AnnenMayKantereit-Interview

Chrisi von AnnenMayKantereit: „Ich finde Wandas Attitüde nervig“

Von Markus Ehrlich

Christopher Annen ist Gitarrist von AnnenMayKantereit, der Band, deren Debütalbum „Alles nix Konkretes“ gerade die Gemüter der Musikkritiker spaltet. Im ZEITjUNG-Interview spricht er über verletzende Kritiken, erklärt warum AMK trotzdem keine Lust auf politische Songs haben – und teilt gegen die Kollegen von Wanda aus.

ZEITjUNG.de: Christopher, stört dich, dass viele Leute so tun, als wärst du der Gitarrist von Henning May?

Christopher Annen: (lacht) Nein, überhaupt nicht. Ich finde es eigentlich sogar ganz angenehm, dass die Aufmerksamkeit nicht so sehr auf mir liegt. Dazu kommt, dass auch wir anderen total von Hennings Stimme profitiert haben. Wir wissen alle, dass sie krass ist. Das hat uns als Band schon viele Türen geöffnet.

Die Türen von Hallen mit richtig viel Fassungsvermögen zum Beispiel. Ihr spielt mittlerweile regelmäßig vor über 3.000 Zuschauern, vor wenigen Jahren noch vor höchstens 300. Was hat sich seitdem verändert?

Natürlich ist auch die Aufmerksamkeit für die einzelnen Bandmitglieder jetzt größer. Jeden Tag auf der Straße erkannt und angesprochen zu werden ist schon etwas, an das man sich gewöhnen muss. Aber wir touren jetzt auch mit einer größeren Crew und haben immer Leute dabei, die dafür sorgen, dass es uns gut geht.

„Alles nix Konkretes.“ So heißt euer Debütalbum. Schon lustig, dass genau das der Vorwurf vieler Kritiker ist: Eure Mucke sei zu wenig politisch. Ihr als Band würdet nicht polarisieren.

(lacht) Wenn ich mir manche Verrisse zu unserem Album anschaue, stelle ich fest, dass wir scheinbar doch polarisieren. Ich kann schon irgendwo nachvollziehen, dass Leute uns vorwerfen, nicht politisch zu sein. Aber: Musik muss auch nicht politisch sein. Songs passieren eben manchmal einfach und man sucht sich die Themen, über die man schreibt, nicht immer selbst aus. Bei uns geht es eben mehr um Liebe.

Trotzdem sagt ihr ja von euch selbst, dass ihr politische Menschen seid.

Klar beschäftigen wir uns mit politischen Themen. Viele Dinge sind gerade wahnsinnig akut und es ist wichtig, dass da drüber gesprochen wird. Aber in einem Song hast du dreieinhalb Minuten. Wie willst du da eine fundierte Meinung zur Flüchtlingspolitik von Frau Merkel vertreten? Dazu kommt, dass es auch genug Leute gibt, die den ganzen Tag Coca-Cola trinken und bei H&M irgendwelche Scheiß-Klamotten kaufen und dann groß erzählen, wie sie die Welt besser machen wollen. Das finde ich daneben.

Eure Songs lassen tief blicken. Wie schwer ist es, sich als Musiker so krass zu öffnen?

Die meisten unserer Texte schreibt Henning. Ich bewundere ihn, dass er sich so öffnen und seine Gefühle nach außen tragen kann. Ich kann sagen, dass ich mich noch nicht so gut öffnen kann, aber das ändert sich vielleicht noch. Henning wird zum Beispiel oft gefragt, wer Pocahontas ist. Und das will man einfach nicht erzählen. Ich erzähle in den Texten weniger von mir. Es wollte noch keiner wissen, welche Mädchen mich so beeinflusst haben.

Was sagt es über eine Gesellschaft aus, wenn man sich dafür rechtfertigen muss, ein anständiger Typ zu sein?

(lacht) Ich tue mich manchmal schwer mit so großen soziologischen Zusammenhängen. Aber ich glaube, die Leute stehen einfach auf Skandale. Mich nervt das zwar total, aber da muss man irgendwie drauf klar kommen. Klar, ist es komisch, dass man sich dafür rechtfertigen muss, keine besoffenen Skandale zu haben, aber einen Lösungsansatz habe ich leider auch nicht.

Wäre ein solcher Ansatz, als Band mehr Kante zu zeigen? Die Jungs von Wanda haben das ja gerade zu spüren bekommen.

Ach, da gab es überhaupt kein Kalkül dahinter. Henning hat in einem Interview gesagt, er würde Wanda auflösen, wenn er könnte. Uns hat selbst überrascht, wie das aufgebauscht wurde und wie viele Leute plötzlich darauf abgingen. Ich finde Wandas Attitüde mit dem Besaufen und dem Klischee-Rockstarleben nervig, auflösen müssen sie sich wegen mir aber nicht unbedingt. Ich meine: Man kann uns und unsere Musik ja genauso kacke finden. Das ist okay und muss auch mal gesagt werden dürfen.