Single Boykott

Ich bin kein Single, sondern einfach nur ich

Von Cara Westerkamp

Im Supermarkt stehen neben den Familienpackungen die Ein-Teller-Ravioli für die, die niemanden haben, mit dem sie ihr Dosenfutter teilen können. Für die einsamen Singles, die ihre Ravioli alleine essen müssen. Und sich dann nicht mal nachschöpfen können. Im Internet sind die Facebook-Chroniken etlicher Online-Magazine gefüllt von Artikeln mit den immer gleichen Titeln: „Warum Singles die glücklicheren Menschen sind“ oder auch gerne „Warum Singles die unglücklicheren Menschen sind“. Eins von beidem, aber auf jeden Fall irgendwas. Wenigstens auf Spotify hat die Playlist „Rap für Singles mit Niveau“ zum Glück nur einen Follower. Track 14 macht allerdings wieder traurig, denn der ist nicht nur vom hoffnungslosen Romantiker Haftbefehl, sondern beginnt auch mit den Worten „Dieses Dasein stinkt uns an, dieses Dasein stinkt uns an“. Tja, it’s a hard knock life for the Singles.

 

Na, sindse auch Single?

 

Im alltäglichen Leben wird man ständig daran erinnert, dass Singlesein schon lange kein Beziehungsstatus mehr ist. Es ist ein Statement. Der Single ist zu einer menschlichen Gattung mutiert, der geholfen oder wenigstens gut zugesprochen werden muss. Der Single ist entweder stark oder schwach, eigenständig oder hilflos, glücklich oder unglücklich. Das liegt ganz im Auge des Betrachters. Den Single, wie er in unserem Alltag herumgeistert, gibt es also gar nicht. Und hiermit ist die Sinnlosigkeit dieser Bezeichnung wohl gedropped.

In den 80er Jahren galten alleinstehende Männer und Frauen als fortschrittlich, als Ergebnis der geglückten Autonomie. Als was Singles heute gelten, ist gar nicht mehr so leicht festzulegen. Die Gesellschaft scheint gespalten. Einerseits erleben Singles wohl einen erfüllteren Alltag als vergebene Menschen, wie die Psychologin Bella DePaulo von der University of California in Santa Barbara in einer Studie herausfand, andererseits lebt der Wunsch, einen Partner zu haben, doch immer noch beinahe in jedem von uns. Trotzdem ist die Zahl der Singles seit den 80ern immer weiter gestiegen und mittlerweile soll fast jeder dritte Deutsche allein sein. Und die Frage, ob es jetzt cool oder uncool, besser oder schlechter, ein Zeugnis von Lebenslust oder Langeweile ist, bleibt zwangsläufig offen. Beziehungsweise muss sie überhaupt erst gar nicht gestellt werden.

 

Ich möchte kein Single mehr sein, doch das bedeutet nicht, dass ich mir einen Partner wünsche

 

Denn Singles sind allein, aber nicht einsam. Schwachsinn, sie sind nicht mal allein! Keinen Partner zu haben bedeutet nicht, keine Freunde, Familie und Affären zu haben. Ganz im Gegenteil, Singles stehen sogar besser in Kontakt mit Familie, Kollegen und Freunden, das belegte eine ältere Studie der Psychologin Bella DePaulo.

Fakt ist, dass die Etikettierung mit dem Aufdruck „Single“ rein gar nichts über die Person aussagt. Trotzdem verfällt man demgegenüber leicht dem Gedanken, etwas über den Single zu wissen. Frauen sind dann eben eher die Kumpeltypen, Männer geben sich einfach zu wenig Mühe, beide kommen zu wenig raus, sind zu wählerisch. Alles problematisch, wenn man einen Partner finden will. Wir bohren in der Oberfläche der Singles rum wie in einem Dreikönigskuchen auf der Suche nach der versteckten Münze. Die hat Oma heute beim Backen allerdings vergessen. Und genauso wenig wie die Münze werden wir die Ursache für das Single-Dasein finden. Denn es gibt keinen nachweisbaren Grund, weshalb man keinen Partner findet. Und den muss es auch gar nicht geben. Menschen sind nicht entweder Single oder normal, Single oder glücklich, Single oder schwach. Sie sind einfach sie selbst, mit oder ohne Partner.

 

Das Gegenteil von „in einer Beziehung“ sollte „in keiner Beziehung“ heißen

 

Eine Bezeichnung für etwas, das gar nicht existiert, ist überflüssig. Oder wie heißen diejenigen, die keinen Hund besitzen? Die kein Ben&Jerries mögen? Die keinen besten Freund haben? Diskriminierend oder verletzend ist es nicht, ständig das Single-Label aufdrückt zu bekommen, aber es nervt, weil es überflüssig ist. Nicht, weil es schlimm ist, daran erinnert zu werden, keinen Partner zu haben, sondern einfach, weil es kein Thema ist. Man lebt einfach sein wunderbares Leben und entweder es kommt jemand, mit dem man diesen Weg eine Zeit lang zusammen beschreitet oder eben nicht. Das ändert nichts zwangsläufig an der Lebenseinstellung oder der Persönlichkeit. Man wechselt nicht einfach vom Single- in den Pärchen-Modus. Denn der Single-Modus existiert gar nicht. Trotzdem wird er ständig zum Thema gemacht: Vom Supermarkt, von den Medien, sogar von den Playlisterstellern auf Spotify.

Ich plädiere für weniger Labelei in der Liebelei und wünsche mir die Zeit zurück, in der „Single“ noch ein Track auf einer Maxi-CD war.