Selbstversuch: Luzides Träumen

von Sophia Rossmann

Bock auf Fliegen? Kein Problem. Wie ein Gott mit deinem Snowboard durch die coolsten Funparks heizen und dabei die krassesten Rails deines Lebens nehmen? Locker. Klingt zu abgefahren und unrealistisch? Im echten Leben vielleicht, aber keineswegs in deiner eigenen Traumwelt. Das Zauberwort heißt luzides Träumen oder auch Klartraum genannt. Man wird sich im Traum selbst bewusst, dass man träumt und hat dann die Möglichkeit Orte, Handlungen oder auch Personen zu verändern. Man kann Bewegungsabläufe trainieren, die Kreativität schulen, Reden üben. Ja sogar Albträume können bekämpft werden. Da man weiß, dass man träumt, könnte man das Monster der schlaflosen Nächte direkt konfrontieren, es fragen, warum es einen ängstigt. Bäm, fuck off, Albtraum!

Für mich klingt das nach einer hoch spannenden Sache. Deshalb hier mein Selbstversuch: eine Woche, sieben Nächte und hoffentlich ein luzider Traum. Und los geht’s:

 

Tag 1:

 

Ich will luzide Träume haben, jetzt und sofort! Tja, einfacher gesagt als getan. Erstmal muss eine Anleitung her, also Hunderte von Büchern wälzen? Ähhh nein! Zu zeitaufwendig und ermüdend. Ich entscheide mich dazu mir ein YouTube-Tutorial reinzuziehen. Gesucht, gefunden, der „Klartraum Crashkurs“ von Jens Thiemann. Eins wird dabei ganz deutlich, ich muss es hinbekommen im Traum zu merken, dass ich träume. Hier ein paar Facts, wie man das schaffen kann:

1. Ich brauche ein sogenanntes Lucid-Mindset. Ich muss mich am Tag immer wieder vergewissern, dass ich gerade nicht träume. Das heißt, sich immer wieder wie ein Bekloppter laut fragen: „Träume ich gerade?“. Die Antwort liegt oftmals in der Zeit. Ja genau, Uhren oder generell digitale Geräte funktionieren im Traum nicht so wie in der Realität. Stimmt die Uhrzeit mit der Realität überein, so träume ich wohl nicht. Das Ziel dieser Übung ist es, dass man durch die Habitualisierung des Fragenstellens diese Gewohnheit auch mit in den Traum nimmt und dort dann die Erkenntnis erreicht, dass man gerade träumt. Puhh, some crazy shit den man hier lernt.

2. Neben dem abchecken der Uhrzeit, soll ich mir auch sogenannte Reality-Checks antrainieren. Vorgeschlagen wird, sich die Nase zuzuhalten und dabei nicht durch den Mund einzuatmen. Ergebnis: Man bekommt keine Luft mehr. Im Traum würde man sie allerdings schon bekommen, weil man sich ja nicht in Wirklichkeit die Nase zu hält (ein Hoch auf die Schlafparalyse). Somit weiß man, ob man schläft oder nicht. Das dann lockere 15 Mal am Tag wiederholen und du hast auch hier wieder den Habitualisierungseffekt (Man erinnere sich an den Film Inception. Da hatte Leonardo DiCaprio einen Kreisel als Token, der sich im Traum unendlich lang drehte. Auch eine Art Reality Check.)

3. Die Grundvoraussetzung für jeden erstklassigen Klarträumer ist ein top Traumgedächtnis. Das wird mit Hilfe eines Traumtagebuchs geschult. Ok, das sollte klappen, da ich mich eh schon immer relativ gut an meine Träume erinnern kann. Also her mit Papier und Stift, schon mal Datum notieren, nebens Bett legen und schlafen gehen. Beim Einschlafen soll ich laut meinem Guru Jens wie ein Mantra den Satz „Ich werde mich an meine Träume erinnern“ wiederholen. Na dann mal los…

4. Um vom normalen Träumen zum Bewusstsein über das Träumen zu kommen, rät mir das Tutorial die „Dream-Induced Lucid Dream“-Technik anzuwenden (gibt aber noch einige andere Wege, die ans gleiche Ziel führen). Damit führt man einen aus dem Traum ausgelösten Klartraum herbei. Man könnte auch das Bewusstsein, dass man noch wach ist, aber bald träumen wird, mit in den Traumzustand nehmen. Ich versuch’s aber mit ersterem, der DILD. Gute Nacht!

Acht Stunden später wache ich auf. Nun gilt es still liegen zu bleiben, die Augen geschlossen zu lassen und zu versuchen, sich an Träume zu erinnern. Ist etwas hängen geblieben? Überraschend viel! Ich fülle direkt mal drei Seiten meines Traumtagebuchs. Viele Einzelheiten lassen sich mit meinem echten Leben und was ich in diesem tue in Verbindung bringen. Zum Beispiel träume ich, dass ich eine Oberbefehlshaberin im Nahen Osten sei. Das kann zum einem daher kommen, dass ich im Moment exzessiv die Serie „Homeland“ schaue, aber auch durch die intensive Berichterstattung zu den aktuellen Geschehnisse Vorort.

Nichts Ungewöhnliches, wie Michael Schredl vom Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in Mannheim erklärt. Träume spiegeln unsere Erfahrungen aus dem Alltag wider und befassen sich mit Dingen, die uns wichtig sind. Daher kommt es nicht von ungefähr, dass das häufigste Thema Arbeit und Beruf in unserem Traumland ist, wie eine Studie jetzt erneut bestätigte. Etwas, dass uns tagein tagaus beschäftigt. Allerdings erinnert sich ein Mensch im Schnitt an nur einen Traum in der Woche, so Schredl.

Und das luzide Träumen? Tja, ganz so gut hat das beim ersten Streich natürlich noch nicht geklappt. Aber während des Träumens, vor allem in der Einschlafphase, hatte ich oft das Gefühl, kurz davor zu sein zu merken, dass ich träume. Zum greifen nah, doch im entscheidenden Moment wieder aufgewacht. Mist.

 

Tag 2:

 

Tagsüber habe ich mich strikt an die 15 Reality-Checks gehalten und mich immer wieder gefragt, ob ich träume oder wach bin. Aber auch in dieser Nacht schaffe ich es nicht, mir meiner Träumerei bewusst zu werden.

 

Tag 3:

 

Wieder nichts. Allerdings habe ich geträumt, dass ich nicht in den Geschichtsunterricht durfte und deshalb auch die Klausur nicht mitschreiben konnte. Das Szenario gehört laut Schredls Studie zu den klassischen Inhalten eines Traums.

Warum haben aber viele Menschen ein Problem damit, sich allein an einen Traum zu erinnern, geschweige denn luzid zu träumen? Ganz einfach, Träume werden nicht im Kurzzeitgedächtnis gespeichert. Hinzu kommt, dass das Glückshormon Serotonin eine verminderte Konzentration während des Schlafs hat. Allerdings erhöht sich die Konzentration des für das Lernen wichtige Acetylcholins, perfekt für das Üben im Klartraum. Sobald man aufwacht, steigt der Serotoninspiegel wieder an und die Erinnerungen an die Träume zerfallen vor dem inneren Auge.

 

Tag 4:

 

Es ist etwas passiert! Ein Traum im Traum im Traum. Inception real life sozusagen. Zwar hatte ich immer noch keinen richtigen Klartraum, in den ich eingreifen konnte, aber immerhin. Was passiert ist? Ich habe geträumt, dass ich schwanger sei. Ich war total geschockt und alles andere als happy, durch irgendeinen One-Night-Stand nun ein Kind in mir zu tragen für das ich gefühlt noch viel zu jung bin. Ein Glück, dass ich aufgewacht bin. Puh, alles in Ordnung. Der Puls verlangsamte sich wieder. Es war alles nur ein Traum, nur ein Traum… bis ich runter auf meinen Bauch schaute. Oh no, das war kein Traum! Ich trug eine riesen Kugel vor mir her. Die Panik machte sich wie ein Tsunami in mir breit. Und wieder bin ich aufgewacht, wieder der Blick nach unten und dieses Mal war da nichts. Ich war wieder in der Wirklichkeit angekommen, allerdings schweiß gebadet, sehr verwirrt und erschrocken. Was ein Mindfuck!

Dieses Phänomen nennt sich falsches Erwachen. Der Träumer meint aus einem Traum erwacht zu sein, befindet sich allerdings immer noch in einem solchen. In so einem Moment verspürt der Träumer große Verwirrung. Vor allem Klarträumer erleben dieses falsche Erwachen. Ich bin also meinem Ziel ein Stück näher.

 

Tag 5-7:

 

…oder auch nicht. Leider habe ich auch in den nächsten drei Nächten keinen Klartraum gehabt. Doch konnte ich mich an 6 von 7 Morgen an meine Träume erinnern, mal weniger gut, mal recht detailreich. Eine gute Quote.

Ein Oneironaut (so nennt man die Klarträumer) bin ich leider noch nicht geworden. Dafür war der gesteckte Zeitraum von einer Woche wohl etwas zu ambitioniert. Ich werde aber dran bleiben, denn wie cool wär’s bitte in seine Träume eingreifen zu können?! Ich kann jedem nur empfehlen, ein Traumtagebuch zu führen. Am Ende des Selbstversuchs sich nochmal all seine Träume durchzulesen ist einfach nur göttlich! Eine gute und klare Nacht allerseits.