Refugee Welcome Space

Refugee Welcome Space: „Wir dürfen jetzt nicht aufhören zu helfen“

Der Sommer ist vorbei. Das merken wir an dem Herbstlaub, das an unseren feuchten Schuhsohlen kleben bleibt und daran, dass sich langsam aber sicher alle wieder ihren Aufgaben zuwenden: Die Uni ist wieder losgegangen, die Letzten sind aus ihrem Urlaub zurückgekehrt, man wendet sich wieder seinen Projekten und Aufgaben zu. Back to normal. Dieser Sommer war anders als der letzte. Er hat Deutschland bis in Mark und Bein erschüttert. Wir alle waren auf einmal Teil einer Aufgabe, die auf den ersten Blick unlösbar erschien: Tausende und Abertausende Flüchtlinge erreichen Deutschland in der Hoffnung auf Asyl und ein neues Leben. Es entsteht eine Kluft im Land aus Hoffnung und Hilfsbereitschaft auf der einen Seite und Angst und Hetze auf der anderen. Wir bekommen es jeden Tag auf den Sozialen Medien und in unserem direkten Umfeld mit, wie sich Leute darum bemühen, Angst zu schüren, Unwahrheiten zu verbreiten, aber auch, wie viele Leute es gibt, die an Lösungen arbeiten, und das konkret. Selten gab es so eine Mobilisierung wie gerade und das zeigt, wie viel positive Energie in uns allen steckt. Es zeigt auch, dass ein Bewusstsein dafür geschaffen wird, welche Verantwortung jeder Einzelne von uns in dieser Situation trägt.

 

Ein Rückzugsort und ein Ort der Begegnung

 

Wir haben euch schon einige tolle Projekte vorgestellt, die Flüchtlingen helfen. Diesmal sprechen wir mit Jakob Berndt von Lemonaid & ChariTea e.V., die sich schon immer für soziale Projekte einsetzen, darüber, dass die Hilfe nun nicht abbrechen darf. Es soll kein Sommerloch-Phänomen bleiben, sondern muss in langfristige Hilfsarbeit übergehen, damit wir alle gemeinsam ein friedliches Zusammenleben erreichen können. In Zusammenarbeit mit Refugees Welcome Karoviertel habe sie einen Refugee Welcome Space in ihren Büroräumen errichtet: „Wir sehen diesen Ort als logische Ergänzung unserer täglichen Arbeit. Mit dem Verkauf von Lemonaid und ChariTea sollen Fluchtgründe wie Ausbeutung, globale Ungleichheit und Umweltzerstörung bekämpft werden. Solange diese Missstände aber bestehen, sind Kriege und Flucht bittere Realität.“

 

Soziale Projekte, um die Fluchtgründe zu bekämpfen

 

Der Verein unterstützt mit seinen Projekten die Bekämpfung der Fluchtursachen: “[…] um sozialen Wandel aktiv mit zu gestalten. Mit jeder Flasche Lemonaid wollen wir einen kleinen Beitrag leisten. Wir wollen trinkend die Welt verändern. Ein wenig jedenfalls“, heißt es auf der Homepage. Neben Fairem Handel wird mit jeder verkauften Flasche der Lemonaid & ChariTea e.V. unterstützt, der die sozialen Projekte fördert.

Mit dem Welcome Space wollen sie ein Zeichen setzen: Jeder hilft, wo er kann und so viel er kann. Auf 250 Quadratmetern finden Deutschkurse, Kinderfreizeit, Rechtsberatung, Sportprogramme und vieles mehr statt. Es ist ein Treffpunkt für die vielen Initiativen, die sich engagieren und ein Begegnungsort für die neuen Nachbarn, die ihre Heimat verlassen mussten. Jakob Berndt erklärt uns, wie dieses Projekt entstanden ist und wie wichtig es ist, zu zeigen, dass Geflüchtete hier willkommen sind.

ZEITjUNG: Wie hat sich unser Bezug zu der Flüchtlingsthematik in der letzten Zeit gewandelt?

Lemonaid: Das Thema ist in den letzten Wochen sehr konkret geworden, weil die Menschen plötzlich im wahrsten Sinne des Wortes vor der Tür standen.

Was waren die ersten Schritte, um konkret zu helfen? 

Am Anfang haben ganz viele Kollegen direkt hier in der Umgebung geholfen, haben zum Beispiel bei der Kleiderkammer mitgearbeitet, haben mit Flüchtlingen Fußball gespielt. Dieser Geist wehte hier so durch die Räume und dann haben wir entschieden, diese freie Fläche, die wir hier haben, umzufunktionieren.

Ihr habt bislang ungenutzte Räumlichkeiten von Lemonaid zu einem Welcome Space mit Tischtennisplatte, Kicker und gemütlicher Sofaecke eingerichtet. Was ist eure Absicht dahinter? 

Wir hatten bereits mit einigen Akteuren von Refugee Welcome Karoviertel zu tun. Was noch fehlte, war noch ein Raum der Begegnung und ein Zufluchtsort. Etwas, wo sich sowohl die Initiativen treffen, austauschen und ihre Arbeitsgruppen umsetzen können, als auch vor allem ein Ort für die Geflüchteten, an dem sie rauskommen aus der Dauerschleife von in der Messehalle rumhängen oder zu Behörden pendeln.

Ihr habt zu vielen Flüchtlingen Kontakt und steht in direkter Verbindung zu den Helfer-Netzwerken. Wie würdest du die aktuelle Stimmung und Lage beschreiben? Hoffnungsvoll und positiv oder auch unsicher und ängstlich?

Ich versuche immer mit Männern, die hier vor Ort sind, zu schnacken und versuche rauszufinden, wie die Stimmung ist, aber das sind alles einzelne Momentaufnahmen, die natürlich ganz unterschiedlich sind. Hier im Stadtteil beschäftigt die Leute das Thema sehr. Einige Leute machen schon konkret etwas. Ich glaube, es gibt noch viel mehr, die noch zu Hause sitzen und noch gerne etwas tun würden, aber noch nicht so richtig wissen, wie oder wo. Man muss aber auch sagen, dass es hier ein ziemlich kleiner Kosmos ist, der nicht unbedingt auf den Rest der Republik übertragbar ist. Ich finde, es ist tolles Phänomen, das da zutage tritt. Und das ist total positiv. Es gibt auch ganz viele Leute, die sonst nicht in ehrenamtlichen Strukturen unterwegs sind, mich und meine Kollegen inklusive, die hier plötzlich anpacken. Das finde ich schon sehr beeindruckend. Man muss jetzt nur schauen, dass es kein Sommerloch-Phänomen bleibt.

Wie wird der Welcome Space angenommen und wie waren die ersten Reaktionen?

Erstmal kamen nicht viele und wir waren verunsichert, ob das überhaupt gebraucht wird. Aber mittlerweile ist der Space pickepacke voll. Die Jungs, die da sind, freuen sich total, dass sie mal rauskommen, mal kickern können, mal Tischtennis spielen. Sind im ersten Schritt total dankbar, aber da ist auch viel Höflichkeit dabei. Gleichzeitig ist aber auch spürbar, dass, gerade für die Leute hier in den Messehallen, noch total unklar ist, wie es überhaupt weitergeht im mittelfristigen und langfristigen Bereich. Ob sie eine Perspektive auf Asyl- oder Bleiberecht haben. Der Space ist natürlich nur ein Trostpflaster. Das ist eine Geste und ich glaube, die ist wichtig für die Geflüchteten, wie für uns selbst. Aber natürlich löst die nicht die Probleme, vor denen die Leute stehen.

Wieso ist es wichtig, dass wir gerade jetzt helfen und dies auch nach außen zeigen? 

Ich finde es wichtig, dass man die Leute, die teilweise traumatisiert sind und furchtbare Ereignisse hinter sich haben, mit offenen Armen empfängt und ihnen auch Ablenkung und Anknüpfung bietet. Das Engagement ist wichtig, weil es auch Druck auf die Politik und politische Entscheidungen aufbaut. Weil spürbar wird, dass die Leute hier willkommen sind, dass man will, dass ihnen geholfen wird, dass sie hier integriert werden, dass ihnen Perspektiven aufgezeigt werden.

Wie sollte es nun in der Zukunft weitergehen?

Von Seiten des Vereins wollen wir den Space nicht nur jetzt als Notnagel installieren, sondern das Ganze auch perspektivisch weiterführen. Vielleicht hier, vielleicht an einem anderen Ort.