink wurde landesweit bekannt.

„Ich bin schwul und ich fühle mich hier nicht mehr sicher“, sagt er gegenüber der ZEIT. Er meint verbale Attacken von Einwanderern. Und so wie ihm geht es vielen jungen Menschen. In den Sozialen Netzwerken machen sie ihrem Unmut Luft – und solidarisieren sich mit Wilders. Einem Mann, der öffentlich gegen Marokkaner hetzt und dafür kürzlich sogar von einem Gericht verurteilt wurde. Sicher, er ist kein Donald Trump, der öffentlich derart rabiat auftritt, dass sich alleine deshalb viele junge Konservative von ihm abwendeten. Stattdessen weiß Wilders mit Rhetorik umzugehen, er setzt die „Ihr seid nicht allein“-Stärke gezielt ein. Er wirkt, als wisse er genau, was er tut. Dabei umfasst sein Wahlprogramm lediglich eine Seite.

 

Welt des Hasses

 

Wilders, der gegen die Islamisierung Europas aufruft, steht in einer Reihe mit Trump, mit Marie Le Pen und dem Front National, der in Frankreich stärkste Partei werden könnte. Er steht in einer Reihe mit der AfD und jenen, die den Islam von Beginn an als eine Gefahr einstufen. Die die Meinung in die Welt tragen, Flüchtlinge seien in erster Linie eine Gefahr und nicht Menschen in Not, die aufzunehmen die Menschlichkeit erfordert. Dass er vor allem von den Jungen derart viel Zulauf erhält, zeigt, dass das Bild einer gemeinsamen, starken jungen Generation von Menschen, die sich als Europäer sehen, wankt. Dass rechtes Gedankengut trotz Fortschritt, Demokratie und Offenheit gedeihen kann, dass es auch unter denen, die die Zukunft noch vor sich haben, wachsen kann, und nicht nur unter denjenigen, die sich vom Staat betrogen fühlen und deren Leben geprägt von Niederlagen war.

Ich werde auch weiter nach Amsterdam kommen. Der Großteil der Menschen ist weiter offen und tolerant. Ich werde wie damals als Kind den Himmel bewundern, die Hausboote, das Miteinander. Das Paradiesische aber ist längst fort. Die Verklärung, die aufgrund der eigenen Biografie, in der das kleine Nachbarland Deutschlands immer eine Rolle spielte, ist tot. Es ist, als sei das Kind, das immer nur Offenheit sah, wo in Deutschland Verschlossenheit herrschte, aufgewacht. Und wie das nach dem Ankommen im Jetzt nach Träumen ebenso ist: Das Bild, das sich darbietet, wenn man noch leicht verschlafen die Augen öffnet, ist oft kein schönes. Sondern eines, das Angst machen kann.

Angst, dass die im eigenen Denken hausende Maxime von Vernunft, die am Ende siegen wird, langsam schwindet wie ein Sonnenstrahl. Und man sich am Ende in einem Land wiederfindet, in dem Hass auf anderes stärker ist, als man je für möglich gehalten hätte. Besonders nach einer Dekade, die sich von 1933 bis 1945 auf dem Boden zutrug, auf dem wir alle stehen.