Zukunft Neujahr Vorsatz

Zukunft: Der ultimative Vorsatz fürs neue Jahr

Schon wieder ein Jahr vorüber. Und überall laufen einem Leute über den Weg, die sagen: „Die Zeit rennt.“ Was wollen sie sagen? Dass wieder ein Jahr rum ist. Und wieder eins. Meist nimmt man sich ja am Anfang solch eines Jahres ziemlich viel vor. Damit ist nicht einmal das obligatorische Aufhören mit dem Rauchen gemeint. Und auch nicht das Ich-mache-jetzt-(am-Ende-wieder-nur-für-zwei-Wochen)-Sport-Syndrom. Im Studium will man sich endlich die Zeit fürs Lesen der Adorno-Gesamtausgabe nehmen. Sich mit dem ehemaligen besten Freund aus Schulzeiten treffen. Oder den lang ersehnten Urlaub in Bolivien machen. Sowas.

Und dann ist das verflixte Jahr vorbei und man hat weder die Gesamtausgabe von Adorno gelesen noch den alten Freund getroffen. Geschweige denn Bolivien – zum Schauen einer Doku hat es gereicht. Naja, zugegebenermaßen hat man sie nur angefangen zu schauen. Aber hey, es kommt ja ein neues Jahr und … puh … ist das alte schnell vorbei gewesen: Die Zeit rennt eben.

 

Entscheidend ist der Anteil an Routine, den das Jahr mit sich bringt

 

Das Interessante ist, dass die verpassten Gelegenheiten, die versäumten Treffen nicht das sind, was die Zeit rennen lässt. Sie machen es nur bewusst. Der Jahreswechsel ist ein Punkt, an dem man automatisch auf das Erreichte – und eben auch das Nicht-Erreichte – zurückblickt (man könnte es genauso gut am 23. April tun, aber das nur so nebenbei). Je mehr man sich selbst also eingestehen muss, dass man doch eigentlich wollte, aber nicht konnte weil… desto stärker wirkt der Bewusstmachungseffekt. Entscheidend für das Gefühl, das Jahr sei so schnell wie noch nie an einem vorbeigezogen, ist das aber nicht.

Entscheidend ist etwas ganz anderes. Entscheidend ist der Anteil an Routine, den das Jahr mit sich gebracht hat. Klingt erstmal komisch, ist aber so. Wenn man sich einfach bewusst macht, wie lang einem die Jahre im Alter von sechs Jahren vorkamen, dann merkt man schnell: Gefühlt waren sie mindestens so lang, wie jetzt fünf Jahre. Und wenn man die Großeltern fragt, bekommt man den Eindruck, ein Jahr sei gerade mal so lang wie ein Monat. Da kommt die Routine ins Spiel. Je älter man wird, desto geringer wird der Anteil an Neuem im Alltag. Der Anteil an Routine steigt beinahe auf hundert Prozent. Weil man irgendwann nicht mehr kann, nicht mehr will – wie auch immer.

 

Ein bißchen mehr von der Neugier eines kleinen Kindes

 

Kleine Kinder dagegen erleben in einer Woche geschätzt so viel Neues, dass es für ein oder zwei ganze Monate eines Erwachsenen reicht. Ganz banal: Das erste Mal Bananeneis essen. Das erste Mal Schokoladeneis essen. Das erste Mal einen kleinen Stein auf den rechten Fuß fallen lassen. Das erste Mal einen großen Stein auf den rechten Fuß fallen lassen. Das erste Mal mit der linken Hand auf die heiße Herdplatte. Das erste Mal mit der rechten… Es gibt so viele Variationsmöglichkeiten die einen faszinieren können. Je älter man wird, desto weniger gibt es im Alltag davon. Und mal mit einer blauen, mal mit einer grünen Hose den Weg zur Uni zurückzulegen, das kickt dann eben nicht mehr. Das ist ja nicht das, was man als Erfahrung bezeichnen würde.

Deshalb ist der beste Vorsatz für ein neues Jahr nicht die Reise nach Bolivien, das Treffen mit dem alten Schulfreund oder die gesammelten Werke Adornos. Und das mit dem Rauchen und dem Sport klappt zum neuen Jahr bestimmt nicht. Dafür ist schon allein der Anreiz viel zu klein. Bloß weil ein neues Jahr angefangen hat, den Arsch hoch kriegen? Bitte. Das ist zu wenig. Wie man jedes Jahr wieder sieht. Nein, der beste Vorsatz ist es zu versuchen, so oft wie möglich etwas zu entdecken. Es gibt einen ziemlich klamaukigen Film mit Jim Carrey. Er heißt Der Ja-Sager. Darin geht es um jemanden, der ein tristes Dasein fristet, bis er beschließt, auf jede Anfrage mit Ja zu antworten. Daraufhin ändert sich sein ganzes Leben und er entdeckt jeden Tag zig inspirierende neue Dinge. Sicher ist das vielleicht etwas extrem. Aber wenn man durch ein einfaches Ja ein bißchen mehr von der Neugier eines kleinen Kindes in sein Leben lassen kann, dann muss das nicht schaden.

Bildquelle: Dan Gribbin CC 0 Lizenz

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