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Ani & die Reise: Genießt du noch oder teilst du schon?

Nach dem Motto „Was raus muss, muss raus. Über das Reisen und über alles dazwischen.“ schreibt unsere langjährige und liebe Wegbegleiterin Anika Landsteiner auf ihrem Blog anidenkt. Daneben arbeitet sie an ihrem Buch, das 2017 erscheinen wird. Wir freuen uns sehr auf Anis Kolumne “Ani & die Reise“, die ab jetzt regelmäßig auf ZEITjUNG erscheinen wird. Packt schon mal eure Koffer! Teil 1 und 2 findet ihr hier.

Ich teile gerne, vor allem auf Reisen. Der schönste Sonnenuntergang stimmt mich melancholisch, wenn ich ihn für mich alleine habe. Und während ich mir bei allem, was ich unterwegs erlebe, immer eine reale Person neben mir wünsche, so zuckt mindestens genauso oft meine Hand und ich greife zur Kamera oder zum Handy. Denn ich halte gerne Momente fest und dann teile ich sie ebenso gerne, vor allem auch über Social Media.

https://www.instagram.com/p/BMOG9wBj4sA/

 

Vergänglichkeiten in ihrer schönsten Form

 

Letzteres gehört zu meinem Beruf. Die Leser*innen meines Blogs wissen, wohin die Reise geht, bevor ich in das erste Transportmittel steige, das mich an den nächsten Ort bringt. Wenn ich genau dann offline gehen würde, wäre der Sinn des Reisebloggens verloren. Doch mittlerweile sind die Grenzen zwischen einem Auftrag und einem privaten Auslandsaufenthalt verwischt – ich teile in regelmäßigen Abständen via Social Media. Keine Bikinifotos und auch nichts, was ich als privat empfinde. Aber eben den schönen Sonnenuntergang. Das tolle Restaurant. Und frage mich dabei oftmals: Könnte ich eine Reise vollkommen alleine oder maximal mit der Person, mit der ich mich auf den Weg mache, für mich behalten? Könnte ich auf Reisen gehen und meine Kamera zu Hause lassen? Um die einzelnen Moment als das zu genießen, was sie sind: Vergänglichkeit in ihrer schönsten Form.

Laut dem Social Media Institute sind 500 Millionen Menschen bei Instagram angemeldet, 40 Milliarden Bilder werden pro Jahr online gestellt. Was für eine unfassbare Masse an Klickmomenten. Und wenn man das eigene Nutzerverhalten analysiert und erkennt, in welcher Geschwindigkeit man entscheidet, ein Bild zu liken oder eben nicht, dann tut es schon weh, an diesen einen Sonnenuntergang zurückzudenken. Wie lange die Erinnerung daran nachhallt und wie, im Gegensatz dazu, das Bild dieses magischen Moments in der Welt des Internets gar keine Chance hat, zu überleben.

 

Digitales Teilen und analoges Festhalten

 

Teilen via Social Media ist eine Sache. Man kann es als Selbstdarstellung sehen, sich über Palmenfotos im Winter aufregen oder einfach nicht verstehen, wie jemand, der ein paar tausend Likes auf ein Foto bekommt, nun als Influencer bezeichnet wird. Man kann aber auch einfach akzeptieren, dass das die Zeiten sind, in denen wir leben. Festhalten abseits von Social Media ist das, was zuvor passiert. Indem man zur Kamera greift, wenn man das Gefühl hat, etwas ganz Bestimmtes festhalten zu wollen. Ein Freund, der das gar nicht leiden kann, begründet es so: „Wenn man ein Foto machen will, handelt es sich meist um einen besonderen Moment und der ist oft nur von kurzer Dauer. Bis man den Apparat oder das Handy herausgekramt hat, ist der Moment oft vorbei – und man hat ihn überhaupt nicht genießen können.“

Allerdings ist grundsätzlich nichts Verwerfliches daran, Momente festhalten zu wollen. Früher resultierte daraus der Dia-Abend, an dem die Familie zusammen saß und sich Urlaubsfotos anguckte, heute ist es eben das Scrollen durch den eigenen Instagramfeed oder, viel schöner, mit Freunden zusammensitzen und sich anhand der Fotos über die letzten Reisen austauschen. Das schafft ein Zusammengehörigkeitsgefühl, einen Austausch und auch, ganz simpel, Unterhaltung.

 

Nach dem Teilen das Nichtstun

 

Die goldene Mitte ist nicht ohne Grund die goldene Mitte. Teilen macht Spaß, denn Emotionen sind ansteckend. Nicht ohne Grund setzen so viele vor längeren Reisen einen Blog auf, um Familie und Freunde an den Erlebnissen teilhaben zu lassen. Und vielleicht, um am Ende ein paar schöne Fotos zu haben, denn, wie eine andere Freundin sagt: „Wenn ich ein Foto mache, habe ich auch gleichzeitig den Anspruch, dass es gut ist.“ Trotzdem schadet es nicht, das eigene Handeln immer wieder zu hinterfragen und das Teilen manchmal ganz bewusst zu unterlassen: Wenn ich auf Reisen ein Restaurant empfohlen bekomme, das nur deshalb so bezaubernd ist, weil es in der digitalen Abrufbarkeit von allem tatsächlich noch ein Geheimtipp ist, dann lasse ich es Geheimtipp sein. Und freue mich umso mehr, wenn andere es genauso entdecken wie ich. Kürzlich bin ich auf einer kleinen indonesischen Insel bei Sonnenuntergang einen kleinen Hügel hoch gelaufen. Was ich dann sah, war so atemberaubend, dass ich fast zeitgleich zu meiner Kamera griff. Einfach, weil ich irrsinnige Freude daran habe, zu fotografieren. Doch dann, nach ein paar Minuten, habe ich sie weglegen können. Dann saß ich einfach nur da oben mit Blick über das Meer, die Klippen um mich herum, eine 360-Grad-Aussicht, deren Erinnerung mir gerade die gleiche Gänsehaut beschert, wie ich sie hatte, als ich dort saß. Und einfach nichts tat. Und der Moment war meiner, ganz allein.