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Orlando: Über Abscheulichkeit und die Instrumentalisierung von Leid

Orlando, USA: ein Nachtclub und 50 getötete Menschen. 53 Verletzte und ein von der Polizei niedergeschossener Attentäter. Alles, was die potentiellen Beweggründe von Täter Omar Mateen betrifft, ist bis jetzt eine Mutmaßung – deshalb wollen wir hier weder einen radikalen Islam noch eine extreme Homophobie als Aufhänger dieses Textes verwenden. Allerdings müssen wir darüber reden – und noch viel mehr über den ganzen Bullshit, der mit dem Stehlen von mindestens fünfzig Menschenleben einhergeht.

Nicht, dass die Tat per se schon widerlich genug ist… ganz egal, welches weitere Licht man darauf wirft, es wird nur noch abscheulicher. Jeder Punkt dieses Ereignisses ist eine wahre humane Katastrophe – beginnend bei der Schießerei, weiter bei der Veröffentlichung von Bildern der Verstorbenen, gefolgt von unausweichlichen Mutmaßungen über IS-Verbindungen und bipolare Persönlichkeitsstörungen, weiter bei der widerwärtigen Instrumentalisierung des Präsidentschaftsanwärters Donald Trump, im Zuge derer er die noch nicht einmal geklärten Umstände für seinen Wahlkampf ausnutzt.

 

Leben und leben lassen – was ist daran nicht zu verstehen?

 

Ob es tatsächlich ein terroristischer Anschlag der IS war oder die Tat eines psychisch kranken Schwulenhassers, spielt für meinen Gedankengang gerade keine relevante Rolle. Denn so oder so frage ich mich: Wann wird es aufhören? Wann werden die Menschen vom Gedanken abrücken können, anderen Personen ihren eigenen, höchstgradig persönlichen Lebensentwurf aufzudrängen? Es widert mich an, gewisse Kapitel aus Geschichtsbüchern zu lesen. Zu erfahren, dass Menschen in der Frühen Neuzeit Frauen aufgrund ihrer Haarfarbe und abstrusen Anschuldigungen gefoltert und verbrannt haben; es widert mich an, von Christenverfolgung, Heidenverfolgung, Ayslhetzen und Angriffen auf sexuell nicht konventionell orientierte Menschen zu lesen.

Wir sind doch mittlerweile eine durch und durch aufgeklärte und fortschrittliche Gesellschaft im 21. Jahrhundert. Wie kann es immer noch nicht in den Köpfen der Menschen angekommen sein, dass wir alle verschiedene Individuen sind? Dass wir ausnahmslos, so lange wir niemandem akut damit Schaden zu fügen, unser Leben genauso gestalten werden, wie wir es möchten? Ob es zu dieser Gestaltung gehört, mit einem Mann oder einer Frau zu schlafen, hat niemanden in einer Form beschäftigen, in welcher er sich in seinem eigenen Leben bedroht fühlt.

 

Ein Symbol der Abscheulichkeit

 

Ja, das eigene Leben und vor allem der eigene Glaube ist von größter persönlicher Bewandtnis und natürlich fühlen sich eigene Entwürfe davon meist richtig für einen selbst an. Aber in diesem Satz steckt schon das relevanteste Wort der Diskussion: für einen SELBST. Das passiert schon im Alltag. So beginnt es manchmal bei eben jenen Veganern, die nicht aufhören können, anderen ihre Ernährung aufzudrängen – und es endet bei einem psychopathischem Arschloch, das fünfzig tanzende homosexuelle Menschen erschießt.

Das ist natürlich ein überspitzter Übergang, no offence, lieber Veganer – außerdem ist ein mit Ideologie und Religion verknüpftes Leben um ein wesentliches komplexer; aber die Symbolik funktioniert trotzdem. Menschen, die sich in dieser Form eines Anschlages radikalisieren, sind mit großer Wahrscheinlichkeit sehr labil, sehr verängstigt und über alle Maßen manipuliert worden.

Die Idee aber, das Leben eines anderen Menschen auszulöschen, nur weil es nicht dem selbst gewählten entspricht, hinterlässt ein massives Gefühl von Übelkeit in mir. Diese Menschen waren jung, haben sich frei gefühlt und getanzt, niemandem in irgendeiner Weise Schaden zugefügt. Sie waren an einem Ort, der für sie Sicherheit symbolisiert – in einer LGBT-Community und somit unter Menschen, die das gleiche Laster tragen, sich immer wieder für ihre Sexualität rechtfertigen zu müssen. In diesen geschützten Raum dringt nun jemand ein, tötet vor den Augen von Freunden, von Liebenden und Verwandten fünfzig Menschen. Weil…? Ja, warum eigentlich?

 

Instrumentalisierung für die US-Wahlen

 

Die Spekulation ist eröffnet: Natürlich reden alle erst einmal über den IS. Dann schlussfolgernd über den Terrorismus, anschließend über den gesamten Islam, erst zweitrangig geht es um Homophobie. Donald Trump nutzt zum wiederholten Male den Zug der vermeintlichen muslimischen Bedrohung, um direkt mit der wehenden Fahne der Instrumentalisierung in Richtung des Weißen Hauses zu düsen.

https://twitter.com/realDonaldTrump/status/742096033207844864