Sprache Englisch Deutsch

Chatten, Cloud, Selfie: Was wird aus unserer Sprache?

Von Eva Kütscher

Junge Leute treffen sich heute zum Chillen bei einem Get Together. Der Einzelhandel wirbt mit Coffee To Go, Sale oder All You Can Eat. Und niemand spricht mehr von Veranstaltungen und Festen, sondern von Events und Partys.

Sprachpfleger wie die „Deutsche Sprachwelt“ bemühen sich darum, die englischen Wörter, sogenannte Anglizismen, zu verdeutschen. Jetzt, nach dem Brexit, fordern sie, die deutsche Sprache in der EU zu stärken. Haben sie Recht? Ist die deutsche Sprache in Gefahr? Carmen Scherer, Dozentin für deskriptive Sprachwissenschaft an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz meint nein. Denn Fremdwörter gab es schon immer – und einige davon sind heute nicht mehr als solche zu erkennen.

 

Englische Wörter werden nach deutschen Regeln verändert

 

„Das Englische verdrängt oder beschädigt das Deutsche nicht, da aktuell zwar viele Wörter übernommen werden, die Grammatik aber nicht beeinflusst wird. Es gibt beispielsweise keine neuen Regeln für die Bildung von Pluralformen oder Verbformen“, erklärt Carmen Scherer. So beobachten wir uns gerne dabei, wie wir die englischen Wörter nach deutschen Regeln verändern. Aus dem Verb download wird downloaden oder aus google wird googeln.

Es werde zwar oft versucht, die englische Aussprache und Schreibung beizubehalten, wie zum Beispiel in „Thriller“. Allerdings ist die Aussprache der aus dem Englischen übernommenen Wörter oft typisch deutsch. „So tritt bei Anglizismen immer die Auslautverhärtung ein, zum Beispiel bei Job, Cloud oder Hotdog“, so Scherer. Aus dem kläglichen Versuch, beim Sprechen besonders englisch zu klingen, wird bei vielen „Hotdock“ oder „Jop“. Prinzipiell gilt auch, dass alle Nomen groß geschrieben werden. Diese Großschreibung gibt es heute nur noch im Deutschen. Das zeigt, dass deutsche Eigenheiten bei Fremdsprachen beibehalten und nicht von diesen verdrängt werden.

 

Ohne Sprachveränderungen würden wir sprechen wie Goethe oder Luther

 

Carmen Scherer erklärt, dass von Deutschen auch Wörter gebildet werden, die es im Englischen überhaupt nicht (Dressman, Showmaster) oder nur mit einer anderen Bedeutung (Handy, Public Viewing) gibt. Deutsche seien also in der Lage, aus den „fremden“ Wörtern nach den deutschen Regeln neue zu bilden. Wieder andere seien nach englischen Vorlagen gebildet worden, etwa Wolkenkratzer nach sky-scraper oder Blitzableiter nach lightning-conductor. Dann gebe es Wörter, die bereits im Englischen eine Form hatten, die auch bei deutschen Wörtern üblich ist, zum Beispiel Park, Partner oder Trick. Andere entsprächen zwar der deutschen Aussprache, wurden aber in ihrer Schreibung angepasst, wie zum Beispiel Keks von cake.

Für Scherer gibt es wegen all dieser Gründe keinen Sprachverfall: „Von einem Sprachverfall kann man nur dann sprechen, wenn man Veränderungen in der Sprache ablehnt. Dann müssten wir aber konsequenterweise alle zurückkehren zum Germanischen oder Indoeuropäischen, der gemeinsamen Ursprache der Europäer.“ Dass sich Sprache immer verändert, ist historisch bewiesen und logisch nachvollziehbar. Sonst würden wir heute noch so sprechen und schreiben wie Goethe, Luther, Walther von der Vogelweide oder Karl der Große.

Die nächsten neuen Wörter kommen vielleicht aus dem Chinesischen

 

In den letzten Jahrhunderten wurden regelmäßig Wörter aus anderen Sprachen übernommen – und in vielen Fällen sind diese heute nicht mehr als fremd zu erkennen, weil sie uns so vertraut sind. Wer weiß schon, dass die deutsch klingenden Wörter wie Chef, Mauer oder Büro in Wahrheit aus dem Französischen und Lateinischen kommen? Zur heutigen Zeit werden Wörter vor allem aus dem Englischen entlehnt – in 50 Jahren kommen die neuen Wörter vielleicht aus dem Chinesischen.

Einen Hoffnungsschimmer gibt es für Sprachpfleger jedoch: „Viele der neuen Wörter werden auch wieder verschwinden, wenn sie nicht gebraucht werden“, sagt Scherer. Außerdem dürfte sie freuen, dass dieser Artikel insgesamt mit mehr nicht englischen Wörtern geschrieben wurde.