Wenn ich groß bin, werd‘ ich Influencer!

Über Kim Kardashian kann man viel sagen. Dass sie eine talentlose Fame-Bitch ist, zum Beispiel. Oder dass sie am Ende des Tages schlauer ist als all ihre kulturpessimistischen Kritiker. Eines steht jedenfalls fest: sie macht einen Haufen Kohle mit ihrem Körper, ihrer Familie, ihrem Stil. Keine besondere Fähigkeit könnte man meinen. Ist es aber, denn 66 Millionen Instagram-Follower kommen nicht von ungefähr. Hier postet sie kontroverse Selfies, macht Werbung für ihre App und ihre Show und zeigt sich mit ihren Produkten. Kim ist ein Influencer. Mit ihrem Channel erreicht sie Millionen Leute täglich – und die liken, herzen und teilen brav. Von ihrer Reichweite können manche Unternehmen nur träumen und versuchen so, diese bestmöglich zu nutzen. Unternehmen schenken ihr Produkte und/oder bezahlen sie dafür, damit sie sie auf ihrem Channel zeigt. Das Publikum ist eh schon da. Ihre Follower wollen Bilder von Kim und ihrem Alltag sehen, die Firme ihre Produkte an den Mann bringen.

Das Ganze geht natürlich auch eine Nummer kleiner. In Deutschland treten Influencer verstärkt als Youtuber auf. Das wohl bekannteste Beispiel: Bibi von Bibis Beauty Palace. Sie ist Deutschlands erfolgreichste Beauty-Youtuberin. Regelmäßig lädt sie neue Videos hoch, meistens ein Make Up Tutorial. Dabei hält sie jeden Pinsel, jedes Rouge in die Kamera, nennt den Namen und Preis dazu. Bibi hat das Dasein als Influencer auf das nächste Level gehoben, als sie ihren eigenen Duschschaum bei der Drogeriekette DM herausbrachte. Eine Win-Win Situation: Bibi hat ihre eigene Linie, steigert ihre Reichweite und alle ihre Abonnenten und Follower rennen in den DM, um sich neben dem lebensgroßen DM-Aufsteller zu fotografieren und den veganen Duschschaum zu ergattern. Und auf dem Weg zur Kasse nehmen sie bestimmt noch etwas anderes mit.

Bezahlt wird nach Reichweite

 

Ein weiterer Vorteil für Unternehmen ist der, dass sie selbst gar keinen Content produzieren müssen. Sie stellen nur das Produkt zur Verfügung und lassen den Influencer davon selbst ein Foto oder Video machen. Bezahlt wird nach Reichweite. Der Content ist dadurch aoptimal auf die Zielgruppe zugeschnitten. Obwohl auch viel gehatet wird und Produktplazierung auf Youtube größtenteils verpönt ist, haben die meisten Nutzer im Teenager-Alter Vertrauen in die Person, der sie folgen.

Die 20-Somethings dagegen sind gespalten. Wenn ich manche meiner Freunde über den Untergang der Kultur und die Unfähigkeit der Youtuber reden höre, denke ich mir, dass die Menschen die Einführung des ersten Fernsehers genauso kommentiert haben müssen. Diverse Medien berichten von Youtubern, Bloggern und Instagrammern, die nur Amateure seien und somit nicht beachtenswert im Gegensatz zu den richtigen Journalisten und Künstlern in Fernsehen, Print und Online-Magazinen. Andererseits eröffnen sich immer mehr 20-Somethings einen Instagram-Account voller Detox-Tee, Follow-me-Urlaubsbildern und neonfarbener Sportklamotten – und sind für ihre Verhältnisse überaus erfolgreich. So auch Christin Gippert. Vor etwa einem Jahr begann sie, ihren Instagram-Account aufzumöbeln. Seitdem postet sie fast jeden Tag Selfies oder Outfit-Fotos und arbeitet mit Hamburger Unternehmen zusammen. Die stellen ihr Schmuck oder Klamotten zur Verfügung und Christin bekommt Provision, wenn ihre Follower mittels Rabatt-Link beim Unternehmen einkaufen. Im vergangenen Herbst stiegen ihre Followerzahlen extrem an; mittlerweile hat sie rund 13.000 Follower.

 

Auch mit 2.000 Followern kann man Influencer werden

 

Laut Jan Firsching von der PR-Agentur Brandpunkt ist das nicht ungewöhnlich: „Die Grenze ist bei vielen schnell erreicht. Es gibt nur wenige mit 50.000 oder mehr Followern, alle anderen dümpeln bei 1.000 bis 2.000 rum.“ Die kämen aber je nach Unternehmen trotzdem als Influencer in Frage. Dabei gebe es zwei Arten von Nutzern bei Instagram: „Die einen sind die Fotographen, die schon sehr lange sehr gute Fotos machen. Die anderen sind die Personen, bei deren Kanal es vor allem um Selfies und weniger um Inhalte geht“. Um erfolgreich zu sein, müsse man aber Inhalte vermitteln, so der PR-Experte. Die Motivation sei aber häufig die gleiche: Es ginge darum, Ansehen in der Szene zu erlangen. Was dabei immer umstritten ist: der Umgang mit Produktplazierungen und Sponsoring. Christin „ist es sehr wichtig, offen damit umzugehen und eine Unterstützung immer kenntlich zu machen.“

Laut Jan ist sind auch hier wieder die Followerzahlen entscheidend: Leute, die kleine Kanäle haben, gingen eher nach dem Prinzip vor zu nehmen, was sie kriegen könnten – und wenn ein Unternehmen sagt, dass es keine Nennung wünscht, dann werde es auch nicht genannt. Größere Kanäle dagegen würden offener damit umgehen.

Eine ernsthafte Bedrohung für Fernsehen und Facebook

 

Ehrlichkeit beim Sponsoring hin oder her, wenn die Authentizität fehlt, ist auch der Link nichts mehr wert. „Jeden Tag kommen Anfragen rein. Am Anfang wollte ich am liebsten alles mitnehmen. Mittlerweile sortiere ich aber aus.“ Jetzt nehme sie nur noch Sachen aus dem Bereich Beauty und Fashion an, so Christin. Beauty, Fashion und Travel sind laut Jan die Branchen, die am meisten Influencing betreiben und sich auch schon am längsten damit beschäftigen „weil das die Themen sind, die auf Youtube und Instagram funktionieren.“

Ich bin kein Fan von Bibis Beauty Palace. Auch nicht von Kim Kardashian. Aber so viel Geld mit Schmink-Videos und Selbstherrlichkeit zu verdienen, ist schon bewundernswert. Außerdem werden Youtube und Instagram zu einer ernsthaften Bedrohung für Fernsehen und Facebook – ob wir es wollen oder nicht. Das einfach nur als kreischende Teenie-Mode abzutun, wäre verdammt tantenhaft. Und so wollten wir doch eigentlich nie werden.

 

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Bildquelle: Brooke Cagle unter CC0 1.0