Wieso uns das Legendensterben überrascht

Prince und Bowie: Die Vergegenwärtigung der Vergänglichkeit

Und der Nächste über den Jordan: Prince. Sofort sind wieder alle erschüttert, rennen zu H&M und kaufen die Shirts mit seinem Konterfei oder posten unter dem Hashtag #ripprince ihren Lieblingssong des Künstlers (in 98% der Fälle „Kiss“ oder „Sexy MF“).

Princes größten Erfolge liegen vor unserer Zeit: „Gold“ und Co. kennen wir lediglich von den Kuschel Rock-Samplern unserer Eltern. Und dennoch fällt es niemandem schwer mit dem Namen Prince irgendetwas zu assoziieren: Eine Person, einen Song, einen Look, eine persönliche Erinnerung. Und wenn es nur die an eine bestimmte Folge der Serie New Girl ist.

Klischeebehaftet geht mein prägendster Prince-Moment auf den Song „Purple Rain“ zurück: Eine Autofahrt mit meinem Vater durch die halbe Republik. Während dieser siebenstündigen Reise gen Walachei spielte unser bewährter Haus- und Hofsender die Vorzeigeschnulze drei Mal. Beim ersten Hören war ich genervt von der Art wie Prince die Strophen dahinnuschelt, beim zweiten Mal fasziniert von der Textsicherheit meines Vaters und zuletzt amüsiert von meinen Versuchen das kreischende „Honey, I know I know, I know “ mitzusingen.

 

Sexsymbol und Provokateur

 

Wieder Zuhause setzte ich mich genauer mit diesem Sänger auseinander. Also Prince, nicht meinem Vater. Der Typ hatte schon einiges erreicht, war Vorbild und Held einer großen Anhängerschaft. Galt lange Zeit als Sexsymbol und Provokateur.  Fan oder nicht, sein Anderssein sowie seine androgyne Art und sein Auftreten als schwarzer Künstler ist aller Achtung wert. Doch nicht zuletzt die Erfolge des siebenfachen Grammy-Gewinners werden ihn unvergessen machen.

Mit Sicherheit zähle ich nicht zu den größten Prince-Fans. Solche Prädikate sind meiner Meinung nach Zeitzeugen der ersten Stunde vorbehalten. Aber ich bin Fan von Menschen, die ihr Ding durchziehen, komme was wolle. Und das hat der kleine Mann mit dem seltsamen Bart und der großen Stimme definitiv getan. #ripprince #purplerain

 

Das große Legendensterben

 

Das große Legendensterben geht also weiter. Man kann in seinen Präferenzen noch so engstirnig aufgestellt sein, die vergangenen Monate sind so viele Helden der gegenwärtigen Kunst-und Kulturszene gestorben, dass irgendwie jeder betroffen schien. Begonnen bei Motörheads Lemmy, über Peter Lustig und Alan Rickman, David Bowie, Glenn Flynn und Roger Cicero. Jeder hat eine Liste seiner persönlichen Vorbilder. Diese können noch so weit entfernt sein, ihr Tod geht uns trotzdem nah.

Aber warum sind wir jedes Mal aufs Neue überrascht, wenn der Endgegner wieder zugeschlagen hat? Nicht unbedingt viele Stars der Rock- und Popszene sterben eines natürlichen Todes. Die zuvor genannten erlagen alle einer Krankheit. Und irgendwie hat dieser Gedanke etwas Tröstliches: Ihr ganzes Leben haben diese Menschen etwas Überirdisches, heben sich von den Normalbürgern ab. Ein gewöhnliches Ableben würde diesen Persönlichkeiten nicht gerecht werden.

 

Die alternde Generation der Superhelden

 

Gefühlt sorgt ein spektakulärer Tod für eine lang andauernde Popularität und geschürten Fanatismus: Kurt Cobain – Selbstmord, Amy Winehouse – Drogenmissbrauch, John Lennon – Erschossen, Heath Leadger – Drogenmissbruch, Paul Walker – Autounfall, Freddy Mercury – HIV,…

Leid und Selbstzerstörung scheinen eine große Faszination auszuüben. Gelten diese nicht zuletzt als Ausdruck von innerer Unruhe, Kreativität, Genie und Wahnsinn. Aus Menschen werden Stars und aus Stars werden Mythen. Nichtsdestotrotz müssen wir uns damit abfinden, dass die Generation unserer Superhelden alt geworden ist und auch sie nicht vor dem Lauf der Dinge gefeilt ist. Also werden auch natürliche Ursachen vermehrt unsere Helden von der Bildfläche verschwinden lassen.

 

Le rock est mord, vive le rock!

 

Das Leben der Reichen & Schönen ist gepflastert von Versuchungen, Herausforderungen und Umständen, die uns Normalsterblichen meistens nur aus der Klatschpresse bekannt sind: Immenser Drogen- und Alkoholkonsum, kurze Nächte, ständig wechselnde Geschlechtspartner, unmenschlicher Stress, noch mehr Drogen, Essstörungen… Die Klischees der Branche bieten ein ganzes Arsenal an Möglichkeiten das eigene Leben zu verkürzen. Da wundert es überhaupt, dass Vorzeige-Rock’n’Roller wie Lemmy Kilmister die Siebzig erreichen. Diese Typen vermitteln dann den Eindruck, die restliche Menschheit überleben zu können. Seltsam, wenn man dann eines Besseren belehrt wird. 

Mit einem Held stirbt auch immer ein bisschen Kindheit. Eine Traueranzeige führt uns dies schwarz auf weiß vor Augen. Der ein oder anderen fühlt sich mit den Vermächtnissen konfrontiert: Prince hinterlässt knapp 40 Jahre Musikgeschichte – und ich? Das Sterben großer Stars macht sie menschlich. Bedeutet, im Endeffekt haben alle dieselbe Chance auf das große Scheinwerferlicht. Haben wir 08/15-Arbeitnehmer also versagt? Den Verlust berühmter Persönlichkeiten zum Anlass einer ausgeprägten Depression zu nehmen, ist jedoch reichlich theatralisch. Vielmehr sollten wir uns die Vergegenwärtigung der Vergänglichkeit zu Herzen nehmen und unsere Helden sowie ihre Werke feiern, solange es geht.

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Bild: Jonathan Denney via Unsplash.com