shapira

Was ist dein liebster Judenwitz, Shahak Shapira?

Er brachte uns mit #yolocaust den frühesten viralen Hashtag des Jahres, bezeichnet sich selbst als den deutschesten Juden der Welt und ist, sobald es um Antisemitismus geht, der liebste Ansprechpartner der deutschen Medienlandschaft. Shahak Shapira, 28 Jahre alt, wuchs mit seinen Eltern in Israel auf, migrierte mit seiner Mutter nach deren Scheidung nach Deutschland. Dort landete er in einer stark von der NPD geprägten Kleinstadt in Sachsen-Anhalt. Ein hartes Pflaster für einen 14-Jährigen, dessen Familie fast komplett im Holocaust getötet wurde. Mittlerweile hat er Sachsen-Anhalt hinter sich gelassen und lebt im multikulturellen Berlin. Doch auch dort ist man nicht sicher vor Rassismus. Eine Tatsache, die Shahak in der Silvesternacht 2014/15 am eigenen Leib erfahren musste. In einer vollen U-Bahn filmte Shapira einige Jugendliche, die unbehelligt „Fuck Israel“ sangen, und wurde dafür von ihnen angegriffen. Der Fall wurde deutschlandweit in den Medien behandelt und auch Shapira gab bereits wenige Stunden nach der Tat die ersten humorvollen Kommentare über die ganze Geschichte von sich. Seither ist er ein gefragter Mann und wird meist dann zum Interview gebeten, wenn eine junge jüdische Stimme benötigt wird.

Mit seinem Buch „Das wird man ja wohl noch schreiben dürfen“ erobert er momentan die Bestseller-Listen Deutschlands. Neugierig wie wir sind, haben wir ihn angerufen, um über die wirklich wichtigen Themen im Leben zu sprechen: die AfD, Kollegah und Durchfall.

 

ZEITjUNG: Shahak, du bist ja bekannt dafür, gerne mal Judenwitze zu reißen. Kannst du uns deinen Lieblingswitz erzählen?

SHAPIRA: Kann ich machen. Warum ist Moses mit den Juden 40 Jahre durch die Wüste gelaufen? – Auf der Straße war es ihm zu peinlich.


(lacht)
Darf ich als Deutsche jetzt überhaupt darüber lachen?

Warum nicht? Das ist das Deutscheste überhaupt, was du da machst. Und das machen alle und es fängt an mich zu nerven, ehrlich gesagt. In Deutschland lacht man anscheinend nicht über Witze, man fragt sich erst mal, ob man darüber lachen darf. Was ist das für ein ungesunder Prozess, mit Humor umzugehen? Ich meine, du hast ja jetzt schon gelacht, bevor du mich das gefragt hast, oder?


Ja.

Ja, dann ist das zu spät (lacht). Und ich merke auch, überall auf der Welt lachen die Leute ganz normal: „Hahaha!“ Aber wenn ich hier Witze erzähle, lachen die Leute meistens nicht so. Die lachen so: „Hohoho.“ Weißt du, so: „Hohohooo.”


Im Sinne von: „Oha, das traut er sich?!“

Ja, genau! Das ist der Wahnsinn. Das ist eine Kleinigkeit, aber das fällt mir jetzt immer wieder auf, seitdem ich das zum ersten Mal bemerkt habe. Und achte mal darauf, bei deinen Freunden, die lachen nur so mittlerweile. Aber egal. Ja, du darfst darüber lachen.


Alles klar. Dann mal wieder zurück zum Thema: Seit dem Übergriff auf dich in der Berliner U-Bahn wirst du von den Medien immer wieder als Sprachrohr für die jungen deutschen Juden gesehen. Fühlst du dich selbst auch wie ein 
Repräsentant für diese Gesellschaftsgruppe?

Nee. Ich bin‘s auch nicht. Ich glaube, ich werde mittlerweile auch nicht mehr als das angesehen. Ich bin jetzt nicht wirklich der größte Jude. Und ich bin auch nicht der größte Deutsche. Ich bin viel eher Israeli als diese beiden Sachen. Vielleicht ist das auch der Unterschied. Klar, ich bediene auch bisschen diese „Marktlücke“. Einerseits das, andererseits ärgere ich mich, dass ich‘s mache. (lacht)

 

Du lebst ja schon eine ganze Weile in Deutschland und betonst immer wieder deine Liebe zu Berlin. Nun erstarkt überall der Populismus. Hast du in den letzten Jahren eine Veränderung in der Dynamik der Stadt bemerkt? Ist dir zum Beispiel aufgefallen, dass es mehr Auseinandersetzungen gab?

Nee, das auf gar keinen Fall. Also nicht hier in Berlin. Nicht im Zentrum zumindest. Vielleicht in Marzahn oder irgendwo, aber hier nicht. Und ich glaube auch, das wird jetzt bald wieder alles vorbei sein mit der AfD.


Schön zu hören, dass in Berlin noch alles beim Alten ist. Kannst du uns das mit der AfD noch genauer erklären?

Ich glaube, jetzt sieht man das schon. Gut, vielleicht halten sie sich noch ein bisschen. Vielleicht ziehen sie in den Bundestag ein. Das Ding ist: Die Flüchtlingskrise ist vorbei. Es kommen kaum noch Flüchtlinge. Man kann den Menschen nicht mehr so gut Angst machen. Deutschland ist nicht islamisiert worden. Und es sieht auch nicht so aus, als würde das noch passieren. Die AfD zerspaltet sich gerade selbst.


Um mal wieder von der AfD wegzukommen, widmen wir uns jetzt Jan Böhmermann. Wir alle haben gesehen, wie er in der Sendung Kollegah an dich verwiesen hat. Hast du dich mit ihm getroffen?

Nee, noch nicht. Wir sind dabei, das zu organisieren.


Aber ihr habt es vor? Ihr wollt sicher etwas miteinander starten, zumindest ein Gespräch?

Naja, ich sag mal so. Kollegah hat zugesagt und ich ja auch. Der Janni ist da auch dran, das ein bisschen zu koordinieren.


Na, dann sind wir mal gespannt, was uns da noch erwartet.

Ja, ich auch! Das ist ein Problem, das mich schon ‘ne Weile beschäftigt. Schon bevor diese ganze Kollegah-Sache angefangen hat. Antisemitismus im Hip Hop ist schon ein krasses Problem. Und das heißt nicht, dass Kollegah selbst ein Antisemit ist. Aber wenn man die Kommentare auf seiner Facebookseite sieht, kann man mit Sicherheit sagen, dass einige seiner Fans Antisemiten sind.

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