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Warum wir dieses Jahr keinen unnötigen Kram verschenken sollten

Bald geht der Wahnsinn wieder los. Millionen von Menschen stürzen sich in die U-Bahnen, ergießen sich von dort aus in die deutschen Innenstädte und marodieren durch die Läden. Sie kaufen auf Teufel-komm-raus alles, was nicht bei drei auf den Bäumen ist.

Jeder von uns war schon einmal Teil einer solchen Weihnachtseinkäufe-Gang. „Du, die Helga mag doch Porzellan?“ – „Ehm, … ja, sicher …!“ – „Weil wir brauchen noch was für die zu Weihnachten. Schau mal hier, diese herrlich bemalte Vase.“ – „Herrlich, ja … Komm, pack ein, die Scheiße.“ Es sind Weihnachts-Verzweiflungs-Gespräche mit anschließenden Die-besinnlichste-Zeit-des-Jahres-Übersprungs-Käufen.

Fünfzig Euro wechseln den Besitzer, Helga bekommt eine Vase, die sie beim nächsten Frühjahrsputz in der großen Ablage entsorgt und unsere Freunde aus der Ladenpassage sind die Verantwortung, Helga etwas schenken zu müssen, zumindest so lange los, bis Helga im neuen Jahr irgendwann zur Geburtstagsfeier lädt.

 

Am Ende sind (fast) alle unzufrieden

 

Selbstverständlich ist Weihnachten da ein Extrembeispiel. Aber wenn wir ehrlich mit uns sind, verschenken wir über das Jahr verteilt ziemlich viel Kram, den wir selbst nicht mal geschenkt nähmen. Da sind Gemeinschaftsgeschenke, mit denen sich keiner der Schenkenden identifizieren kann – man gibt aber trotzdem zehn Euro dazu, damit man auf der Glückwunschkarte unterschreiben darf. Dann gibt es Abschieds- und Willkommensgeschenke, Souvenirs aus hässlichen Ferienorten und Geschenke zu so überflüssigen Anlässen wie Ostern, Nikolaus, Namenstag …

Wem da jedes Mal etwas Kreatives und Tolles einfallen soll, der muss schon ein Genie sein. Das Kuriose daran ist, dass Schenken ja eigentlich etwas Schönes sein sollte. Dass wir von Herzen und nicht aus Pflicht schenken sollten. Dabei tun wir meistens letzteres. Dann nützt das Schenken weder dem Beschenkten, noch uns. Beide sind unzufrieden. Nur die Geschäfte freuen sich.

 

Rückbesinnung auf das, was das Schenken ausmacht

 

Die Macher von ZeitstattZeug fragen deshalb nicht zu Unrecht: „Warum schenken wir denen, die wir am meisten lieben, Dinge?“ Sie schlagen vor, dass wir lieber Zeit verschenken sollten, eines der kostbarsten Güter, die wir haben.

Ist es nicht schöner, anstatt eines Buches Vorlesen zu verschenken? Vor allem, wenn man bedenkt, dass fast 20% aller Bücher, die jährlich verschenkt werden, ungelesen bleiben? Ist es nicht schöner, gemeinsam in den Zoo zu gehen, anstatt ein Kuscheltier zu verschenken? Insbesondere wenn man sich überlegt, dass bald 60% aller Kuscheltiere ungekuschelt bleiben?

 

Wann und was wir schenken, ist wichtig

 

Ja, muss die Antwort lauten, wenn wir uns klar machen, wie viele Geschenke wir selbst schon in den Müll befördert haben. Zeit mit jemandem zu verbringen, den wir mögen, wollen wir dagegen niemals missen. Gerade heute, wo Beziehungen und Freundschaften oftmals über tausende Kilometer hinweg aufrecht erhalten werden (müssen), ist Zeit alles. Schenkt man sich da ein gemeinsames Wochenende in den Bergen oder eine Fahrradtour ins Grüne, ist das mehr wert als ein neues Parfüm oder ein Partydress.

Der Aspekt Zeit hat aber noch eine zweite Dimension, die bei der Aktion ZeitstattZeug keine Rolle spielt: Je öfter wir uns etwas schenken, desto gewöhnlicher wird es. Ostern, Geburtstag, Namenstag, Hochzeitstag, Nikolaus, Weihnachten, Beziehungs-Jahrestag, Muttertag, Vatertag, Valentinstag, … Geschenkanlässe gibt es potentiell genug. Wenn wir aber nur ein oder zweimal im Jahr einen Anlass zum Schenken haben, ist das dagegen etwas Besonderes.

Das heißt, wir sollten nicht nur überdenken was wir verschenken, sondern auch, wann wir etwas verschenken. „Mach dich rar, dann bist du der Star“, sagt man. Das gilt auch für’s Schenken. Niemand ist zehnmal im Jahr kreativ. Ein oder zweimal ist dagegen eine zumutbare Herausforderung. Und wenn wir einander ansonsten ab und an ein bisschen Zeit schenken, dann macht das den Schenkenden wie den Beschenkten nicht unzufrieden, sondern unglaublich glücklich.

 

Bildquelle: Pexels unter cc0 Lizenz
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