James Vincent McMorrow Heiland

James Vincent McMorrow: „Touren, Partys, Ficken, Saufen – ein Hamsterrad!“

Von Flora Fährmann

Die ersten Singleauskopplungen „Rising Water“ und „Get Low“ haben uns definitiv einen Ohrwurm über Wochen mitgegeben! Am 2. September erscheint James Vincent McMorrows drittes Studioalbum mit dem Titel „We Move“. Sein Album ist selbstbewusst, sexy, minimalistisch und das hat er auch den neuen Producern an seiner Seite zu verdanken, die vielen ein Begriff sein dürften: Ninetee85 (Drake, DVSN), Two Inch Punch (Years & Years, Sam Smith) und Frank Dukes (Kanye West, Rihanna). Er wird die nächsten Monate mit seiner Tour beschäftigt sein, aber wir haben ihn glücklicherweise vorher noch einmal kurz auf ein Interview treffen können…

Eigentlich hatte ich mich ja schon gefreut, endlich mal wieder einen Heiland kippen zu dürfen, doch das Schicksal meint es nicht gut mit mir und mein Interview um 21.00 Uhr wird auf vormittags verschoben. In der Hotellobby treffe ich James und er weiß schon von dem Attentat, das ich auf ihn vorhabe – er will den Doppelbockliqueur unbedingt probieren, aber wir einigen uns dann erst einmal auf Kaffee. Den Heiland nimmt er trotzdem gerne und er verspricht mir, ihn am Abend zu trinken, wenn er nicht mehr so fit sein muss wie jetzt.

ZEITjUNG: Bald kommt dein neues Album raus, mit dem du neue Wege einschlägst… Siehst du dich trotzdem noch als traditionellen Singer-Songwriter?

James Vincent McMorrow: Ja doch, ich würde mich schon als Singer-Songwriter sehen. Die Produktion und der Schaffensprozess sind ein wenig voneinander abgekoppelt. Ich schreibe meine Songs alleine und denke darüber nach, danach kann einiges damit geschehen aber der ursprüngliche Prozess ist wohl genau so, wie man sich das vorstellt. Ich wollte immer wie Neil Young sein. Nur weil ich gerade keine Musik mache, die sich so anhört wie seine Musik, heißt es nicht, dass ich mich wenn ich komponiere davon entferne. Für mich wäre Frank Ocean auch ein gutes Beispiel: Er lebt diese Lieder, sie sind tief lyrisch, wunderbar komponiert und gehen unter die Haut.

Produktion und Aufnahme ist dann für mich das Voranbringen des Albums und die richtige Form dafür zu finden. Ich wollte früher eigentlich Producer werden, jedoch habe ich mit der Zeit gemerkt, dass ich das Verlangen habe, zu texten und zu komponieren. Und wenn ich dann ins Studio gehe, lasse ich mich zu meinem bestmöglichen Ich pushen. Dazu gehört auch, Kritik vertragen zu können an einem Song, auf den man eigentlich extrem stolz gewesen ist. Deshalb werde ich immer besser und besser, denn es wäre doch super langweilig, ständig das Gleiche zu machen. Ich kann sowieso nicht verstehen, wie Leute das machen können oder sogar wollen.

Mit der Musik ist das nämlich so eine Sache – sie unterscheidet sich von anderen Berufen. Wenn du Artikel schreibst, wirst du irgendwann geübt darin. Wenn du ein Rechtsanwalt bist, bekommst du immer mehr Erfahrung und gewinnst mehr Fälle. Als Musiker kommen aber schon viele „fertig geformt“ zu einem Label und erwarten dann, dass damit gearbeitet wird. So funktioniert das aber nicht. Alle großen Stars waren nicht die gleichen Jugendlichen, die mit 19 oder so entschieden haben, Musik zu machen – sie haben sich verändert. Und genau das ist es, was ich hier versuche – Neues ausprobieren, besser zu werden und mir dabei von anderen Leuten, die ebenfalls wissen was sie tun, helfen zu lassen.

Du hast ja jetzt auch einige Zeit in LA gewohnt. Wie hat dich dein Aufenthalt dort geprägt?

Am Anfang habe ich mich tatsächlich etwas unwohl gefühlt, weil alles so neu und überwältigend war. Die Menschen dort ticken einfach ganz anders als hier in Europa. Vor allem musste ich mit meinem Humor aufpassen, der dort manchmal nicht so verstanden wurde. Aber genau dieses Gefühl – sich nicht so ganz wohlzufühlen – habe ich gebraucht, um mich auf meine Musik konzentrieren zu können und noch härter zu arbeiten. Daheim in Irland ist alles bequem: Ich habe mein Haus, meinen Proberaum, meine Leute – Viel zu langweilig! Aber in LA zu wohnen war wie ein kreativer Reset für meine Arbeit, was auch der ständigen Unruhe meiner Wohnsituation zu verdanken war.

Doch was ich wirklich vermisst habe, war das Meer. Ich bin direkt am Meer aufgewachsen und mir fehlt einfach etwas, wenn ich das Meer nicht sehen kann. Abgesehen davon ist LA einfach ein guter, aber seltsamer Ort und ich habe viele neue Freunde dort gemacht, weil die Musikszene so großartig ist. Und wir Europäer sind einfach nicht so freundlich, sondern eher sarkastisch und machen böse Witze. Ich mache auch viele Witze und habe dann gemerkt…oh nooo das wurde jetzt wohl doch ein wenig zu ernst genommen. (lacht) aber diese Unterschiede haben mir Spaß gemacht, da ich dann auch ein wenig anders denken musste. LA war meine Version von einem Selbstfindungstrip nach Indien. Ich habe es geliebt.

Und du bist vermutlich auch so beschäftigt, dass da gar nicht mehr wirklich viel Zeit für was anderes bleibt…?

Mein drittes Album hat sich wie die Erfüllung eines großen Projektes angefühlt und spornt mich einfach nur noch mehr an, härter zu arbeiten und weiter zu machen. Erstmal bin ich natürlich mit meiner Tour beschäftigt, aber auch danach werde ich keine Pause machen. Denn um ehrlich zu sein…ich kann ja gar nichts anderes außer Musik zu machen und wüsste auch nicht, was ich sonst machen sollte! Ich weiß auch nicht, was ich mit mir anfangen soll, wenn ich frei habe. Fernsehschauen oder so ist nicht wirklich meins, außer wenn ich auf Tour bin und mich im Bus beschäftige. Ich habe die seltene Möglichkeit, tatsächlich von dem, was ich am Liebsten mache, auch leben zu können und ich bin da auch ein wenig getrieben.

Dein Song „Rising Water“ hört sich von der Melodie her wie ein fröhlicher Song an, wenn man auf die Lyrics hört, wird man aber schnell eines Besseren belehrt: „It’s like a game where everybody dies“. Es geht es auch um eine Frau, die dich nie zurückgerufen hat….was hat es mit dem Songtext auf sich ?

(lacht)
Die Songs auf dem Album gehen weit, weit in meinem Leben zurück. Verschiedene Phasen, an die ich mich teilweise auch echt nicht gern erinnere, aber sie doch unbedingt bearbeiten wollte. Das ist ähnlich wie das Verlassen meiner Heimat, um neue Erfahrungen machen zu können.

Ich habe nie Songs über Ereignisse in meinem Leben geschrieben und auch nicht über Erlebnisse, die mir sehr nahe gehen, denn wenn du dann auf Tour gehst musst du genau diese Erlebnisse beim Singen Revue passieren lassen, was emotional doch eine ziemliche Tortur sein kann. Dieses Mal habe ich mich aber auch überwunden und eben auch diese unangenehmen Gefühle vertont.

„Rising Water“ im Speziellen war nicht mal über eine Frau, sondern über meine große Liebe, die Musik. Diese Zeit im Leben, als ich davon geträumt habe, erfolgreich zu sein, aber immer und immer wieder Rückschläge erlitten habe. Natürlich hofft man immer, dass, wenn man nur hart genug dafür arbeitet, alles funktionieren wird. Für die allermeisten Musiker ist das jedoch nicht die Realität. Du machst, was du liebst, aber du musst trotzdem um dein Überleben kämpfen, mit deinen Selbstzweifeln arbeiten und dich auch weiterhin nicht entmutigen lassen, weil du es ja wirklich, wirklich willst. Und du tourst permanent und es ist zwar wie eine große Party, aber irgendwann wird es dir gleichgültig. Ich war in einem Hamsterrad gefangen: Konzerte, Touren, Parties, Ficken, Saufen. Du erreichst das, was du dir immer erträumt hast, und stellst dann fest, dass das nicht alles sein kann und du dich im Sinn des Lebens getäuscht hast. Und irgendwann habe ich angefangen, mich nicht mehr an meine Shows im Speziellen erinnern zu können.

Was war denn dein Wendepunkt?

Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern: Wir haben eine Show in London gespielt und als ich von der Bühne kam, haben mir Leute zur tollen Performance gratuliert…doch ich konnte mich nicht mal mehr erinnern, was ich die letzten Stunden auf der Bühne gemacht hatte. Ich habe meiner eigenen Show keine Aufmerksamkeit geschenkt und ich war so heftig besoffen, dass ich mich wirklich nicht erinnern konnte! In diesem Moment habe ich realisiert, dass ich an meiner eigenen Musik nicht mehr interessiert war, weil ich nichts mehr fühlen konnte. Das war auch nicht die Schuld meiner Musik, sondern ich war daran Schuld, weil ich mein Leben nicht unter Kontrolle hatte und auch irgendwie nichts daraus gemacht habe.

Also habe ich beschlossen, vor Shows keinen Alkohol mehr zu trinken. Du denkst jetzt vielleicht…ja wow, was soll das für eine Leistung sein. Aber für mich war es ein großer Schritt. Ich bin eine unglaublich schüchterne, nervöse Person und um ehrlich zu sein habe ich mein Lampenfieber und die Aufregung einfach weggetrunken und bin dadurch auch offener und sozialer geworden. Auf jeden Fall habe ich dann eine Show in Australien gespielt. Ohne Alkohol. Und auf einmal waren meine Gefühle wieder da. Meine Begeisterung für meine Musik und Konzerte.