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Infantile Amnesie: Warum vergessen wir unsere Kindheit?

Hast du dich jemals gefragt, warum du dich nicht an die Zeit als Kleinkind erinnern kannst? Diese Unfähigkeit, sich an die frühen Jahre zu erinnern, nennt man infantile Amnesie. Sie ist in der Psychologie gut bekannt und betrifft uns alle. Doch was steckt genau dahinter?

Frühe Kindheit und Gedächtnis

Die infantile Amnesie beschreibt das Phänomen, dass Erwachsene sich nicht an die ersten zwei bis drei Jahre ihres Lebens erinnern können. Auch spätere Erinnerungen bis ins Schulalter sind oft nur bruchstückhaft. Dabei haben auch Säuglinge ein Gedächtnis: Sie erkennen Gesichter und Spielzeuge wieder, vergessen aber schneller als Erwachsene. Erst mit zunehmendem Alter werden Kinder fähig, Informationen länger zu speichern.

Entwicklung des Hippocampus

Laut Galileo liegt ein wichtiger Grund für die infantile Amnesie in der Gehirnentwicklung. Der Hippocampus, eine Hirnregion, die für die Bildung von Erinnerungen zuständig ist, spielt dabei eine zentrale Rolle. In den ersten Lebensjahren wird der Hippocampus stark umgebaut, was die Fähigkeit, sich zu erinnern, beeinträchtigt. Erst in der Jugend ist der Hippocampus vollständig entwickelt, was erklärt, warum frühe Erinnerungen oft fehlen oder unvollständig sind.

Kulturelle Unterschiede

Interessanterweise beeinflusst auch die Kultur, wann die ersten Erinnerungen einsetzen. In kollektivistischen Kulturen, die die Gemeinschaft über das Individuum stellen, treten die ersten Erinnerungen oft später auf als in westlichen Kulturen. Das deutet darauf hin, dass soziale und kulturelle Umgebungen die Gedächtnisbildung prägen.

Auch die Sprache spielt eine entscheidende Rolle: Erinnerungen, die vor dem Spracherwerb entstehen, lassen sich nach dem Erlernen der Sprache möglicherweise nicht mehr abrufen. Kinder, die früh sprechen lernen, entwickeln auch ein früheres autobiografisches Gedächtnis.

Einfluss der Frontallappen

Laut dem Max-Planck-Institut sind neben dem Hippocampus auch die Frontallappen des Gehirns entscheidend für das Verständnis der infantilen Amnesie. Diese Hirnregion hinter der Stirn ist für komplexe Prozesse wie Impulskontrolle, Urteilsvermögen und Problemlösung verantwortlich. Im frühen Kindesalter sind die Frontallappen noch nicht vollständig entwickelt, was das Speichern und Abrufen von Erinnerungen beeinträchtigen kann.

Verbindung zwischen Kurz- und Langzeitgedächtnis

Ein weiteres Problem ist die Verbindung zwischen den Hirnregionen, die Erinnerungen kurzfristig speichern, und dem Langzeitgedächtnis. Bei Kindern sind diese Verbindungen noch nicht vollständig entwickelt, was das langfristige Speichern von Erinnerungen erschwert. Erst wenn das Gehirn vollständig gereift ist, ist das effiziente Speichern und Abrufen von Erinnerungen möglich.

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