Nachwuchs-Wissenschaftler, wehrt Euch!

Von Marcus Erberich

Was braucht man, um gute Wissenschaft zu betreiben? Zunächst einmal ausreichend Zeit, ein wenig Ruhe schadet auch nicht. Und im Idealfall die Gewissheit darüber, dass man auch in einem halben Jahr noch pünktlich seine Miete bezahlen und einen angemessenen Lebensstandard finanzieren kann.

An deutschen Universitäten ist keines dieser drei Kriterien bei jedem Mitarbeiter automatisch gegeben. Vor allem junge Wissenschaftler – nicht nur Doktoranden, sondern auch Nachwuchs-Dozenten – werden häufig mit Arbeitsverträgen auf Zeit abgespeist – zudem mit schlechten Gehältern.

Zeitdruck begünstigt schlechte Wissenschaft

Das wirkt sich einerseits auf die persönliche Lebensplanung der Betroffenen aus: In einer Studie zu den Arbeitsbedingungen junger Wissenschaftler, die auch die Süddeutsche Zeitung thematisiert, gaben fast zwei Drittel der 1.700 Befragten an, dass sie gerne Kinder in die Welt setzen würden, wenn sie denn über ausreichende Planungssicherheit verfügten.

Andererseits ist der Leistungsdruck, den so ein Vertrag auf Zeit mit sich bringt, nicht gerade förderlich, wenn es darum geht, seriöse Forschung zu betreiben. Denn was tut ein Nachwuchswissenschaftler, von dem in kurzer Zeit Zählbares gefordert wird? Er liefert Zählbares. Die Qualität der Ergebnisse ist in solchen Fällen zweitrangig – wenn überhaupt.

Der Studie zufolge gaben rund 80 Prozent der befragten Nachwuchswissenschaftler an, dass Zeit- und Leistungsdruck zu „wissenschaftlichem Fehlverhalten“ führe; etwa die Hälfte hat demnach derartige „Trickserei“ schon selbst erlebt. Frei nach der alten Baustellen-Weisheit: Was nicht passt, wird passend gemacht!

Das Thema ist in der Politik angekommen

Immerhin: Das Problem ist kein unbekanntes. In der Politik werden die Arbeitsbedingungen an deutschen Universitäten immer mehr zum Thema. Simone Raatz (SPD), die Vizevorsitzende des Bildungsausschusses im Bundestag, will dem Trend der Ausbeutung junger Wissenschaftler mit einem Eckpunktepapier begegnen. Darin plädiert ihre Fraktion für Mindestzeiten von Arbeitsverträgen und mehr feste Stellen an den Unis. Gerade Doktoranden müssten Sicherheit erhalten, um nicht nach einem Jahr Arbeit wieder vor dem Nichts zu stehen.

Aber die Mühlen der Politik mahlen langsam; Doktoranden und Jungwissenschaftler sollten selbst aktiv werden, um für bessere Arbeitsbedingungen zu kämpfen. Sebastian Raupach, einer der Autoren der Studie, hat eine Petition für bessere Arbeitsbedingungen gestartet, in kürzester Zeit fanden sich zigtausende Unterstützer.

Ein Vorbild kommt aus England

Ein Vorbild für wirkungsvollen Protest kommt zudem aus England, genauer: von der School of Oriental and African Studies (SOAS) in London. Hier haben sich Ph.D.-Studenten und junge Lehrkräfte zur Kampagne „Fractionals For Fair Play“ zusammengeschlossen; ihre Forderungen sind auf das deutsche Problem 1:1 übertragbar: faire Bezahlung und angemessene Arbeitsbedingungen.

Durch Proteste vor dem Universitäts-Gebäude, Dialoge mit dem Management und gezielte Öffentlichkeitsarbeit haben es die Fractionals geschafft, auf ihre Lage aufmerksam zu machen – sogar der Guardian, eine der größten englischen Tageszeitungen, hat schon über die Kampagne berichtet.

Beispiele wie dieses zeigen: Protest kann die Dinge verändern, wenn auch in kleinen Schritten. „84 Prozent der 160.000 wissenschaftlichen Mitarbeiter an Deutschlands Hochschulen haben Zeitverträge, die Lage bei den gut 50.000 Mitarbeitern an Forschungsinstituten wie Fraunhofer ist kaum besser“, rechnet die Süddeutsche Zeitung vor.

Nicht auszudenken, was passieren würde, wenn diese günstigen Wissenschaftler plötzlich alle nicht mehr zur Arbeit erschienen.

Bildquelle: DLR German Aerospace Center unter CC BY 2.0