Yakoto-Interview

Y’akoto in der Schreinerei: „Heimat ist für mich irgendwie oldschool.“

Ein Interview von Philipp Pander und Sara Müller

Es ist Mittwoch, der erste Tag im März: unter wunderschönem blau-weißem Himmel spaziert die Sängerin Y’akoto in unseren Innenhof. Großstädte wie München sind für die Hamburgerin nichts Neues – ihre Kindheit verbrachte sie abwechelnd in Ghana, Hamburg, Togo, Kamerun und dem Tschad. Noch heute kann sie sich nicht für eine Stadt entscheiden und reist deshalb viel umher. Der Vater ein ghanaischer Musiker, die Mutter eine deutsche Politologin: Y’akoto ist inmitten zweier sehr unterschiedlicher Kulturen aufgewachsen. Auch die inspirieren die Sängerin zu melodischen Songs mit deepen Texten. Seit der Veröffentlichung ihres ersten Albums „Babyblues“ im Jahr 2012 wird sie von internationalen Kritikern als Stimmwunder bezeichnet, die in ihren Lyrics auch politische Themen nicht scheut – ihre erste Single „Tamba“ handelt vom Schicksal eines Kindersoldaten. Ihr zweites Album wurde für einen Echo nominiert und nun präsentiert sie endlich ihr neues Werk. „Mermaidblues“ kommt am 31. März auf den Markt. 

„Hier riecht es wie in einer Almhütte“, bemerkt Y’akoto, als sie das Büro betritt. Wahrscheinlich kommt der Geruch nach Almhütte von unserem alten Holzofen, von dem immer noch ein wenig Wärme ausgeht, aber eben auch hauptsächlich der Geruch von frischem Lagerfeuer in einer kalten Windernacht. Wir plaudern ein wenig und erfahren, dass sie nach unserem Interview schon wieder zurück nach Hamburg fliegt. Eine Butterbreze hätte sie aber gerne noch getestet. Diese sind schließlich typisch bayrisch, doch dafür war nicht genug Zeit. „Nächstes Mal“, sagt sie und lächelt. Dann laufen die Kameras und unser Interview kann beginnen.

 

Du bist in deinem Leben schon ganz schön herumgekommen, Y’akoto. Du bist über 15 Mal umgezogen. Kannst du dich überhaupt noch an alle Städte erinnern?

Ach, das sind inzwischen bestimmt schon mehr. Ja, natürlich. Es sind ja immer nur Fragmentierungen. Umzüge merkt man sich, weil die immer scheiße sind, wie ich finde. Man muss immer viel schleppen und viel organisieren.

Wenn du an die Zeit mit 13 zurück denkst, in der du nach Hamburg gekommen bist: War das ein harter Übergang für dich?

Ich glaube, dafür war ich noch zu jung. Ich lebte eher in meiner eigenen Welt. Meine Eltern haben mich auch ein bisschen ausgetrickst. Y’akotos Blick schweift kurz nach oben, sie lacht leicht in sich hinein. Die haben mir nicht ganz die Wahrheit gesagt. Sie meinten zu mir: „We’re going back to Germany. Like we’re going back to Hamburg.“ Ich kannte Hamburg ja von Urlauben und hatte deswegen kein Problem damit. Erst mit 14 habe ich begriffen, dass ich jetzt erst mal für längere Zeit hier sein werde. Das war auf jeden Fall ein Kulturschock.

Wie bewertest du diese vielen Wohnortswechsel jetzt im Nachhinein? Das ist ja für ein Kind wahrscheinlich nicht so einfach, oftmals „die Neue“ zu sein.

Es ist eigentlich etwas, das wir alle irgendwann mal machen müssen. Unser Leben neu gestalten. Wir bleiben ja alle nicht ewig bei Mama und Papa. Ich musste mich schon mit sieben in eine Klasse einleben und eine neue Sprache sprechen. Wir müssen alle ab einem gewissen Zeitpunkt reisen. Wenn es an einem Ort einfach nicht mehr geht, zum Beispiel. Wenn du jetzt in München bei ZEITjUNG deinen Job verlierst, weil alle dich rausmobben. Sie beginnt zu kichern und deutet auf Philipps geschienten Fuß. Na, dann musst du dich ja auch irgendwo anders bewerben.

 

Das stimmt wohl. Flexibilität ist wichtig. Dennoch tut sich bei deinen vielen Wohnorten die Frage nach der Heimat auf. Hast du einen Ort, der immer Heimat für dich sein wird?

Für mich ist der Heimatbegriff ein bisschen überholt. Also gerade in unserer Generation. Wir machen uns das Zuhause dort, wo unsere Freunde sind und wo wir Jobs haben. Es ist völlig üblich für uns, dass wir ein Auslandsjahr oder ein Praktikum in einer fremden Stadt machen. Heimat ist für mich irgendwie oldschool. Ich fühle mich eigentlich immer dort zu Hause, wo ich auch ein Zimmer habe. Wo ich mein Bett beziehen kann, wo meine Tagesdecke liegt. Der Vorteil von Großstädten ist auf jeden Fall die Infrastruktur, also auch das kulturelle Angebot. Man kann viel unternehmen, viel essen, viel erleben, viel feiern gehen und viele Leute treffen, die so ticken wie man selbst.

Du pendelst aktuell zwischen drei Städten in deinem Alltag hin und her. Hamburg, Paris und Lomé, die Hauptstadt von Togo.

Ich hatte zuletzt leider gar nicht so viel Zeit zum Reisen. Nach Togo sind es sechs Stunden und nur für eine Woche lohnt es sich nicht wirklich. Das ist immer ein bisschen schade. Für dieses Album habe ich mich jetzt zwischen Hamburg, Paris, Stockholm und L.A. bewegt. Aber da habe ich nur beschissene Songs geschrieben. Los Angeles inspiriert mich jetzt gerade noch nicht so. Da sind immer alle so gut drauf. Mit breitem Lächeln im Gesicht verdreht sie gespielt genervt die Augen.

Der Rechtspopulismus erlebt einen Aufschwung in ganz Europa und auch in den USA. Hast du unterwegs Veränderungen bemerkt? Also in Sachen Offenheit? Gibt es da merkliche Unterschiede?

Ich kann nur sagen: Sie gestikuliert mit beiden Händen in Richtung der Kamera. Rechtspopulisten bekommen von mir den Mittelfinger! Ob ich wirklich Veränderungen festgestellt habe, weiß ich nicht. Ich bewege mich natürlich als Künstlerin in einem gewissen Metier und Künstler sind meist recht weltoffen. Man bemerkt zwar, dass die Leute mehr Angst haben. Aber man kann sich auch von seiner eigenen Angst verrückt machen lassen und dazu tendiere ich einfach nicht. Ich finde, man sollte cool und auf dem Teppich bleiben und immer wieder das Gespräch suchen.

Wenn du zum Beispiel Hamburg und Paris vergleichst, siehst du Unterschiede in der Toleranz der Menschen oder wie sie mit dem Thema Rassismus umgehen?

Ich finde es cool, dass gerade sehr viel über Rassismus geredet wird und auch dass ich ständig dazu gefragt werde. Aber was mich total interessieren würde – werde eigentlich nur ich gefragt, weil es sich gerade anbietet, weil ich schwarz bin? Oder reden wir alle gerade darüber? Würdet ihr denn auch jemanden Weißen fragen, der beispielsweise eine große Reichweite hat?

Wenn er politisch ist und offen eine Haltung zeigt, auf jeden Fall…

Aber ab wann ist ein Künstler politisch? Das finde ich auch eine sehr interessante Frage. Sie fragt, ob wir sie auch als Privatperson als politisch bezeichnen würden. Wir bejahen, doch bevor wir uns erklären können, argumentiert Y’akoto weiter.

Ich reflektiere, was um mich herum passiert. In meiner Musik spreche ich nicht nur über mich selbst, sondern auch über andere Themen, die mich bewegen. Bin ich deswegen politisch? Ich weiß nicht. Ich weiß, ich bin der undiplomatischste Mensch, den es gibt. Sie lacht, da sie Philipp mit dieser Aussage erneut das Wort abschneidet. Aber warum gibt es denn nur wenige Künstler, die auf ihren Alben politisch werden?

AnnenMayKantereit zum Beispiel meinten im Interview, dass sie sich die Themen oft nicht bewusst aussuchen, sondern die Songs einfach so „passieren“. Sie reden lieber über Themen wie die Liebe. Ich finde es gut, dass man über so ein Thema so offen und ehrlich sprechen kann. Der richtige Umgang mit Rassismus ist für uns alle wichtig.

Ja. Aber ich werde es auch immer wieder wiederholen, Rassismus ist etwas, was ihr unter euch besprechen müsst. Ihr Blick schweift durch die Runde. Über Philipp auf dem Sessel neben ihr, Matthias, der hinter der Kamera steht und July, die das Interview live auf Instagram überträgt, bis zu mir.

Es geht nicht darum, die Schwarzen zu den Folgen zu befragen. Sondern darum, wie ihr euch fühlt. Wie das auf euch wirkt. Wenn ihr uns Schwarze nach Alltagsrassismus fragt, werden wir immer in diese Opferhaltung gedrängt. Und das ist natürlich auch etwas sehr negatives. In allererster Linie will ich als Musikerin ein Vorbild sein. Es ist wichtig, dass wir nicht aufhören. Denn wie oft gehe ich in eine Anwaltskanzlei und treffe einen schwarzen Menschen? Wie oft in eine Polizeistation und treffe einen türkischen Polizisten? Viele sagen, da könne man nichts machen. Doch! Ihr könnt immer nachfragen. Ich akzeptiere die Haltung, dass wir nichts machen können, so oder so nicht. Wenn ihr das Gefühl habt, etwas ist ungerecht, oder eine gewisse Person wird benachteiligt aufgrund von Hautfarbe, Kultur oder Religion, könnt ihr immer was sagen. Wir sind alle Menschen mit einem eigenständigen Verstand. Diversität ist die Realität unserer Gesellschaft.

 

 

Du sagst also, dass wir alle ein bisschen lauter sein könnten?

Ja. Zum Beispiel sind meiner Meinung nach Männer die besseren Feministen. Denn sie können das Game ändern. Indem sie mit starken Frauen zusammenarbeiten und dafür kämpfen, weil sie es wert sind. Mir haben viele Männer geholfen, in Positionen zu kommen, wo normalerweise keine Frauen sind. Die wollten mich, weil ich was kann. Und auf einmal saß ich mit einem mega Produzententeam im Raum und konnte mein Glück kaum fassen. Genau so ist das mit Rassismus. Je mehr vor allem weiße Menschen sich gegen Rassismus auflehnen, desto besser kann dagegen angekämpft werden. Und das ist viel effektiver, als wenn eine Person, die anders ist, irgendwo sitzt und mit leiser Stimme durchzukommen versucht. Kein Mensch sollte in die Position gedrängt werden, dass er irgendwo um irgendwas betteln muss.

Du hast schon öfter erwähnt, dass du keinen Soul machst, sondern Soul Seeking-Musik. Kannst du das genauer erläutern?

Ich glaube, dass Musikmachen ein ständiges Suchen ist. Man sucht irgendwie immer den Moment, wo alles Sinn macht. Kunst macht ja eigentlich nie wirklich Sinn. Es gibt nie ein ‚Ja‘ und ein ‚Nein‘, nie die eine Formel. Ich glaube einfach, dass es einde Suche ist und ich finde, es sollte auch als solche betitelt werden. Ich lasse mich nicht eingrenzen. Ich experimentierte mit Pop, Hip Hop, R’n’B und Soul. Und ich mache das alles zu einem. Ich bin ich und mache das, was ich mache.

Glaubst du dann, dass es eine ewige Suche sein wird, oder wirst du irgendwann die Antwort finden und nur noch in eine Richtung gehen?

Ewig schon gar nicht. Charles Bukowski hat ja schon gesagt: „Wir sterben sowieso alle“. Und machen uns viel zu viele Gedanken um viel zu unwichtige Dinge im Leben. Und so sehe ich das auch. There’s time for work and there’s time for love and there’s time for fun. Es geht auch nicht darum, immer zu suchen. Man sollte auch manchmal einfach den Moment genießen.

 

 

Dein Vater ist ebenfalls Musiker. Welchen Einfluss hat er auf deinen musikalischen Prozess?

Einen ganz massiven. Mein Vater hat auch diese Liebe zur Sprache an mich weitergegeben. Als ich fünf war, ließ er mich irgendwelche Worte buchstabieren. Zum Beispiel: „Hypocritical – how do you spell that?“ Solche Word-Games hat er immer gerne mit mir gemacht. Er sagt immer: „Es gibt nichts besseres als Worte. Mit Worten kannst du Menschen zum Dahinschmelzen bringen und sie aber auch komplett demolieren.“

 

Y’akotos neues Album „Mermaidblues“ erscheint am 31.März. Im Oktober geht sie damit auch auf Tour. Dafür kommt sie zurück nach München, dann aber auf die Bühne der Muffathalle. Wo ihr sie auch in anderen Städten live erleben könnt, erfahrt ihr hier.