Interview: Sängerin Josin tourt als Support von RY X durch Europa

Künstler, die wir lieben: Josin

 

Ihre Tracks haben Namen wie „Midnight Sun“ oder „Oceans Wait“ und scheinen direkt aus der Erde zu wurzeln: das Großstadtleben, hektische Clubnächte, alkoholgetränkte Anonymitäten, nichts davon inspiriert oder interessiert Josin, die derzeit in einer winzigen Stadt im Dreiländereck wohnt und sonst gerne wochenlang im Van durch fremde Länder reist und in der Wildnis campt. Die meisten Songs sind während ihrer letzten Reisen durch Skandinavien entstanden – „ich könnte nicht in warmen Zonen schreiben“, sagt Bella – und das hört man ihnen auch an: Eine sphärische Coolness und Melancholie umgibt sie wie ein nordischer Wind, der von irgendwo weit her kommt. Weit weg und gleichzeitig ganz intim, leise und gleichzeitig kraftvoll, so spricht sie auch zwischen ihren Songs auf Konzerten; bestimmt, aber bescheiden.

 

„Ich will nichts groß ankündigen, das ich noch nicht abgeliefert habe“

 

Diese Bescheidenheit ist es auch, die sie so verdammt sympathisch macht: Beispielsweise hasst sie es, Shows in sozialen Netzwerken zu announcen. „Ich finde es komisch, etwas groß anzukündigen, was man noch gar nicht vollzogen hat“, sagt Bella und rührt in ihrem Tee. Sie will ihre Sache gut machen – und kann sich erst zur Ruhe setzen, wenn sie weiß, dass sie das getan hat. Noch so eine Sache, eine Art ungewollter Bodenständigkeit, die macht, dass man diese Frau einfach mögen muss: Vor Auftritten ist sie extrem aufgeregt. Immer noch. Aber es wird besser – „ich habe es immerhin geschafft, von tagelanger Aufregung zu einer Stunde vor der Show zu reduzieren“, lacht Bella. Und dabei ist es kein Geheimnis, dass eine gewisse Nervosität oder Anspannung enorm wichtig ist. Weil sie zeigt, dass einem nicht egal ist, was man abliefert. Dass man mit Haut und Haaren dabei ist.

In Paris gehen langsam die Lichter an, draußen stehen die Köche und rauchen. Bella und ich haben uns verquatscht, vor einer Dreiviertelstunde hätte sie zu ihrem eigenen Soundcheck kommen sollen. Wir hetzen durch den dämmrigen Parc de la Villette zur Konzerthalle zurück, Josin wärmt ihre Stimme auf, ich bekomme Ingwertee.

Das französische Publikum hat an diesem Abend keine Probleme, den Zugang zu ihrer Musik zu finden, auch textlich: Großgeworden mit Michael Jackson und den Beatles, war in ihrer Welt Musik außer Oper immer englischsprachig. Beim Songwriting nimmt sie sich Zeit, die Emotion, die sie ausdrücken will, auf den Punkt zu treffen, schlägt auch mal ein Wort nach. Es ist ein Handwerk, ein Prozess. Und beim Zuhören scheint man beim Entstehen ihrer Musik direkt teilzuhaben – der skandinavische Wind streift einen an der Wange, fährt durch die Beine und einmal durch die Brust und man weiß: Da entsteht etwas ganz Großes.